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Assenagon-Chefvolkswirt Martin Hüfner Keine Angst vor der niedrigen Inflation

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Das entspricht auch der Erfahrung im täglichen Leben. Hier sieht man keinen Trend zu niedrigeren Preisen. Preise für Dienstleistungen beispielsweise steigen um 1,6 Prozent im Jahresvergleich. Für Friseure und Körperpflege muss man 3,2 Prozent mehr als vor einem Jahr ausgeben. Die Wartung und Pflege von Autos kostet 5 Prozent mehr. Verarbeitete Lebensmittel einschließlich Alkohol und Tabak verteuern sich um 1,6 Prozent. Selbst in der Industrie, die derzeit konjunkturell so arg gebeutelt wird, gehen die Preise nicht zurück, sondern erhöhen sich weiter.

Das wichtigste Argument gegen eine zu niedrige Preissteigerung ist die Angst vor einer Deflation. Es könnte passieren, so wird befürchtet, dass Verbraucher und Unternehmer bei Preissenkungen nicht mehr kaufen (weil sie mehr Geld in der Tasche haben), sondern weniger. Das wäre dann der Fall, wenn Sie erwarten, dass die Preise noch weiter zurückgehen und sie die benötigten Güter und Dienste am Ende noch billiger bekommen.

Von einer solchen deflatorischen Selbstbeschleunigung sind wir aber meilenweit entfernt. Erstens sinken die Preise nicht absolut, sie steigen nur nicht mehr so stark an. Es macht also keinen Sinn, Nachfrage zurückzuhalten. Zweitens braucht es für eine Deflation auch entsprechende gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen, konkret einen Rückgang der realen Wirtschaftsleistung. Drittens braucht es auch ein dazu passendes internationales Umfeld. Wenn überall in der Welt die Preise steigen, ist es kaum denkbar, dass sie ausgerechnet im Euroraum sinken. In Deutschland hat es in der Nachkriegszeit noch nie eine Deflation gegeben. Die letzte Deflation war vor 90 Jahren in der Weltwirtschaftskrise.

Deflationsängste sind übertrieben

Ich halte alle Deflationsängste daher für gänzlich übertrieben. Aus diesem Grund würde es mich auch nicht stören, wenn die Inflationsrate noch weiter zurückgeht. Erst wenn wir bei null sind, würde ich genauer hinschauen, ob es Anzeichen einer Selbstbeschleunigung gibt.

Muss die Politik handeln? Formaljuristisch kommt die Geldpolitik in eine schwierige Position, da sie sich immer weiter von ihrem Ziel entfernt. Andererseits hat sie durch ihre Maßnahmen im September schon so viele Register gezogen, dass sie exkulpiert ist. Für die Gesellschaft insgesamt sind die Auswirkungen der niedrigeren Preissteigerung positiv. Da gibt es keinen Handlungsbedarf.

Die Inflationsrate ist in den letzten Monaten etwas aus dem Fokus der Kapitalmärkte gerückt. Sie ist weder zu hoch noch zu niedrig, als dass man sich im Euroraum Sorgen machen müsste. Das ist kein schlechtes Zeichen. Verlassen Sie sich aber nicht darauf, dass das so bleibt. Gerade die Ölpreise können sich schnell drehen.

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