Asset-Allocation-Roundtable Teil 1 7 Experten im Gespräch: Wie lässt sich das Kundenvertrauen wieder aufbauen?
Beim jüngeren Publikum trifft man hier eher auf offenere Ohren, oder?
Martin Lück: Das stimmt. Die Investor-Pulse-Studie von BlackRock weist zwar Jahr für Jahr aus, dass in Deutschland Privatanleger um die 60 Prozent Cash halten. Das ist natürlich sehr hoch, gerade in den gegenwärtigen Zeiten. Aber die aktuelle Studie zeigt auch: Jüngere Leute sind heute eher bereit, ein bisschen mehr Risiko zu akzeptieren, was auch daran liegt, dass sie noch sehr lange Altersvorsorgeaufbau betreiben müssen. Sie merken, dass man im Niedrigzinsumfeld dafür einfach eine höhere Rendite braucht, weil man sonst sehr hohe Beträge zurücklegen muss.
Die Affinität zum Immobilienkauf ist allerdings auch bei jüngeren Menschen groß – trotz aller Argumente, damit Klumpenrisiken zu akzeptieren und keine Risikostreuung zu betreiben.
Nedim Kaplan: Das kann ich bestätigen. Meine Neffen und Nichten sind sozusagen mit der Finanzkrise aufgewachsen. In Erinnerung ist ihnen geblieben, dass Aktien sehr riskant und Banken immer kurz vor dem Zusammenbruch sind. Aktien sind so für sie eine viel riskantere Assetklasse als Immobilien. In der Wahrnehmung der jungen Menschen kann man gerade im Umfeld niedriger Zinsen mit Immobilien eigentlich relativ wenig falsch machen. Und die Folgen der Immobilienkrise in den USA waren hier relativ weit entfernt. Die Prozyklizität auf dem Immobilienmarkt wird dadurch nochmals verstärkt.
Alexander George: Wenn man es hart mathematisch durchrechnet, sieht ein Immobilienkauf oftmals wirtschaftlich nicht besser aus, als Cash liegen zu lassen. Und die Bewirtschaftung einer Immobilie ist mindestens genauso intensiv oder die Risiken in manchen Lagen, Städten und Regionen zumindest genauso hoch wie eine Anlage in ein liquides Portfolio. Bei diesem Thema ist der Blick manchmal auch bei Stiftungen oder Family Offices verklärt.
Walter Liebe: Wir sollten aber eins bei der Debatte auch nicht vergessen. Nach der Internetblase und dem Einsetzen der Finanzkrise 2008 ist die tatsächliche Verlusttoleranz großer Anlegerkreise nicht nennenswert gestiegen. Doch es werden zunehmend in den Portfolios risikolose Assets durch risikoreichere substituiert. So sind nicht wenige Privatanleger und professionelle Investoren verstärkt in High-Yield investiert, die dort mentalitätsmäßig eigentlich nichts verloren haben. Das heißt in der Folge: Wenn ein ganz normaler zyklischer Abschwung in einer risikobehafteten Assetklasse in illiquider werdenden Märkten kommt, wird die Volatilität meines Erachtens steigen – durch das prozyklische Verhalten von Anlegern, die entweder aus emotionaler Schwäche oder wegen Risikomanagement-Überlegungen aus den Märkten wieder herausgetrieben werden.
Zentrales Thema der Asset Allocation war lange die Portfolio-Theorie nach Markowitz. Die jüngeren Korrelationsentwicklungen haben hier für Ernüchterung gesorgt. Also: Markowitz ad acta?
Lück: Nein. Die Portfolio-Diversifikation bleibt als Grundidee eine der Basisannahmen im gesamten Investmentprozess. Das von Ihnen angesprochene Problem der Korrelation ist in der Tat aktuell sehr präsent. Und man hat natürlich auch gesehen, dass es schwieriger geworden ist, einzelne Assetklassen gegeneinander zu hedgen. Zusätzlich sollten wir berücksichtigen: Wir sind in einer Phase, in der die Investmentwelt durch eine Anpassung geht. Nach einer tiefen Rezession dauert es eine gewisse Zeit, bis ein volkswirtschaftliches System und die Kapitalmärkte wieder zum Normalzustand zurückkommen. Nach dem New-Economy-Crash hat das System zwei Jahre gebraucht, sich zu rekalibrieren. Wir brauchen wohl dieses Mal deutlich länger. Und so lange braucht es auch für eine Normalisierung der Grundannahme im Asset-Management. Die ökonomische Welt und die Finanzmärkte sind sozusagen immer noch im Reparaturmodus.