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Assenagon-Chefvolkswirt zur Geldpolitik „Anleger sollten nicht zu sehr auf Notenbanken vertrauen“

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Es gab aber auch andere Gründe für die Zinserhöhung. Sie lagen in der Geldpolitik selbst. Die Maßnahmen wurden von vielen als außerordentlich weitgehend empfunden. Das ließ den Verdacht aufkommen, dass die EZB über zusätzliche Informationen verfügte, dass die konjunkturelle Lage vielleicht doch noch schlechter war als dies aus den Zahlen er­kennbar war.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Märkte durch die Minuszinsen generell verunsichert sind. Sie stellen das mo­ne­täre Weltbild auf den Kopf. Sie haben vielerlei negative Wir­kungen. Sie sind vor allem für die Finanzwirtschaft eine starke Belastung. Wenn diese Zinsen noch weiter in den negativen Bereich verschoben werden sollten, wie das die EZB mit ihrem Maßnahmenpaket tat, dann ist das für die Märkte keine Ermutigung Bonds zu kaufen, sondern die Botschaft, dass die verqueren Verhältnisse noch länger andauern.

Besonders verunsicherte der Beschluss, die Wertpapier­käufe wieder aufzunehmen, die erst Ende letzten Jahres beendet worden waren. Denn die bisherigen Erfahrungen mit diesem Instrument waren nicht unbedingt ermutigend. Obwohl die EZB in den letzten vier Jahren Wertpapiere im Wert von über zwei Billio­nen Euro gekauft hatte, hat sich die Situation bei der Preissteigerung kaum verändert. Hinzu kam, dass die neu­en Wertpapierkäufe auch in der EZB selbst umstritten wa­ren. Wichtige Ratsmitglieder waren da­gegen. Das interne Monetary Policy Committee hatte sich gegenüber Präsident Draghi ausdrücklich gegen neue Wertpapierkäufe ausge­sprochen.

Niemand soll sich wundern, dass so etwas die Märkte ver­unsichert und zu dem Zinsanstieg beigetragen hat. Draghi ist zwar ein erfahrender Zentralbankpräsident, der selbst auch an den Märkten gearbeitet hat. Aber eine besondere Sensibilität für die Stimmung der dort handelnden Menschen hat ihn bisher nicht ausgezeichnet. Im Augenblick wird viel über die Qualifikationen von Zentralbankpräsidenten gesprochen, nachdem sowohl der Chef der Federal Reserve als auch die neue Chefin der EZB Juristen sind. Das muss kein Nachteil sein. Andererseits sind Juristen zwar bekannt dafür, dass sie Institutionen gut führen kön­nen, aber nicht dafür, dass sie ein besonderes Gespür für die Märkte haben. Es wird die Aufgabe von Frau Lagarde sein, die Märkte vom Gegenteil zu überzeugen.

Man sollte die Zinserhöhung der letzten Wochen nicht über­schätzen. Angesichts der schwachen Konjunktur, der niedri­gen Preissteigerung und der Entschlossenheit der Zentral­banken rund um den Globus zu weiteren geldpolitischen Lockerungen können die Bondzinsen auch wieder zurück­gehen. Andererseits sollten Anleger den Notenbanken in dieser Situation nicht zu viel vertrauen. Sie haben viel von ihrem Charisma verloren. Der US-Ökonom Larry Summers sprach dieser Tage von der „Geldpolitik in einem schwarzen Loch“. 

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