Nach der Uhr nun also auch noch eine Brille. Oder besser gesagt: eine Datenbrille. Apple hat am Montagabend deutscher Zeit im Rahmen seiner Entwicklerkonferenz WWDC (steht für Worldwide Developers Conference) eine neue Produktkategorie vorgestellt – die Vision Pro, ein Headset, welches die echte Welt mit der virtuellen verbindet. 3.500 US-Dollar soll sie kosten, auf den Markt kommt sie irgendwann im kommenden Jahr.
Eigentlich ist das eine Meldung für Techies und Nerds. Wäre Apple nicht der wertvollste Konzern der Welt und in Dutzenden Fonds vertreten. Sogar Investment-Guru Warren Buffett schwört auf das Unternehmen, Apple ist bei seiner Holding Berkshire Hathaway die mit Abstand größte Position.
Selbst im MSCI World, dem Basis-Investment für viele Privatanleger, spielt Apple eine gewichtige Rolle. Im wahrsten Sinne des Wortes: Etwas mehr als 5 Prozent des gesamten Index fallen auf den Hersteller aus Cupertino. Von einem Sparplan in Höhe von 100 Euro wandern also 5 Euro direkt nach Cupertino.
Interessant?
Grund genug also, einen genaueren Blick auf die neue Datenbrille namens Vision Pro zu werfen. Sie ist schließlich nicht nur das Ergebnis von mehr als zehn Jahren Forschung und Milliarden Dollar an Investitionen. Sie ist Apples erster Schritt in eine Welt ohne iPhone.
Vision Pro: Das ist Apples neue Datenbrille
Das Mixed-Reality-Headset von Apple heißt Vision Pro und zeigt wahlweise eine vollständig virtuelle Realität (VR) oder eine Übertragung der echten Welt, über die virtuelle Objekte gelegt (Augmented Reality, abgekürzt AR). Sie funktioniert autark, also ohne gekoppeltes iPhone. Benötigt wird lediglich ein via Kabel verbundenes Batterie-Pack.
„Heute beginnt eine neue Ära des Computers“, erklärte Apple-Chef Tim Cook zur Vorstellung. „So wie der Mac das Personal Computing eingeführt hat und das iPhone das mobile Computing, führt die Apple Vision Pro das räumliche Computing ein. Die Brille sei, so Cook, „der Beginn einer Reise für einen neuen Umgang mit persönlicher Technik.“

Optisch erinnert das Daten-Headset an eine futuristische Skibrille, gefertigt aus Aluminium, Kohlefaser und gebogenem, laminiertem Glas. Die Vorderseite ist ein einziges Display, auf dem auf Wunsch Augen und Gesichtsausdruck des Brillenträgers sichtbar sind. Vision Pro ist zudem mit zahlreichen Kameramodulen, auch zur Aufnahme von Fotos und Videos, und hochauflösenden Micro-Oled-Displays ausgerüstet.
Das Headset läuft mit einem eigenständigen Betriebssystem namens visionOS. Zu Beginn werden etwa die Apps Facetime, Mail, Karten, Nachrichten, Musik und der Web-Browser Safari unterstützt. Eine der wichtigsten Funktionen sind Videokonferenzen in virtuellen Besprechungsräumen samt Whiteboards.
Der iPhone-Umsatz sinkt
Die Datenbrille ist technisch beeindruckend und scheint der Konkurrenz – dazu später mehr – technisch überlegen zu sein. Doch für den Konzern ist sie auch ein Sprung in das Unbekannte. Ein Sprung, der aus einer Notwendigkeit heraus geboren wurde. Denn so vielfältig das Portfolio des Konzerns auf den ersten Blick auch wirkt – von Hochleistungs-Macs für 3D-Entwickler über bunte Uhren-Armbänder bis hin zu Noise-Cancelling-Kopfhörern -, mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes spült nach wie vor das iPhone in die Kassen. Das Telefon ist Apples gut geölte Milliardenmaschine, die für kontinuierliche Gewinne sorgt.
Und doch ist das iPhone im 17. Jahr seines Bestehens alles, nur nicht mehr aufregend. Die Kameras werden besser, die Chips ein wenig schneller, hier und da kommt mal ein neuer Funkstandard oder eine neue Funktion. Produktpflege at it’s best.
Das macht sich auch auf anderer Ebene bemerkbar: Verbraucher nutzen ihre Smartphones immer länger, in Europa im Schnitt 40 Monate, also fast dreieinhalb Jahre. Selbst der rasend schnelle Mobilfunkstandard 5G war für viele kaum Anreiz zum Wechsel. Der schnelle Wechsel von einem Handy zum nächsten scheint passé. Zumal in Zeiten einer globalen Rezession die Konsumlaune zusätzlich gedämpft sein dürfte.
Das ist gut für die Nachhaltigkeit, aber nicht für die Aktionäre. Das zeigt sich auch in den Zahlen: Im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2023 gab es einen Rückgang des Nettogewinns um 3,4 Prozent. Mit 24,2 Milliarden US-Dollar liegt der immer noch höher, als viele Unternehmen im Jahr erwirtschaften. Dementsprechend hat Apple an der Börse immer noch einen Lauf. Im vergangenen Monat legte der Aktienkurs um 9,3 Prozent zu, Year-to-Date sind es satte 39 Prozent. Damit hat Apple kurz vor der Keynote sein All Time High geknackt.
Doch im Börsenkurs dürfte auch viel Euphorie mitschwingen. Und die Hoffnung, dass die jüngst vorgestellte Datenbrille in naher Zukunft ähnlich bedeutsam wird wie die Apple Watch und die AirPods. Beide Produktkategorien wurden anfangs belächelt und sind mittlerweile Milliarden-Geschäfte. Mehr zu beiden Geschäftsmodellen gibt es hier zum Nachlesen.