Assenagon-Chefökonom Martin Hüfner „Deutschland soll sein Wachstum auf die Binnenwirtschaft verlagern“
Über 70 Jahre haben wir alles richtig gemacht. Der Welthandel ist überdurchschnittlich gewachsen. Deutschland hat sich vor allem auf den Export fokussiert. Es war also genau da, wo die Musik spielte. So kam es zuerst zu dem legendären Wirtschaftswunder. Später konnten wir uns immer auf den Export verlassen, wenn es irgendwo Probleme gab. Er schuf Einkommen und Beschäftigung, die dann Konsum und Investitionen anschoben.
Mit einem Mal ist diese Bonanza vorbei. Der Welthandel wächst nicht mehr überdurchschnittlich. Er expandiert bestenfalls so schnell wie die Weltproduktion. Viele führen das auf die protektionistische Politik des amerikanischen Präsidenten zurück, die vielleicht einmal wieder vorbeigeht. Das ist aber nicht richtig. Die Zunahme des Welthandels hat sich schon zu Beginn dieses Jahrzehnts nach der großen Finanzkrise verlangsamt. Die Trump'schen Zölle haben diese Tendenzen nur verstärkt.
Das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Wenn der Welthandel stockt, befindet sich Deutschland auf der falschen Seite der Straße. Es ist wie ein Unternehmen, dem der Markt wegbricht. Es muss sich eine neue Fokussierung suchen.
Symptomatisch ist die Entwicklung der Leistungsbilanz. Ihr Überschuss ist plötzlich nicht mehr Ausweis wirtschaftlichen Erfolges. Er zeigt im Gegenteil, dass Deutschland nicht mehr die richtige Wachstumsstrategie hat. Es steht damit nicht allein. Auch andere Länder wurden auf dem falschen Fuß erwischt, nicht zuletzt China. Einige Länder reagierten relativ schnell auf die veränderte Situation. China beispielsweise begann schon in der großen Finanzkrise 2008, seinen Überschuss zu verringern. In der Spitze hatte dieser fast 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen (2007). Heute liegt er kaum über null (siehe Grafik). Das Wirtschaftswachstum wird dort jetzt zu großen Teilen vom Konsum und von den Investitionen getragen.
Deutschland tut sich mit der Anpassung an die neuen Realitäten immer noch schwer. Der Leistungsbilanzüberschuss steigt zwar nicht mehr an. Er bleibt aber hoch. Im vergangenen Jahr betrug er noch 245 Milliarden Euro. In diesem Umfang lieferte die Bundesrepublik mehr Waren und Dienste ins Ausland, als es von diesem erhielt. Das sind 7,5 Prozent des BIPs. In diesem Umfang hätten die Deutschen im Inland mehr investieren und konsumieren können.