Biodiversität ist ein Wirtschaftsfaktor Der Verlust der Artenvielfalt birgt ein systemisches Risiko
Funktionierende Ökosysteme sind die Grundlage unserer Gesellschaft: Sie produzieren den Sauerstoff, den wir atmen, und tragen zur Eindämmung des Klimawandels bei. Außerdem sind mindestens 55 Prozent der Weltwirtschaft von ihnen abhängig. Umso schwerer wiegt, dass 25 Prozent aller Spezies bis 2050 vom Aussterben bedroht sind – also rund eine Million Pflanzen- und Tierarten.
Es gibt fünf Hauptbedrohungen für die biologische Vielfalt:
- Veränderte Land- sowie Meeresnutzung
- Umweltverschmutzung
- Übermäßige Ausbeutung der natürlichen Ressourcen
- Invasive Arten
- Klimawandel
Der Verlust der biologischen Vielfalt gefährdet laut zwischenstaatlicher Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen, einer Organisation der Vereinten Nationen (UN), außerdem die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung in den Bereichen Armut, Hunger, Gesundheit, Wasser, Städte, Klima, Ozeane und Land. Das ist ein weiterer Grund, die Zerstörung von Ökosystemen und den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten.
Schutz der Ökosysteme bringt finanziellen Mehrwert
Auf der 15. Weltnaturkonferenz (COP15) einigten sich Ende 2022 192 Staaten auf den Globalen Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal. Sein Kernstück ist das Ziel, bis zum Jahr 2030 30 Prozent der Natur unter Schutz zu stellen. Das ist auch in wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll: Laut einem Bericht der University of Cambridge übersteigt der finanzielle Nutzen des Schutzes von 30 Prozent der weltweiten Landflächen und Ozeane die damit verbundenen Kosten im Verhältnis 5 zu 1.
Die Regierungen haben sich außerdem darauf geeinigt, umweltschädliche Subventionen schrittweise abzubauen. Diese kosten jährlich schätzungsweise 2 Billionen US-Dollar. Darüber hinaus wurde das Ziel festgelegt, jedes Jahr 200 Milliarden US-Dollar für den Naturschutz auszugeben.
Biodiversität mit hoher Bedeutung für Anleger
Der Verlust der biologischen Vielfalt ist ein systemisches Risiko. Honigbienen beispielsweise sind für die Bestäubung von etwa einem Drittel des weltweiten Nahrungsmittelangebots verantwortlich. Allein in den USA erbringen sie Dienstleistungen im Wert von rund 15 bis 20 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Es ist wichtig, dass Anleger die Biodiversitätsrisiken berücksichtigen. Von den Unternehmen können sie die Offenlegung von Umweltinformationen verlangen, um ihre Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu beurteilen. Daten der Non-Profit-Organisation CDP (ehemals Carbon Disclosure Project) haben jedoch gezeigt, dass die meisten Unternehmen ihren Ankündigungen in Bezug auf die biologische Vielfalt keine Taten folgen lassen.
Der Druck auf die Unternehmen steigt
Das Global Biodiversity Framework fordert die Regierungen auf, Unternehmen und Finanzinstitute dazu anzuhalten, ihre Risiken, Abhängigkeiten und Auswirkungen in Bezug auf die biologische Vielfalt offenzulegen. Der Druck zu größerer Transparenz wird die Unternehmen vermutlich zu mehr Maßnahmen bewegen, um den Verlust der Biodiversität zu verringern.
Unseres Erachtens sollten regulatorische Maßnahmen den Anlegern helfen, die mit der biologischen Vielfalt verbundenen Risiken und Chancen in ihren Portfolios zu verstehen. Zu diesem Zweck haben wir in der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) an der Entwicklung eines entsprechenden Rahmenwerks mitgewirkt.
Nach Angaben der Denkfabrik Paulson Institute klafft bei der Finanzierung des Schutzes natürlicher Systeme derzeit eine jährliche Lücke in Höhe von 700 Milliarden US-Dollar. Diese kann durch den Abbau von Subventionen, die der biologischen Vielfalt schaden, verringert werden. Ebenfalls dazu beitragen kann die Mittelbeschaffung über Kohlenstoffmärkte, Biodiversitätskredite und grüne Finanzprodukte.
Biodiversitäts-Fußabdruck zur Risikobewertung
Um zu messen, wie sich unsere Investitionen auf die biologische Vielfalt auswirken, haben wir einen Biodiversitäts-Fußabdruck entwickelt. Mithilfe dieses Instruments lassen sich Daten von Unternehmen und ihrer Lieferketten kombinieren, um ihre potenziellen Auswirkungen auf die Biodiversität zu quantifizieren – ohne dass die tatsächliche Veränderung der biologischen Vielfalt vor Ort ermittelt werden muss. Diese Bewertung des Biodiversitäts-Fußabdrucks ergänzt unsere ESG-Analysen und hilft dabei, Ziele für ein direktes Engagement unserer Stewardship- und Portfoliomanagement-Teams zu definieren.
Viele Herausforderungen bleiben bestehen. Es fehlt beispielsweise immer noch an Daten, die von Investoren genutzt werden können, um spezifische Auswirkungen mit einzelnen Unternehmen in Verbindung zu bringen. Das ist jedoch kein Grund, passiv zu bleiben – ganz im Gegenteil. Unterstützen wir die Honigbienen bei ihrer Arbeit!