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Anleihen-Expertin April LaRusse über das aktuelle Marktumfeld

April LaRusse, Leiterin Fixed Income bei Insight Investment, das Teil von BNY Mellon Investment Management ist, spricht im Interview darüber, warum Unternehmensanleihen aktuell spannender sind als Staatsanleihen und welche Auswirkungen die anstehende US-Wahl auf die Anleihenmärkte haben könnte.
DAS INVESTMENT: Frau LaRusse, Sie sprechen von großer Unberechenbarkeit. Was macht Ihnen gerade am meisten Angst?
April LaRusse: Eine ganze Reihe von Dingen. Ein zentrales Thema ist sicherlich die anstehende Präsidentschaftswahl in den USA. Es besteht die Gefahr, dass es rund um die Wahl zu Unruhen kommt. Die Fronten sind so verhärtet und beide Seiten – Demokraten und Republikaner – sehen den Sieg des Gegners als inakzeptabel an. Bedenken hinsichtlich eines reibungslosen Machtübergangs würden die Märkte sehr nervös machen. Wir müssen Szenarien durchspielen sowohl für eine Wiederwahl Bidens als auch für eine mögliche Präsidentschaft Trumps – und die Veränderungen könnten unter Trump enorm sein.
Inwiefern?
LaRusse: Trump hat angekündigt, Importzölle auf alles zu erheben, was nicht in den USA produziert wird. Die Zölle sind mit zehn Prozent auf europäische Erzeugnisse und 60 Prozent auf Einfuhren aus China erheblich und würden sich negativ auf das Wachstum auswirken. Firmen würden trotz Umsatzeinbußen zunächst weiter in die USA exportieren, aber langfristig Wege um die Zölle herum finden. Ich frage mich auch: Was würde eine Trump-Regierung mit dem zusätzlichen Geld in der Staatskasse machen? Das wissen wir aber nicht. In Europa würden wir bei einer Wiederwahl Trumps wohl die Verteidigungsausgaben massiv erhöhen. Das Geld dafür käme wohl aus Anleihen – denn niemand in Europa will große Steuererhöhungen. Das hätte dann wiederum Folgen für die Anleihenmärkte.
Sie favorisieren aber aktuell Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen. Warum?
LaRusse: Unternehmensanleihen sind definitiv attraktiver als Staatsanleihen, denn man bekommt zwei Dinge, die Anleger aktuell haben möchten: das Zinsänderungsrisiko, das auch Staatsanleihen bieten, und zusätzlich eine Risikoprämie als Ausgleich für das Ausfallrisiko. Da die Zinsen dieses Jahr fallen, wird das die Rendite antreiben. Die Ausfallwahrscheinlichkeit von Unternehmen ist derzeit sehr gering, sie sind in einer guten finanziellen Verfassung. Insofern wird man für ein Risiko bezahlt, das in vielen Fällen gar nicht mehr so ausgeprägt ist.
Staatsanleihen sind vor allem dann gefragt, wenn gerade die Welt untergeht. Dann sind sie ein sicherer Hafen. Solange die Dinge jedoch halbwegs in Ordnung sind, bieten Unternehmensanleihen einfach viel höhere Verzinsung und damit potentiell mehr Rendite.
Gibt es auch regionale Unterschiede, etwa zwischen den USA und Europa?
LaRusse: Absolut. Der britische Markt für Unternehmensanleihen sieht sehr attraktiv aus. Auch wenn es komisch klingt, dass ich als Londonerin meinen Heimatmarkt anpreise. Aber die Bewertung ist einfach sehr günstig. Das hat auch mit einem interessanten Sondereffekt zu tun: Die riesigen britischen Pensionsfonds führen derzeit „Buy-out“-Transaktionen durch, wodurch leistungsorientierte Pensionsfonds auf Versicherungen verlagert werden. Und Versicherungen bevorzugen aus vielen regulatorischen Gründen und wegen der höheren Rendite Unternehmensanleihen. Da das Angebot an Sterling-Unternehmensanleihen begrenzt ist, führt das zu einer Outperformance.
Nur britische Unternehmensanleihen täten einem Portfolio aber nicht gut.
LaRusse: Euro-Unternehmensanleihen sind derzeit auch attraktiv bewertet. Sie preisen Risiken im Zusammenhang mit Energiepreisen und Kriegen ein. US-Bonds sind zwar interessant, aber eben nicht so günstig bewertet. Das liegt vielleicht am stärkeren Wirtschaftswachstum, das die USA als weniger riskant erscheinen lässt.
Egal ob in den USA oder in Europa – die Notenbanken stehen derzeit vor einer schwierigen Gratwanderung zwischen Inflationsbekämpfung und Konjunkturstützung. Wann rechnen Sie mit ersten Leitzinssenkungen?
LaRusse: Im Sommer. Gerade in den USA will man damit nicht zu lange warten, erst recht nichts bis zur Wahl im November. Denn das sähe nach politischer Einflussnahme der Fed aus. Daher rechnen wir mit ersten Schritten im Spätsommer, denen dann weitere Zinssenkungen im Jahresverlauf folgen. Am Ende dürften die Zinssätze binnen zwölf Monaten um rund einen Prozentpunkt fallen. Mehr ist angesichts der Stärke der Wirtschaft nicht nötig., Irgendwo bei drei bis 3,5 Prozent dürfte sich der Leitzins unserer Erwartung nach einpendeln. Das wäre ein Zinsniveau, mit dem die Wirtschaft gut leben könnte. Für den Anleihenmarkt wären das jedenfalls erhebliche Rückenwinde.
Welche Auswirkungen hätte das auf globale Anleihenstrategien wie Ihren Global Credit Fonds?
LaRusse: Für unseren Global Credit Fonds ist das natürlich positiv. Er hat eine Duration von sechs Jahren, also ein recht hohes Zinsänderungsrisiko. Wenn die Zinsen, wie erwartet, fallen, wird das die Rendite beflügeln. Durch aktive Entscheidungen können wir die Duration auch weiter erhöhen, um noch stärker davon zu profitieren. Wir haben gerade erst zusätzliches US-Zinsrisiko aufgebaut, weil wir glauben, dass der Markt noch nicht ausreichend einpreist, was bei den US-Zinsen passieren könnte. Insgesamt erwarten wir, dass dieses Jahr etwa ein Viertel der Fondsrendite aus dem Zinsrisiko und drei Viertel aus dem Kreditrisiko kommen werden. Das ist eine gute Kombination!
Wie schätzen Sie die Chancen und Risiken im High-Yield-Segment ein?
LaRusse: Klar, Hochzinsanleihen sind anfälliger für Konjunktureinbrüche, weil die Unternehmen eine höhere Verschuldung aufweisen. Wir rechnen schon damit, dass die Ausfallraten etwas steigen. Aber entscheidend ist, ob ich für die Risiken ausreichend entschädigt werde. Der Hochzinsmarkt hat sich aber auch verändert. Wir sehen – gerade in Europa – ein spürbar verändertes Verhalten bei den High-Yield-Emittenten.
Zum einen gibt es schlichtweg weniger Neuemissionen, weil sich die Firmen in der Pandemie Liquiditätspolster zugelegt und teilweise sogar bestehende Anleihen vorzeitig zurückgezahlt haben. Zum anderen hat sich das Risikomanagement deutlich verbessert. Statt auf günstige Konditionen zu spekulieren, begeben die Unternehmen neue Bonds zu dem Zeitpunkt, zu dem der Markt offen und aufnahmefähig ist – ohne die Ausgabe neuer Anleihen hinauszuzögern.

hat April LaRusse auf der BNY Mellon Investment
Konferenz in Madrid zum Gespräch getroffen.
© DAS INVESTMENT
Gibt es Branchen, die Sie bewusst meiden?
LaRusse: Unterm Strich ist der High-Yield-Markt fundamental kerngesund und bietet Anlegern ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis. Wir halten die Ausfallraten zwar nicht für einen echten Grund zur Sorge. Aber natürlich meiden wir bewusst Branchen mit erhöhtem Risiko wie zyklische Konsumgüter. Auch Mode und Tech-Unternehmen, die oft jahrelange keine Gewinne machen, kommen für uns nicht in Frage.
Die geopolitischen Spannungen, die Lieferkettenprobleme und die fragile Weltkonjunktur – eigentlich ist für Anleger Vorsicht angebracht. Trotzdem zeichnen Sie ein recht optimistisches Bild. Woraus speist sich Ihre Zuversicht?
LaRusse: Das klingt jetzt etwas makaber, aber bei allem Leid, das Kriege hervorrufen, wirken sie in der Regel eher stimulierend auf die Wirtschaft als dämpfend. Wenn Staaten jetzt die Verteidigungsausgaben massiv hochfahren, dürfte das erst einmal das Wachstum zusätzlich ankurbeln – auch wenn wir uns das natürlich aus friedlicheren Gründen wünschen würden.
Gleichzeitig darf man aber auch die positiven Entwicklungen in der Weltwirtschaft nicht übersehen. Die politischen Entscheidungsträger treiben Klimaneutralität und Digitalisierung voran. Das setzt enorme Investitionen frei. Sowohl die USA als auch Europa pumpen derzeit enorme Summen in den Ausbau erneuerbarer Energien, die Verkehrs- und Digitalinfrastruktur oder Zukunftstechnologien wie Halbleiter.
Und selbst wenn sich die Weltwirtschaft – entgegen unseren Erwartungen – verlangsamen oder doch in eine Rezession abrutschen sollte: Wir sind zuversichtlich, mit unserer Mischung aus hochwertigen Anleihen über verschiedene Regionen und Sektoren hinweg einen Sturm gut überstehen zu können. Und wir müssen nicht hektisch Mittel aufbauen, wenn sich irgendwo gute Gelegenheiten eröffnen, sondern sind sofort handlungsfähig.