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Steigender Höchstrechnungszins wirft seine Schatten voraus

Wie ist der Statuo Quo im deutschen Lebensversicherungsmarkt und wie steht es um die kurzfristigen Perspektiven? Damit hat sich das Analysehaus Assekurata in seinem „Marktausblick zur Lebensversicherung“ befasst.
Zusammengefasstes Ergebnis aus Sicht der Analysten: Die Unternehmen können von höheren Zinsen und der Auflösung der Zinszusatzreserve (ZZR) profitieren. Allerdings schmälern stille Lasten und abfließende Einmalbeiträge die finanzielle Position der Branche. Auch deshalb wirkt sich der Zinsaufschwung erst langsam in der Nettoverzinsung der Kapitalanlagen aus, die derzeit unter dem Marktzins liegt. Dennoch gibt es bereits erste Anstiege bei der Überschussbeteiligungen. Bewegung in die Produktlandschaft wird die Anhebung des gesetzlichen Höchstrechnungszinses Anfang 2025 bringen.
Lebensversicherer setzen auf festverzinsliche Anlagen
Aktuell liegt der Leitzins im Euroraum mit 4,25 Prozent noch immer auf einem vergleichsweise hohen Niveau, so Assekurata. Laut einer eigenen Befragung unter Asset Managern plant ein Großteil der Unternehmen, seine Investitionsquote im Bereich der festverzinslichen Anlagen im Jahr 2024 auszuweiten. „Hierdurch versuchen die Gesellschaften, ihre Bilanz zu stärken und den Zinsertrag in ihren Anlageportfolios zu erhöhen, nachdem dieser über viele Jahre Niedrigzins deutlich nach unten gegangen ist“, sagt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata. Daneben favorisierten einige Manager auch alternative Anlagen im Bereich Private Equity und Infrastruktur. Aktien- und Immobilieninvestments hingegen würden insgesamt verhaltener eingeschätzt.

Ertragsperspektive hat sich verbessert
Beim aktuellen Zinsniveau könnten die Anbieter in der Neuanlage wieder höhere Zinsen erzielen als für die Bestandsgarantien der Versicherten notwendig ist. „Hierdurch hat sich die Ertragssituation deutlich
entspannt“, so Heermann. Zugleich hätten die Lebensversicherer seit 2022 mit der Auflösung der Zinszusatzreserve begonnen, die in Niedrigzinszeiten zur Finanzierung der Altgarantien aufgebaut wurde. Laut Assekurata-Berechnungen hat sich die ZZR von einem Spitzenwert von 96 Milliarden Euro Ende 2021 um Bilanzstichtag 2023 branchenweit auf noch auf 88 Milliarden Euro reduziert. Für die kommenden Jahre rechnet man nach eigenen Angaben mit weiteren Auflösungen im mittleren einstelligen Milliardenbereich.
Da die Rückflüsse aus der ZZR grundsätzlich den Kunden zustehen, zeigten sich hier schon erste Effekte in Form von höheren Überschussbeteiligungen, sodass die laufende Verzinsung für 2024 zumindest leicht gestiegen ist. Im Neugeschäft gewähren die Lebensversicherer dieses Jahr für klassische private Rentenversicherungen eine laufende Verzinsung von durchschnittlich 2,46 Prozent (Vorjahr: 2,26 Prozent).
Stille Lasten schränken Flexibilität ein
Dass die Überschussbeteiligungen nicht unmittelbarer auf den gestiegenen Marktzins und die rückfließenden ZZR-Mittel reagieren, liegt laut dem Analysehaus zum einen an dem langfristigen Geschäfts- und Anlagemodell der Lebensversicherer. Zum anderen habe der rapide Zinsanstieg zu umfangreichen stillen Lasten in den Kapitalanlagebüchern geführt. Nach Auswertungen der Analysten lagen sie Ende 2023 branchenweit bei rund 75 Milliarden Euro nach 105 Milliarden Euro im Vorjahr.
„Zwar müssen die Versicherer diese nach den handelsbilanziellen Regeln nicht realisieren oder abschreiben, dennoch stellen sie eine Bürde für die Bemühungen dar, den höheren Marktzins am Kapitalmarkt zu vereinnahmen.“ Die Anbieter bemühten sich daher durch den teilweisen
Verkauf von Anleihen, die stillen Lasten in ihren Büchern zu reduzieren. Dies führe zu entsprechenden Verlusten, die wiederum die Nettoverzinsung schmälern, welche im Bilanzjahr 2023 mit 2,30 Prozent weiterhin unterhalb der Umlaufrenditen am Kapitalmarkt lag, so der Bericht.

Einmalbeiträge führen zu geringerem Bestandswachstum
Laut Assekurata wird die Umschichtungsdynamik in der Kapitalanlage auch durch das geringe Neugeschäft gebremst. So gab es im Geschäftsjahr 2023 einen Abrieb beim Prämienbestand von 4 Prozent auf 89 Milliarden Euro. Maßgeblich seien dafür die weiter rückläufigen Einmalbeiträge gewesen, die unter erschwerten Wettbewerbsbedingungen gegenüber den Konditionen von Banken leiden würden. Für 2024 rechnet Assekurata mit einem weiteren Bestandsrückgang auf 87,5 Milliarden Euro. „Langfristig dürfte das Branchenwachstum aber von der verbesserten Ertragslage, höheren Überschussbeteiligungen sowie steigenden Realeinkommen und einem zunehmendem Vorsorgebedarf in der Bevölkerung profitieren“, prognostiziert Heermann.
Neuer Höchstrechnungszins ab 2025
Neue Argumente für den Abschluss einer Lebensversicherung liefert nach Ansicht der Kölner Analysten auch der gesetzliche Höchstrechnungszins, der ab Januar 2025 von 0,25 auf 1,00 Prozent ansteigt. Für die Lebensversicherer sei diese erste Erhöhung seit 30 Jahren eine völlig ungewohnte Situation für die Lebensversicherer, die zwischenzeitlich immer nur auf Absenkungen reagieren mussten. Heermann:„Dadurch gewinnen Lebensversicherer mehr Spielraum bei der Kalkulation, da sich durch den erhöhten
Rechnungszins die erforderliche Deckungsrückstellung für garantierte Leistungen verringert.“

Selbst Riester dürfte wieder attraktiv werden
In der Konsequenz führe dies dazu, dass die Anbieter in der Sparte bei gegebener Garantie die chancenreiche Allokation in den Produkten steigern oder höhere garantierte Leistungen in der Anspar- und Rentenphase einkalkulieren können. Dadurch steige die Attraktivität und die Wahlmöglichkeit für die Kunden.
Zudem dürften einige Anbieter auch Riester-Verträge wieder anbieten, die zum aktuellen Höchstrechnungszins kaum eine Rolle mehr spielen. Wie stark das Comeback des staatlich geförderten Altersvorsorgeprodukts letztlich sein wird, hängt laut dem Experten auch davon ab, inwieweit die Ergebnisse der von der Bundesregierung eingesetzten „Fokusgruppe Altersvorsorge“ letztlich umgesetzt werden. „Passiert dort nichts, werden die Anbieter definitiv neue Riester-Angebote auf den Markt bringen“, so Heermann.
Übergang ins bessere Vertragsjahr 2025 muss gestaltet werden
Daneben vermindere der höhere Rechnungszins die Bruttoprämien für Berufsunfähigkeits- oder Risikolebensversicherungen, wobei der tatsächliche Netto- beziehungsweise Zahlbeitrag für Kunden von der individuellen Überschussbeteiligung des Anbieters abhängt. Auch hier erwartet Assekurata demnach Bewegung in der Tarif- und Preispolitik der Lebensversicherer.
„Tendenziell werden sich die Vertragskonditionen für die Kunden ab nächstem Jahr also verbessern“, sagt Heermann. „Dies stellt die Anbieter im laufenden Jahr vor die Herausforderung, den Übergang zu gestalten und überzeugende Argumente für den Vertragsabschluss 2024 zu finden, ohne dass sich Kunden gegenüber einem Abschluss 2025 benachteiligt fühlen.“ Ein Optionsrecht auf automatische Umstellung zu den verbesserten Konditionen könnte hier ein Weg sein.