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Assenagon-Chefökonom Martin Hüfner „Wider den Pessimismus am Aktienmarkt“

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Im konjunkturellen Tiefpunkt wird das aber ganz anders. Das ist nach der Konjunkturtheorie nämlich die beste Zeit für die Aktien. Dann gehen die Gewinne nicht mehr zurück. Es besteht die Hoffnung, dass die Unternehmen wieder mehr verdienen. Gleichzeitig sind die Zinsen niedrig und entlasten die Kostenrechnung. Das wird auch jetzt wieder so sein. Insofern stehen uns gute Zeiten bevor.

Das zweite, was übersehen wird, ist, dass der Aktienmarkt der tatsächlichen Entwicklung im Zyklus in der Regel vo­rausläuft. Das ist auch ganz plausibel. Wenn sich die Nach­frage an den Märkten dreht, dann zeigt sich das zuerst in den Geschäften der Unternehmen. Das spürt der Markt bereits. Bis es in den Zahlen der Firmen konsolidiert wird, dauert es. Bis die entsprechenden Konjunkturdaten das erkennen lassen, vergeht wieder Zeit. Und dann sind die Volkswirte auch nicht so schnell, den Umschwung als dau­erhaft zu diagnostizieren.

Viele setzen die Verzögerung zwischen der Reaktion des Kapitalmarkts und der tatsächlichen Konjunktur mit sechs Monaten an. Das scheint mir, wenn ich mir die Zahlen etwa des ifo Instituts anschaue, eher zu lang. Zwei bis drei Monate kommen mir plausibler vor. Im Übrigen kann es auch mal kürzer oder mal länger sein. Es gibt hier kein feststehendes Gesetz.

Kurse zu Jahresende 2019 höher als heute

Wenn das richtig ist, dann bedeutet es, dass die Erholung der Aktienmärkte seit Jahresanfang nicht nur eine vorüber­gehende Laune des Marktes war. Sie hatte auch nicht nur mit geopolitischen Entwicklungen wie der Entspannung bei den amerikanisch-chinesischen Handelsgesprächen zu tun. Dahinter könnten vielmehr schon die ersten Signale am Markt gestanden haben, dass der Abwärtsdruck der Kon­junktur im Laufe des Jahres zu Ende geht.

Noch wichtiger ist aber: Es gibt begründete Hoffnung, dass sich die positive Entwicklung der Aktien im weiteren Verlauf des Jahres fortsetzt. Vielleicht beschleunigt sie sich sogar.

Denn dann folgen im Zyklus der Tiefpunkt der Konjunktur und dann der Aufschwung. Wenn wir Glück haben, könnte das zweite Halbjahr für die Märkte sogar noch besser werden. In jedem Fall müssten die Kurse am Jahresende höher sein als heute. Ob der bisherige Höchststand vom Januar 2018 erreicht wird, weiß natürlich niemand.

Denn die geopolitischen Risiken bleiben selbstverständlich bestehen. Wer kann heute schon sagen, ob US-Präsident Trump sich wirklich auf einen Frieden im Handelsstreit ei­nigt? Was bleibt mit der Drohung von Zöllen auf europäi­sche Autoexporte? Wenn es jetzt gelingt, einen "dirty" Brexit zu vermeiden, heißt das noch nicht, dass das Thema end­gültig vom Tisch ist. Hinzu kommen im Mai die Wahlen zum Europäischen Parlament mit vermutlich einem Aufschwung der populistischen Parteien. All das könnte den fundamen­talen Schwung an den Aktienmärkten bremsen. In jedem Fall wird die Schwankungsanfälligkeit groß bleiben.

Für den Anleger

Es gibt die allgemeine Regel, dass die erste Jahreshälfte am Aktienmarkt besser ist als die zweite. Also "Sell in May and go away". In diesem Jahr könnte es anders kommen. Wenn die Konjunktur im zweiten Halbjahr den Tiefpunkt erreicht, dann könnte es am Aktienmarkt richtig gut werden.

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