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Assenagon-Chefökonom Martin Hüfner Was wäre, wenn Italien den Euro aufgeben würde

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Das wirtschaftliche Gewicht des Euros wäre geringer. Italien ist nach Deutschland und Frankreich die drittwichtigste Volkswirtschaft der Gemeinschaft. Das Bruttoinlandsprodukt des Euroraums würde um rund 15 % sinken. Das ist freilich nicht so viel, dass es die Gesamtkonstellation ändert.

Es ist auch denkbar, dass das Ausscheiden Italiens weitere Trennungen nach sich zieht. Es dürfte sich dabei aber vor allem um kleinere Länder handeln (zum Beispiel Griechenland oder Zypern). Das würde die Existenz des Euros nicht gefährden. Nur wenn sich Frankreich oder Spanien dem Beispiel Italiens anschließen würden, wäre das anders. Ich halte das aber in jedem Fall bei Frankreich für unwahrscheinlich.

International ginge die Attraktivität des Euros zurück. Nicht nur würden sich die Staaten zurückziehen, die eine enge Verbindung zu Italien haben. Es zeigte sich auch, dass der Euro eben doch etwas anderes ist als die lange gewachsenen, unzerbrechlichen nationalen Währungen. Manch eine Ländergruppe in Asien, Südamerika oder Afrika, die damit geliebäugelt hatte, auch eine Gemeinschaftswährung zu etablieren, würde noch einmal nachdenken.

"Das würde massive Kapitalbewegungen auslösen"

Das größte Problem wäre, dass es zu einer Periode schwieriger Verhandlungen käme. Sie würden die Märkte verunsichern und die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft beeinträchtigen. Manch einer könnte sagen: Ein Austritt aus dem Euro kann doch gar nicht so schwierig sein. Man muss in Italien nur den Euro durch eine neue Währung ersetzen. Wer so denkt, soll sich aber dran erinnern, was für ein Kraftakt es in den 90er Jahren war, den Euro in den Zahlungssystemen der Unternehmen und Banken des Euroraums einzuführen. Ein Ausstieg wäre kaum einfacher.

Die Verhandlungen mit Großbritannien über den Brexit sind schon schwierig. Mit Italien wären sie noch ein Vielfaches komplizierter, weil dann auch die ganzen monetären Bedingungen neu geregelt werden müssen. Das würde massive Kapitalbewegungen auslösen. Davon wären auch andere Länder, nicht zuletzt natürlich die Schweiz, betroffen. So etwas ließe sich durch den ESM nicht mehr stabilisieren. Vermutlich käme man nicht darum herum, vorübergehend Kapitalverkehrskontrollen einführen.

Dann kommt das ganze Problem der Target-Salden. Beim Brexit muss Großbritannien eine Summe von vielleicht EUR 40 Mrd. für den Austritt zahlen. Bei Italien wäre der Betrag mehr als zehn Mal so groß. Allein die laufenden Verpflichtungen aus dem Zahlungsverkehr Italiens mit seinen Partnern belaufen sich auf EUR 450 Mrd. Das ist mehr als ein Sechstel der gesamten italienischen Staatsschulden. Wer soll das bezahlen? Rom müsste also Insolvenz anmelden. Das ist es, wovor die Märkte Angst haben. Bis dahin fließt aber noch viel Wasser den Tiber herunter.

Für den Anleger

Bei nüchterner Überlegung ist ein Ausscheiden Italiens aus dem Euro politisch nicht schön, ökonomisch aber keine Katastrophe. Es gäbe allerdings nicht nur kurzfristig, sondern in einer langen Übergangsperiode erhebliche Kapitalbewegungen. Die damit verbundene Unsicherheit schadet allen. Leidtragender ist aber vor allem Italien selbst, weil Kapital das Land verlässt. Die Märkte der Nachbarländer dürften auf Dauer profitieren. Auf den Devisenmärkten wäre der Euro zunächst schwächer, langfristig jedoch stärker.

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