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„Wenn sich die biologische Vielfalt und die Ökosystemleistungen verschlechtern, wächst das Risiko für die Wirtschaft"
„Wenn sich die biologische Vielfalt und die Ökosystemleistungen verschlechtern, wächst das Risiko für die Wirtschaft" | Foto: Midjourney

Der Schutz und die Wiederherstellung der Artenvielfalt gehören zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Sie sind nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus wirtschaftlicher Perspektive unabdingbar. „Nach Schätzungen der Weltbank sind 55 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung von der Biodiversität abhängig. Der Verlust an Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen könnte bis 2030 jährlich 2,7 Billionen US-Dollar – oder 2,3 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts – kosten“, erläutert Alix Faure, Nachhaltigkeits-Chefin bei Sienna Investment Managers.

Amanda O’Toole, Portfoliomanagerin des Biodiversity Strategy Fonds bei Redwheel, fügt an: „Der jährliche Wert der Ökosystemleistungen wird auf 125 bis 140 Billionen US-Dollar geschätzt – eine Summe, die deutlich höher ist als die aktuelle Weltwirtschaftsleistung.“ Allein die Bestäubung von Nutzpflanzen durch Tiere habe beispielsweise für den Agrarsektor einen Wert von jährlich mehr als 150 Milliarden US-Dollar.

Dass die Rentabilität und Funktionsfähigkeit bestimmter Wirtschaftszweige direkt von gut funktionierenden Ökosystemen abhängen, macht Maia Becker, Senior Director Responsible Investment bei RBC Global Asset Management, an ebenso konkreten wie eingängigen Beispielen deutlich: „Süßwasser ist für viele Unternehmen aus Landwirtschaft, Bergbau und Lebensmitteleinzelhandel von entscheidender Bedeutung. Die genetische Vielfalt in der Natur spielt für die Pharmaindustrie eine wichtige Rolle und intakte Feuchtgebiete sowie Wälder schützen Gebäude und Infrastruktur vor Überschwemmungen, Stürmen und Naturkatastrophen.“

Biodiversitätsbezogene Risiken für Unternehmen entstünden daher vor allem durch die Abhängigkeit und die Auswirkungen, die Unternehmen auf die biologische Vielfalt haben. „Diese können sich auf die Wertschöpfungsketten auswirken, die Kosten für Betriebsmittel und Rohstoffe erhöhen, zu Geldstrafen oder Haftungsansprüchen führen und potenziell den Betrieb und die Rentabilität beeinträchtigen.“ Dadurch sind sie auch für Investoren relevant.

 

Biodiversität immer stärker unter Druck

Um diese Risiken zu begrenzen, sind enorme Anstrengungen nötig. In den vergangenen Jahren ist die Artenvielfalt immer stärker unter Druck geraten: „Die Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen sind seit 1970 weltweit um durchschnittlich 69 Prozent zurückgegangen“, sagt O‘Toole. „Etwa 25 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten sind derzeit gefährdet und eine Million Arten vom Aussterben bedroht.“ Die meisten Ökosysteme auf der ganzen Welt seien so stark geschädigt, dass sie nicht mehr als widerstandsfähig und voll funktionsfähig gelten. Viele näherten sich dem Punkt, an dem sie unwiederbringlich zu kollabieren drohen.

Zwar könnten O’Toole zufolge einige natürliche Leistungen wie die Bestäubung bis zu einem gewissen Grad durch künstliche Prozesse ersetzt werden, in vielen Fällen sei dies aber schlicht nicht möglich. „Wenn sich die biologische Vielfalt und die Ökosystemleistungen verschlechtern, wächst das Risiko für die Wirtschaft sowie für die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen.“

Die gute Nachricht ist: Die internationale Gemeinschaft hat das Thema auf der Agenda. Als ein Meilenstein beim Kampf für die Artenvielfalt gilt das im Jahr 2022 auf der UN-Biodiversitätskonferenz COP 15 verabschiedete Kunming-Montreal-Abkommen, das 23 Maßnahmen umfasst. Bis zum Jahr 2030 sollen beispielsweise 30 Prozent der weltweiten Meeres- und Landfläche unter Schutz gestellt werden.

Die Bilanz bislang ist jedoch gemischt, wie Alix Chosson, Leitende ESG Analystin – Environmental Research & Investments bei Candriam, erläutert: „Trotz der eingegangenen Verpflichtungen hat nur eine begrenzte Anzahl von Ländern – 44 von 196 – ihre nationalen Strategien und Aktionspläne zur biologischen Vielfalt vorgelegt.“

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Finanzierung durch den Privatsektor nötig

Auf der diesjährigen COP 16, die Ende Oktober bis Anfang November im kolumbianischen Calì stattfand, wurde die Rolle indigener Völker gestärkt – ein Schritt, den Chosson begrüßt: „Die stärkere Einbeziehung ihrer Rechte könnte den Unternehmen neue Verpflichtungen auferlegen, diese bei ihren Projekten zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere bei der Rohstoffgewinnung“, macht sie deutlich. „Dies ist von erheblicher Bedeutung, da mehr als die Hälfte der für die Energiewende benötigten Metalle in der Nähe von Land liegen, das indigenen Völkern gehört. Zwischen 2012 und 2023 wurden laut Nichtregierungsorganisation Global Witness 766 indigene Menschen wegen ihres Umweltaktivismus getötet. Das entspricht 36 Prozent aller Todesfälle von Umweltschützern.“

Im Ergebnis der COP 16 fehlen aus Sicht der Investmentexperten jedoch wichtige Elemente. Zuvorderst: eine verbindliche Finanzierung. „Die sehr geringen Fortschritte bei der Schließung der Finanzierungslücke, wo die Diskussionen im üblichen Nord-Süd-Gefälle festgefahren sind, senden leider keine positiven Signale“, kritisiert Chosson. „Dies unterstreicht einmal mehr die Notwendigkeit der Finanzierung durch den Privatsektor.“

 

Die Bedeutung von Biodiversität für Investoren

Aus Sicht von O’Toole haben Investoren drei Möglichkeiten, die Biodiversität in ihre Investmentstrategie einzubeziehen. „Sie können das physische Risiko, das Übergangsrisiko und die Chancen ihrer Investitionen in Bezug auf die biologische Vielfalt überprüfen. Beim physischen Risiko geht es darum, inwieweit ihre Investments von natürlichen Ökosystemleistungen abhängig sind und was es kosten würde, wenn diese wegfielen.“

Das Übergangsrisiko stelle dar, inwieweit ihre Investitionen die biologische Vielfalt bedrohen oder beanspruchen und was es kosten würde, diesen Fußabdruck in Bezug auf die Artenvielfalt zu beseitigen – beispielsweise, wenn dies durch Vorschriften, Reputationsrisiken oder Kundenerwartungen nötig wird. „Die Chancen spiegeln wiederum, inwieweit Investitionen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und des Naturkapitals beitragen können und von diesem Beitrag profitieren.“

Darüber hinaus, so O’Toole, können Investoren Überlegungen anstellen, wie bei ihren Portfoliounternehmen physische Risiken und Übergangsrisiken gemindert werden können und auf Verbesserungen hinwirken. „Dadurch lassen sich Investitionen ausschließen, bei denen eine Risikominderung unmöglich oder unwahrscheinlich ist und die Unternehmen auswählen, die im Laufe der Zeit von ihrem geringeren Risiko profitieren dürften.“ Eine weitere Möglichkeit seien Investitionen in Unternehmen, die Lösungen bieten. „Auf diese Weise können die Anleger einen Beitrag zum Wandel leisten und gleichzeitig von den damit verbundenen Wachstumschancen profitieren.“

Faure gibt zu bedenken, dass sich eine Anlagestrategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt nicht darauf beschränken können, die im Hinblick auf die Biodiversität problematischsten Wirtschaftssektoren auszuschließen. Dabei betont sie die Vorteile von Private Debt: „Das Wesen dieser Finanzierungsform, die eine Alternative zu Bankkrediten oder klassischen Anleiheemissionen darstellt, ermöglicht einen direkten, nahtlosen und detaillierten Dialog zwischen Fondsmanagern und Unternehmen.“ Die Verwendung von Wirkungsklauseln ermögliche es, die Erwartungen des Fondsmanagers im Voraus zu definieren und einen messbaren und durchsetzbaren Biodiversitätspfad für die Unternehmen festzulegen.

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