Asset Management Vier wichtige Trends für 2023


Die vergangenen Jahre haben Vermögensverwalter und Anleger vor eine ganze Reihe von Herausforderungen gestellt, wie sie nur selten vorkommen. Jetzt bieten sich wieder neue Chancen.
1. Die Zinsen steigen wieder
Anleihen und Bargeld sind derzeit eine legitime Alternative zu Aktien. Die Welt hat zu lange mit Null-Prozent-Zinsen – und damit letztlich mit kostenlosem Geld – gelebt. Eine Reihe von (jungen) Anlegern hat noch nie ein Umfeld erlebt, in dem die Aufnahme von Geld mit realen Kosten verbunden war. Das neue Umfeld ist spannend, weil ein Konjunkturabschwung, der oft mit steigenden Kapitalkosten verbunden ist, schwache und ineffiziente Unternehmen aus dem Markt drängt und aktiven Managern die Möglichkeit gibt, gut aufgestellte und chancenreiche Unternehmen zu finden. Jetzt kommt es darauf an, Bereiche mit übermäßigen Risiken zu meiden – denn in einem Umfeld mit steigenden Nominal- und folglich auch Realzinsen wird überzogene Risikobereitschaft bestraft.
2. Die Kunden werden anspruchsvoller
In der Vermögensverwalterbranche wächst der Wunsch, die Anlagemöglichkeiten und -dienstleistungen stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Anleger abzustimmen.
Das typische Geschäftsmodell großer Vermögensverwaltungen basiert auf Größe und Skalierbarkeit. Wir wissen, wie man ein exzellentes Produkt entwickelt und es vielen Anlegern zur Verfügung stellt. Immer häufiger werden wir jedoch gebeten, Modelle und Lösungen zu entwickeln, die sowohl privaten als auch institutionellen Anlegern helfen, eine größere Bandbreite von bestimmten Herausforderungen und Chancen zu bewältigen. Maßarbeit ist indes das Gegenteil von Skalierung, und das bedeutet für uns und unsere Kollegen eine große Umstellung in der Denk- und Arbeitsweise.
Der Weg zu einer entsprechenden kosteneffizienten Neujustierung besteht in einer drastischen Steigerung der betrieblichen Effizienz. Um langfristig zu den Gewinnern zu gehören, müssen die Vermögensverwalter ihre Front-, Back- und Middle-Offices umstrukturieren, um die Kunden wunschgemäß individueller zu bedienen und gleichzeitig die Kosten zu senken.
Immer mehr Kunden fordern zugleich verantwortungsvolle Investitionen. Während Impact-Investitionen und ESG-Anlagen in Europa zu einem integralen Bestandteil von Investitionen geworden sind, beobachten wir in den USA weiterhin eine anhaltende Debatte, ob verantwortungsvolle Investments die Renditen schmälern. Sind ESG-Faktoren aber tatsächlich ausschlaggebend für eine gute Investition? Abhängig von den jeweiligen individuellen Anlagezielen muss das nicht immer der Fall sein. Wir können die ESG-Analyse bei der Auswahl von Wertpapieren für die Portfolios unserer Kunden je nach Bedarf einschränken oder ausweiten.
3. Die Unsicherheiten mit Blick auf China nehmen zu
China schien vor einigen Jahren auf dem Weg zu sein, um mit den Volkswirtschaften der USA und Europas in einen fairen Wettbewerb zu treten. Doch das politische Umfeld hat sich verschlechtert und der wirtschaftliche Fortschritt ist ins Stocken geraten.
Hinsichtlich Chinas haben wir jetzt eine höchst problematische Situation: Die vollständige Kontrolle des Landes liegt in den Händen einer einzigen Person. Einer der Nebeneffekte dieser Art von konsolidierter Macht ist die willkürliche Anwendung und Änderung der Regeln für das Geschäftsleben. Unternehmen, die in den Augen der Staatsoberen zu viel (wirtschaftliche) Macht ansammeln, können ins Abseits gedrängt und zerschlagen werden. Einflussreiche Einzelpersonen, die der Führungsspitze ein Dorn im Auge sind, werden nicht selten inhaftiert. Diese Art der Einmischung in die freie Marktwirtschaft ist ein Haupthindernis dafür, dass China zu einem ebenbürtigen Player in der Weltwirtschaft heranwachsen kann. Des Weiteren bleibt das chinesische Potenzial aufgrund einer nicht frei konvertierbaren Währung und eines Finanzsystems begrenzt, das aufgrund eines engen Anleihemarktes in zu hohem Maß auf Bankkredite angewiesen ist.
4. Talent bei der Vermögensverwaltung machen weiterhin den Unterschied
Der Kern unseres Geschäfts und unserer Kundenbeziehungen wird in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren relevant bleiben. Dennoch wird sich einiges ändern.
Heute gründet unser Geschäft auf drei Säulen: Wir haben die Portfoliomanager und Analysten, den Vertrieb und das operative Geschäft. Jeder Teil davon entwickelt sich ständig weiter, aber die grundlegende Tätigkeit bleibt die gleiche: Wir verschaffen Anlagetalenten im Auftrag unserer Kunden die besten Ausgangsbedingungen. Ich sehe nicht, dass dieser Ansatz zukünftig ernsthaft in Frage gestellt wird, trotz des Aufkommens von KI-gesteuerten und automatisierten Lösungen.
Wo und wie die Anlagetalente arbeiten und wie sie ihre Daten generieren, ändert sich jedoch. Die Eintrittsbarrieren in die Vermögensverwaltung werden niedriger, sodass Raum für spezialisierte Dienstleister entsteht, die ein oder zwei Dinge wirklich gut können. Aber bei den großen Asset Managern, die eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen anbieten, wird es meiner Meinung nach zu einer weiteren Konsolidierung kommen. Es ist davon ausgehen, dass die Zahl der großen Akteure zukünftig abnehmen wird.
Wie die operative Exzellenz ist auch die Qualität und Tiefe der Analyse ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal im Wettbewerb und ein Maßstab für die Wertschöpfung im Dienst der Anleger. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Meiner Einschätzung nach werden wir vor diesem Hintergrund zunehmende Investitionen in High-End-Analytik und Big-Data-Analysen sehen: Sie helfen den Research-Teams, relevante Daten aus dem Marktgeschehen zu generieren und schneller zu Investitionsentscheidungen zu gelangen.