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Aktualisiert am 18.12.2018 - 10:05 UhrLesedauer: 7 Minuten
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Asynchrone Konjunktur und strukturelle Unterschiede Was Anleger über die weltwirtschaftliche Fragmentierung wissen müssen

In der Welt- und Innenpolitik sehen wir Parallelen zum 19. Jahrhundert – einer Zeit rascher Innovationen mit einem Wettbewerb zwischen verschiedenen wirtschaftlichen und politischen Modellen, einer beachtlichen internationalen und finanziellen Integration und den Maschinenstürmern, die sich Veränderungen widersetzten. Die heutige sogenannte vierte industrielle Revolution birgt Risiken für die Beschäftigung und die Arbeitseinkommen von gelernten und ungelernten Arbeitern in Industrie- und Schwellenländern gleichermaßen. Dies spricht dafür, dass sowohl die allgemeine Verunsicherung als auch der Widerstand gegen den Fortschritt anhält. Hinzu kommt, dass das Zusammenspiel aus privaten Eigentumsrechten, Präferenzen der Verbraucher und der unsicheren Beschäftigungssituation für anhaltenden Wettbewerbsdruck sorgen dürfte, sodass die Produktivität weiter steigt und sich der Reallohn- und Inflationsdruck in Grenzen hält.

US-Kurswechsel ist denkbar

Wir erwarten keine Wiederkehr einer Weltwirtschaft wie im Kalten Krieg, als ideologische Schranken Handel und Investitionen behinderten. Wir rechnen auch nicht damit, dass der internationale politische Dialog oder die wirtschaftliche und finanzielle Integration zum Stillstand kommen, wie es in der Zwischenkriegszeit der Fall war. Vielmehr glauben wir, dass die Trump-Administration weiter auf den Widerstand der Wirtschaft einzelner Bundesstaaten und anderer Interessengruppen reagieren wird, die unter seiner protektionistischen Politik oder den Gegenmaßnahmen der anderen Länder leiden. Schließlich gibt es noch immer Anzeichen für eine Bereitschaft zum Kurswechsel, wenn sich zeigt, dass sich Trump mit der Politik am Ende selbst schadet. Dies sieht man beispielsweise bei den Sanktionen gegen einen russischen Aluminiumhersteller oder dem Richtungswechsel bei einem chinesischen Telekommunikationsausrüster, wo man sich durchaus zu einer anderen Politik bereitfand.

Handelskonflikte dürften anhalten

Und doch dürften die internationalen Handelskonflikte und die Auseinandersetzungen um grenzüberschreitende Investitionen eine dauerhafte Herausforderung bleiben. Für natürliche Spannungen in der Weltwirtschaft sorgt die Rivalität zwischen den USA und China, zumal im nationalen Sicherheitsbericht der USA China explizit als Bedrohung bezeichnet wurde. Die Handelskonflikte sind zweifellos wichtig, aber man kann verhandeln. Denkbar sind niedrigere Zölle oder nichttarifäre Handelshemmnisse. Der Kern des Konflikts zwischen den USA und China sind aber zwei unterschiedliche politisch-wirtschaftliche Modelle, die nicht verhandelbar sind: In den USA gelten Privateigentum und die Marktkräfte als Basis des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts. Im Gegensatz dazu dreht sich in China alles um das kollektive nationale Interesse. Dazu zählt jetzt auch eine Industriepolitik mit dem Ziel, an der Spitze der technologischen Entwicklung zu stehen. Die Folge ist eine wirtschaftliche und weltpolitische Rivalität, unterstützt von der jeweiligen Regierung.

Solche nachhaltigen Spannungen werden mit recht hoher Wahrscheinlichkeit auch zu Spannungen an den Finanzmärkten führen und damit zu strafferen Finanzbedingungen, die das Wachstum bremsen, insbesondere in Emerging-Market-Ländern, die mehr als andere von der Globalisierung, Handelskonflikten und Investitionsbeschränkungen betroffen sind. Dies führt auch zu Druck auf die Emerging-Market-Währungen mit der möglichen Folge einer importierten Inflation. Die Notenbanken stehen dann vor einem Dilemma. Möglich ist ein geringeres Wachstum begleitet von höherer Inflation oder höheren Inflationserwartungen.

Wir erwarten keine große Krise

Und doch erwarten wir angesichts früherer internationaler Erfahrungen mit ausgeprägten Protektionismusphasen und Beschränkungen von Handel und Investitionen keine große Krise. Massiver Protektionismus wird mit tiefen Rezessionen und offenen Konflikten in Verbindung gebracht, vor allem in der Zeit nach dem Börsenkrach 1929, der zweifellos einige Gemeinsamkeiten mit dem heutigen Protektionismus nach der internationalen Finanzkrise hat. In den 1930er-Jahren machten die Smoot-Hawley-Zölle in den USA die große Depression noch schlimmer und wurden erst mit der Mobilisierung für den Zweiten Weltkrieg überwunden. Weniger bekannt, aber deswegen nicht besser, war die Entscheidung von Präsident Thomas Jefferson, im Jahr 1807 Zölle einzuführen. Seine Motivation waren die Spannungen mit Großbritannien und Frankreich. Man vermutet, dass diese Zölle das US-BIP um 5 Prozent haben einbrechen lassen und sie letztlich den Krieg von 1812 und den Brand des Weißen Hauses auslösten.