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AO-Vermittler: Geld oder Freiheit

Massiver Druck aus der Chefetage: Viele AO-Vermittler kritisieren das Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten. Illustration: Indomercy / Fotolia
Massiver Druck aus der Chefetage: Viele AO-Vermittler kritisieren das Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten. Illustration: Indomercy / Fotolia
Bernd Maier mag seinen Job. Der gebundene Versicherungsvermittler trat seinem Arbeitgeber – einer großen deutschen Versicherungsgesellschaft – kurz nach der Ausbildung zum Versicherungskaufmann bei. Das war vor 15 Jahren. Während dieser Zeit baute er seinen Kundenbestand aus, bildete sich weiter, informierte sich auch über Produkte der Konkurrenz. Dass einige Wettbewerber bessere Konditionen boten, ärgerte ihn zwar. Doch er wusste, dass seine Kunden die persönliche Betreuung ihres Versicherungsvertreters schätzten und ihm treu bleiben würden. Bis Maier einen neuen Vorgesetzten bekam.

Die Bestandsgröße von über 800.000 Euro Prämieneinnahmen jährlich beeindruckte Maiers neuen Chef nicht. „Neubestände akquirieren“ lautete nunmehr die Devise. Wer die ehrgeizigen Zielvorgaben nicht erfüllte, bekam keinen Bonus. Und wer sich verstärkt auf Akquise konzentrierte, vernachlässigte zwangsläufig die Betreuung seiner Altkunden. Bekam der Vorgesetzte das mit, übertrug er einen Teil des Bestands – samt Provisionen – auf einen Kollegen. Dieses Vorgehen sprach sich schnell in der Firma herum. Die Unzufriedenheit wuchs. Auch Maier denkt nun über einen Wechsel nach.

„Typischer Verlauf“, meint Thomas Suchoweew, Chef und Gründer der auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberatung Advila. Denn den wechselwilligen Ausschließlichkeitsvermittlern gehe es weder um eine bessere Dienstleistung für den Kunden, noch um eine breitere Produktpalette oder höhere Provisionen. Denn sie seien bequem: Solange es ihnen gut geht, bleiben sie bei ihrem Arbeitgeber. Erst wenn Probleme auftauchen, ziehen sie einen Wechsel in Erwägung.

Umsatzdruck steigt

Und die Probleme nehmen derzeit zu. „Der Druck wird immer größer, die Bestände immer kleiner und die Vorgesetzten immer unbeliebter“, fasst Suchoweew, der selbst jahrelang als Finanzdienstleister gearbeitet hat, zusammen. Bestandsaufteilungen seien an der Tagesordnung. Manche Unternehmen kündigen sogar ihren langjährigen Mitarbeitern und zahlen ihnen eine Abfindung. Anschließend stellen sie vier oder fünf neue Vermittler ein und teilen den Bestand des gekündigten Mitarbeiters unter diesen auf. Da die Neuzugänge von den Kleinbeständen nicht leben können, sind sie gezwungen, neue Kunden zu akquirieren oder bestehenden Kunden neue Verträge zu verkaufen. Mit verantwortungsvoller Beratung habe das dann nichts mehr zu tun.

Das bestätigt auch eine Umfrage, die Advila unter 40.000 AO-Vermittler durchgeführt hat. Das Ergebnis: 40 Prozent spielen mit dem Gedanken an einen Wechsel. Das war nicht immer so: Mit durchschnittlich 12,5 Jahren blieben gebundene Vermittler früher länger bei ihrer Gesellschaft als der Rest der Branche.

67 Prozent der Befragten klagten zudem über das Verhältnis zu ihrer Gesellschaft, das sich in den vergangenen Jahren verschlechtert hat. Als größte Probleme bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber bezeichnen die befragten Vermittler den permanent steigenden Umsatzdruck, erhöhte Planzahlen und höhere Hürden, um Boni zu bekommen. Auch die Unzufriedenheit mit den Vorgesetzten spielt eine große Rolle: Verändertes Führungsverhalten, fehlende Führungskompetenz sowie mangelnde Aus- und Weiterbildung der Führungskräfte stehen ebenfalls auf der Liste der häufi gsten Beschwerden. Außerdem werden in den Firmen vieler Studienteilnehmer Provisionen gekürzt und immer mehr administrative Aufgaben an den Außendienst abgeschoben.