DZ-Bank-Chefvolkswirt Stefan Bielmeier
Auf dem Weg in die Transferunion
Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt und Bereichsleiter Research und Volkswirtschaft der DZ Bank Foto: DZ Bank
Die neue italienische Regierung bedeutet einen Rückschlag für das liberale Europa. Parallelen zur Anfangszeit der Tsipras-Administration in Griechenland sind erkennbar. Aber die große Verhandlungsmacht Roms birgt Risiken für ganz Europa. Denn der Kompromiss zwischen Brüssel und Rom könnte den Weg in die Transferunion ebnen – mit wirtschaftlichen und politischen Gefahren für die EWU.
Die Eurozone sah sich nach Jahren der Krise bereits auf dem Weg der Besserung. Wie trügerisch die Hoffnung des liberalen Europas war, zeigte sich nur ein Jahr später in Folge der Parlamentswahlen in Italien. Die Vorhaben der neuen italienischen Regierung weisen einige Parallelen zur frühen Tsipras-Administration in Griechenland auf. Das finanzielle Gesamtvolumen der Pläne in Höhe von etwa 100 Mrd. Euro pro Jahr, das das Budgetdefizit Italiens auf 5 Prozent des BIP oder höher katapultieren würde, stellt sogar frühere Syriza-Forderungen bei weitem in den Schatten.
Die Regierungspläne haben die Märkte bereits in helle Aufregung versetzt. Die Renditen italienischer Staatsanleihen, aber auch...
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Die Eurozone sah sich nach Jahren der Krise bereits auf dem Weg der Besserung. Wie trügerisch die Hoffnung des liberalen Europas war, zeigte sich nur ein Jahr später in Folge der Parlamentswahlen in Italien. Die Vorhaben der neuen italienischen Regierung weisen einige Parallelen zur frühen Tsipras-Administration in Griechenland auf. Das finanzielle Gesamtvolumen der Pläne in Höhe von etwa 100 Mrd. Euro pro Jahr, das das Budgetdefizit Italiens auf 5 Prozent des BIP oder höher katapultieren würde, stellt sogar frühere Syriza-Forderungen bei weitem in den Schatten.
Die Regierungspläne haben die Märkte bereits in helle Aufregung versetzt. Die Renditen italienischer Staatsanleihen, aber auch die anderer Peripherie-Staaten, sind in den vergangenen Wochen sprunghaft angestiegen. Verschärft sich die Krise an den Märkten weiter, droht sich die Spirale steigender Risikoprämien immer weiter zu drehen. Auf die Disziplinierungsfunktion des Marktes zu setzen, um Rom zum Einlenken zu bewegen, könnte sich aber als gefährliche Taktik erweisen. Italien weiß angesichts seines hohen wirtschaftlichen Gewichts und der ausstehenden Forderungen um seine Verhandlungsmacht. Setzen Rom und Brüssel auf politische Konfrontation, drohen wiederum Investoren das Vertrauen in Italien zu verlieren.
Die Zeichen stehen mangels Alternativen auf Kompromiss. Brüssel dürfte vor allem darauf drängen, dass Rom seine Überlegungen einer Parallelwährung begräbt und seine überzogenen Fiskalpläne zurechtstutzt. Im Gegenzug wird Brüssel vor allem finanzielle Zugeständnisse an Rom machen müssen. Diese könnten beispielsweise niedrigere Beitragszahlungen Italiens zur EU, ein größeres Volumen geförderter Investitionen aber auch eine gemeinsame Einlagensicherung der Banken umfassen. Der Weg in eine Transferunion wäre damit geebnet. Ist diese erst einmal eingerichtet, werden Abhängigkeiten geschaffen und wirtschaftliche Ungleichgewichte womöglich sogar noch manifestiert. Ferner dürfte der Einstieg in die Transferunion nicht ohne politische Gegenwehr in Kerneuropa bleiben. Der Rechtspopulismus würde zusätzlichen Auftrieb erfahren – ein Pyrrhussieg.
Ende einer trügerischen Hoffnung
Die Eurozone sah sich nach Jahren der Krise bereits auf dem Weg der Besserung. Die in einigen Ländern unternommenen Strukturreformen griffen, das Wachstum legte zu und selbst die öffentliche Verschuldung entwickelte sich überwiegend rückläufig. Die Wahl Macrons in Frankreich und die gleichzeitige Niederlage Le Pens sorgten regelrecht für Euphorie, und das Schreckgespenst des wachsenden Populismus in Europa schien in den Hintergrund zu treten.
Wie trügerisch die Hoffnung des liberalen Europas war, zeigte sich nur ein Jahr später bei den Parlamentswahlen in Italien. Die etablierten Parteien wurden regelrecht marginalisiert, während sich ein Bündnis aus Rechts- und Linkspopulisten nun gemeinsam anstellt, Italien und ganz Europa nachhaltig verändern zu wollen. Die Gründe für den Wahlerfolg liegen auf der Hand: Wirtschaftliche und soziale Perspektivlosigkeit der Jugend Italiens, ein Gefühl der Hilfslosigkeit und fehlender europäischer Solidarität bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise und nicht zuletzt die Wut auf die Altparteien, die keine Antworten auf die drängenden Probleme des Landes fanden.
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