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Aktualisiert am 07.07.2023 - 10:42 Uhrin Karl PilnyLesedauer: 8 Minuten

Südostasien Das RCEP-Abkommen ist der Gamechanger Asiens - wie Anleger davon profitieren

Beladung eines LKW am Hafen von Qingdao, China
Beladung eines LKW am Hafen von Qingdao, China: Das RCEP vereint erstmals China, Japan und Südkorea in einem Freihandelsabkommen. | Foto: Imago Images / VCG

Im Januar 2022 trat das Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) in Kraft, das größte Freihandelsabkommen der Welt. Es verbindet die zehn Staaten des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN) mit China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland und steht für 30 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und der Weltbevölkerung. Allerdings ohne Indien und die USA.

Asien stellt sich gegen den Trend der Deglobalisierung

Es könnte sich gleichwohl dereinst als Gamechanger in der Region und dem Welthandel erweisen. Denn es sieht unter anderem neben der Zollbefreiung von 90 Prozent des Handels auch viele praktische Verbesserungen wie beispielsweise die Abfertigung verderblicher Produkte an der Grenze in maximal sechs Stunden vor.

Ohne Zweifel ist das Abkommen auch politisch ein deutliches Signal. Mit wachsender Integration stellt sich Asien gegen den Trend zur Deglobalisierung und der Errichtung neuer Handelsbarrieren. Zudem vereint RCEP erstmals China, Japan und Südkorea in einem Freihandelsabkommen. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) billigt RCEP deshalb das Potenzial zu, Lieferketten zu stärken, Einkommen zu erhöhen und Millionen von Arbeitsplätzen zu schaffen.

Es hakt noch an vielen Ecken

Und doch: Die Bilanz nach Ablauf des ersten Jahres offenbart noch Verbesserungsbedarf. Anlaufschwierigkeiten führen dazu, dass das Abkommen noch nicht vollumfänglich genutzt werden kann, zumal die Umsetzung langsam und uneinheitlich stattfindet. Um das Potenzial tatsächlich auszuschöpfen, ist noch reichlich Feinarbeit nötig.

So ist der Zollabbau noch lange nicht abgeschlossen. Zudem können die Unternehmen der Asean-Staaten aus einer Vielzahl von bereits bestehenden bi- und multilateralen Freihandelszonen mit den wichtigen Industriemächten China, Japan und Südkorea auswählen.

Für den kompletten Zollabbau sind Übergangsperioden von bis zu 20 Jahren vorgesehen. Die vollständige Umsetzung der Vorgaben hakt. So hatten in den ersten Monaten Unternehmen beispielsweise Probleme, an die erforderlichen Formulare zu kommen. Zudem ist vielen Unternehmen noch nicht klar, wie sie die Vorteile des Abkommens nutzen können. Bei vielen lokalen Zollbehörden fehlt es am notwendigen Wissen über die neuen Vorschriften. Auch lokale Vorschriften müssen zum Teil noch angepasst werden.

Anfang 2022 hatten noch nicht alle Länder der Freihandelszone die Vereinbarung ratifiziert. Indonesien, Südostasiens größte Volkswirtschaft, zog zum Beispiel erst im August 2022 nach. Das RCEP trat dort nun Anfang Januar 2023 in Kraft.

Auf den Philippinen steht die Ratifizierung des Abkommens noch aus. Widerstand kommt dort unter anderem von Landwirten, die Nachteile im Wettbewerb fürchten. Eine Ratifizierung durch Myanmar wird aufgrund der dort herrschenden Militärjunta von anderen Mitgliedern derzeit nicht anerkannt.

Und manche Länder sind in mehreren Freihandelszonen wie der CPTPP aktiv. Auch Kritik an den protektionistischen Tendenzen wurde in einigen ASEAN-Ländern bei E-Commerce, grenzüberschreitendem Datentransfer oder Datenzentren geäußert. Zwar regelt das RCEP auch Teile dieser Themen, doch es gibt keinen Mechanismus, um Streitfragen zu regeln. 

Japan als Profiteur

Einer der Hauptgewinner des Abkommens ist wie erwartet Japan. Allein in den ersten neun Monaten des Jahres importierte Japan Waren im Wert von 66 Milliarden Euro unter den Regeln von Freihandelszonen. 30 Prozent entfielen laut der Außenhandels Organisation Jetro bereits auf das RCEP. Davon machten Importe aus China 88 Prozent der Importe unter RCEP-Regeln aus. Interessanterweise kam die Wirtschaftspartnerschaft mit der EU nur auf 20 Prozent.

Bei den Exporten scheint das Abkommen also schon eine wichtige Rolle spielen. Japanische Unternehmen haben bereits 81.000 RCEP-Ursprungszeugnisse bei der japanischen Handelskammer, wohl in der Mehrheit für das Chinageschäft, beantragt. Ohne ein gültiges Ursprungszeugnis können Waren in keinem Freihandelsabkommen zollfrei gehandelt werden. Nur das bilaterale Freihandelsabkommen mit Thailand, einem wichtigen Produktionsstandort japanischer Unternehmen, verzeichnete mit 86.000 Anträgen eine noch höhere Nachfrage. 

Die Ursprungsregeln sind strategisch wichtig und im RCEP oft viel flexibler als bei anderen Abkommen der Region. Dies hilft Unternehmen, grenzüberschreitende Lieferketten in der Region zu entwickeln. Ansässige, aber auch deutsche Unternehmen können Rohstoffe aus einem RCEP-Teilnehmerland und Teile aus einem anderen Land verwenden, sie in einem anderen Land zusammenbauen und dann nach China oder in andere RCEP-Länder exportieren.

Gerade China ist daran interessiert, das Abkommen schnell umzusetzen. Der sich zuspitzende Konflikt mit den USA zwingt das Land, sich nach anderen Exportmärkten umzusehen und die umliegenden Staaten wirtschaftlich an sich zu binden.

Eine der dynamischsten Wachstumsregionen der Welt

Infolgedessen versicherte Xi Jinping beim Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft APEC in Bangkok, zusammen mit den anderen Unterzeichnern an der vollständigen und qualitativ hochwertigen Umsetzung des Abkommens zu arbeiten. So bereitet sich nun auch die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong auf einen möglichen RCEP-Beitritt vor. Die Aufnahme zusätzlicher Mitglieder ist aber frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2023 möglich. Dagegen verfolgen Europa und die USA die Entwicklungen um die Freihandelszone bisher nur als Zuschauer.

Meines Erachtens sollte jedoch die EU sobald wie möglich mit RCEP Verhandlungen über eine Zusammenarbeit beginnen, die vom Beobachterstatus bis zur assoziierten oder vollen Mitgliedschaft reichen könnte. Der Asien-Pazifik-Raum ist global eine der dynamischsten Wachstumsregionen und spielt für Weltwirtschaft und Welthandel eine zentrale Rolle. Die RCEP-Mitglieder sind im Grunde der Kern dieser Region, auch wenn Indien aus Autarkie-Erwägungen fehlt. Noch.

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EU benötigt stärkere Anbindung an RCEP

Eine stärkere Anbindung an RCEP ist für die EU von großer Bedeutung, um ihre Präsenz in der Region zu stärken, zumal Europa auch mit den USA über den Freihandel diskutieren muss. Auch über den Subventionswettlauf im Zuge des amerikanischen Inflation Reduction Acts (IRA) gibt es immer mehr Spannungen. Insofern ist es erfreulich, dass ausgerechnet die deutsche Ampel-Regierung nach jahrelangem Stillstand das CETA-Abkommen abschließen konnte.

Kritiker behaupten, RCEP sei mit der EU-Handelspolitik, die auf höhere Menschenrechts- und Klimastandards abzielt, nicht oder nur schwer zu vereinbaren. Dadurch wird eine engere Anbindung zwischen EU und den RCEP-Ländern zwar nicht unmöglich, bleibt aber schwierig.

Europäische Unternehmen, die in Asien tätig sind und ihre Lieferketten diversifizieren wollen, würden aber trotzdem von RCEP profitieren – vor allem, wenn sie in mehreren Märkten gleichzeitig tätig sind. Sie könnten mit RCEP überall die gleichen Dokumente und Formulare nutzen und müssten sich nicht mehr auf unterschiedliche Handelsabkommen berufen, was den Handel erleichtert und Kosten senkt. Wie so oft geht es um eine Abwägung wirtschaftlicher und politischer Interessen.

Ein enormes Potenzial

Beim Versuch, sich von China zu entkoppeln, sucht die EU betont die Nähe zu dessen Nachbarn. Im Dezember 2022 hatten die Staats- und Regierungschefs der EU ihre Amtskollegen der südostasiatischen ASEAN-Staaten zu einem gemeinsamen Gipfel nach Brüssel eingeladen. Es war das erste Treffen dieser Art in den seit 45 Jahren bestehenden Beziehungen zwischen den beiden Staatengruppen.

Das Potenzial einer engeren Zusammenarbeit ist enorm: Den ASEAN-Ländern, zu denen wichtige Schwellenländer wie Indonesien, Thailand und Vietnam gehören, gelingt es zunehmend, ihre Industrieparks in den globalen Lieferketten als Alternative zu den Fabriken in China zu etablieren. Gleichzeitig lockt in der Region ein Wachstumsmarkt mit fast 700 Millionen zahlungskräftigen und qualitätsbewussten Verbrauchern.

EU auf ASEAN angewiesen?

Mit 5 Prozent Wachstum in diesem Jahr gehört Südostasien zu den derzeit wachstumsstärksten Regionen der Welt. Es ist klar, dass eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen in beiderseitigem Interesse ist. Auch in Südostasien fürchtet man eine zu große Abhängigkeit von China und möchte sich breiter aufstellen.

Dennoch haken die Versuche der beiden Wirtschaftsblöcke, enger aneinanderzurücken. So ist es der EU bisher nur gelungen, mit zwei der insgesamt zehn ASEAN-Staaten ein Freihandelsabkommen abzuschließen – namentlich Singapur und Vietnam. Immerhin scheint ein Abkommen mit Indonesien in diesem Jahr möglich.

Europa hat großen Nachholbedarf, denn der EU-27-Warenhandel mit den ASEAN-Staaten ist noch stark ausbaufähig. 2021 standen Importen von dort in Höhe von 136,4 Milliarden Euro gerade einmal Exporte in die Region in Höhe von 79,8 Milliarden Euro gegenüber. Eine zügige Wiederaufnahme der auf Eis gelegten Handelsgespräche mit Thailand, Malaysia und den Philippinen sowie ein rascher Abschluss der laufenden Verhandlungen mit Indonesien wären deshalb sehr wichtig. 

Diskussionen um Indonesisches Palmöl

Seitens der EU heißt es dazu bisher, dass die Verhandlungen mit Thailand, Malaysia und den Philippinen gestartet werden, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Man wünscht sich Zusicherungen, dass diese wie die EU an einem umfassenden Handelsabkommen interessiert sind. Mit Blick auf die bereits mehr als sechs Jahre andauernden Verhandlungen mit Indonesien hoffen EU-Vertreter auf einen möglichen Abschluss im Jahr 2023.

Das mit 275 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Land in Südostasien ist bei den größten Volkswirtschaften der Welt auf Rang 17, auf der Liste der wichtigsten Handelspartner der EU aber nur auf Platz 31. Vietnam hingegen, dessen Wirtschaftsleistung deutlich kleiner ist, tauscht ein doppelt so großes Warenvolumen mit der EU aus.

Umstritten sind zwischen der EU und der Regierung in Jakarta unter anderem der Marktzugang für indonesisches Palmöl in Europa, das mit der Abholzung von Regenwäldern in Verbindung gebracht wird, und indonesische Exportbeschränkungen für Rohstoffe. Belastet werden die Gespräche mit Indonesien, dass nun der ASEAN-Gruppe vorsitzt, auch durch ein umstrittenes neues Strafrecht, das eine Wertepartnerschaft mit dem mehrheitlich muslimischen Land in Zweifel zieht. So werden Blasphemie-Verbote ausgeweitet, was Islamkritik erschweren wird.

Indonesien zeigt das Dilemma der EU

Die Entwicklungen in Indonesien illustrieren das Dilemma der EU in der Region. Einerseits schätzt Europa Südostasien als strategischen Partner, andererseits steht die Politik der dortigen Länder oftmals in deutlichem Widerspruch zu den Wertvorstellungen der EU. So etwa die autoritären Regierungen in Kambodscha und Vietnam, den Philippinen und einer Militärjunta in Myanmar.

Dennoch ist Eile geboten, denn die Welt wartet nicht darauf, dass Deutschland und Europa in die Pötte kommen. Wieder einmal ginge es darum das eine zu tun, ohne das andere zu unterlassen und eine pragmatische Politik zu machen, um Sicherheit und Wohlstand zu gewährleisten. Herausforderungen dieser Art wird es im neuen Jahr viele geben. 

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