Value for Money Assekurata kritisiert Bafin-Ansatz zum Kundennutzen von Leben-Produkten
Die Bewertung von Altersvorsorgeprodukten steht vor einem Paradigmenwechsel. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Kölner Ratingagentur Assekurata, die die sogenannten „Value-for-Money“-Ansätze (VfM) in der europäischen und deutschen Finanzmarktregulierung, die durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) vertreten wird, kritisch unter die Lupe genommen hat.
Der Begriff „Value for Money“ beschreibt dabei das ausgewogene Verhältnis zwischen einem ganzheitlich betrachteten Kundennutzen und dem dafür eingesetzten Kapital. Doch genau hier liegt das Problem: Der aktuelle regulatorische Ansatz wird der Komplexität moderner Vorsorgeprodukte nicht gerecht, meinen zumindest die Analysten von Assekurata. Kritik kam zu Jahresbeginn auch von der Deutschen Aktuarvereinigung.
Schwachstellen des aktuellen VfM-Ansatzes
Die Vielfalt moderner Produkte in der Altersvorsorge, die laut der Autoren Themen wie Kapitalbildung, biometrische Absicherung, flexible Gestaltungsoptionen und Nachhaltigkeitsaspekte vereinen, stelle sowohl Verbraucher als auch Regulierer vor neue Herausforderungen. Dabei lege der aktuelle VfM-Ansatz den Schwerpunkt auf quantitative Kennzahlen und Benchmarks, vernachlässige jedoch einige wesentliche Produktmerkmale. Wichtige Aspekte der Bewertungen des Kundennutzens sind für die Bafin neben der Renditeerwartung die Effektivkosten, die alle Ausgaben der Gesellschaft einschließen und die Vertriebsaufwendungen, die einen Großteil der Kosten ausmachen.
„Ein verbraucherfreundlicher VfM-Ansatz sollte nicht nur ein ausgewogenes, langfristiges Rendite-Kosten-Verhältnis, sondern auch das individuelle Sicherheitsbedürfnis der Verbraucher, Flexibilität und Servicequalität berücksichtigen“, sagt Studienautorin Tatiana Wandraj. Diese ganzheitliche Betrachtung fehle bislang weitgehend in der regulatorischen Praxis.
Bafin-Renditeerwartungen auf dem Prüfstand
Besonders aufschlussreich sind die Erkenntnisse der Studie zur Renditethematik. Assekurata nennt in diesem Zusammenhang die Mindestrenditeerwartungen der Bafin, die sich nach Kostenabzug an einer langfristigen Inflationsrate von zwei Prozent orientieren, bei durchschnittlichen Kosten fondsgebundener Lebensversicherungen zwischen 1,75 und 2,66 Prozent und daraus resultieren Renditeerwartungen vor Kosten von 3,75 bis 4,66 Prozent.
Mehr Risikobereitschaft nötig
Assekurata hat diese Vorgaben einem Praxistest unterzogen und dafür nach eigener Aussage die historische Entwicklung von Investmentfonds fondsgebundener Lebensversicherungen analysiert. Berücksichtigt wurden 34 Versicherungsunternehmen, die zusammen fast 60 Prozent des Marktes repräsentieren. Das Ergebnis: Die regulatorischen Renditevorgaben seien hauptsächlich durch Investments in Aktienfonds erreichbar – mit entsprechenden Risiken für die Anleger.
Doch hier komme ein spezifisch deutsches Dilemma ins Spiel: Die Anleger hierzulande empfinden Produkte mit geringen oder keinen Garantien oft als unattraktiv, so die Analysten, selbst wenn diese höhere Renditen und langfristige Anlageerfolge ermöglichen könnten. Zwar böten Risikominderungstechniken sicherheitsorientierten Kunden einen wesentlichen Mehrwert, schmälerten jedoch gleichzeitig die Renditechancen.
Hallo, Herr Kaiser!
Folgen der derzeitigen Aufsichtspolitik
Die starke Fokussierung der Aufsichtsbehörden auf Renditekennzahlen kann laut Assekurata dazu führen, dass Anleger verstärkt in ertragsstärkere Märkte außerhalb Europas drängen, was dem Ziel der Kleinanlegerstrategie, Kapital im europäischen Raum zu binden, zuwiderläuft. Zudem würden unsichere Inflations- und Renditeprognosen Risiken für die Produktauswahl bergen. Volatile Märkte und ungünstige Timing-Effekte könnten Renditeerwartungen enttäuschen und das Vertrauen in Altersvorsorgeprodukte gefährden. Mindestrenditen stünden daher teils im Widerspruch zum Ziel, Vorsorge zu fördern und das Vertrauen der Versicherungsnehmer zu stärken.
„Die Identifikation und Regulierung von kundenbenachteiligenden Ausreißern bei Altersvorsorgeprodukten beim VfM-Ansatz ist vertrauensfördernd“, sagt Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will. „Gleichwohl sollten Rendite und Kosten nicht den alleinigen Fokus bei der Bewertung des Values bilden.“ Die Autoren sprechen sich für einen bedarfsgerechten VfM-Ansatz aus, der die Bedürfnisse der Verbraucher umfassender in den Mittelpunkt stellt und diese ins Verhältnis zu Faktoren wie Rentabilität, Risiko und Flexibilität setzt.
Handlungsempfehlungen zur Modell-Erweiterung
Für die Weiterentwicklung des VfM-Modells hat Assekurata konkrete Handlungsempfehlungen entwickelt. Eine praxisorientierte und bedarfsgerechte Betrachtung müsse demnach sowohl die Perspektive der Kunden als auch die Interessen der Anbieter und Berater berücksichtigen. Konkrete Empfehlungen sind:
• Ein erweitertes Bewertungsmodell: Das VfM-Modell sollte qualitative Faktoren wie Beratung und Produktflexibilität stärker berücksichtigen.
• Kontinuierliche Anpassung der Vorgaben: Um den dynamischen Marktbedingungen gerecht zu werden, sollen Benchmarks und quantitative Kennzahlen regelmäßig auf ihre Aussagekraft und Verhältnismäßigkeit geprüft werden.
• Ausgewogene Regulierung des Kundennutzens: Die Regulatorik sollte so gestaltet sein, dass sie die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht marktwirtschaftlicher Systeme wahrt und weder Innovationen noch den Wettbewerb beeinträchtigt.
Beratung als unterschätzter Erfolgsfaktor
Die Studie zeigt laut Assekurata außerdem, dass eine effiziente Altersvorsorgeberatung die Entscheidungsgrundlagen der Verbraucher verbessert und damit die Bereitschaft zur Altersvorsorge signifikant erhöht. „Personen, die im Vorfeld eine Beratung in Anspruch genommen haben, fühlen sich nicht nur besser informiert, sondern haben im Schnitt deutlich höhere Beiträge zur Altersvorsorge und sind sogar zufriedener mit ihrer Entwicklung“, sagt Studienautor Lars Heermann.