DZ-Bank-Chefvolkswirt Stefan Bielmeier
Auf dem Weg in die Transferunion
Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt und Bereichsleiter Research und Volkswirtschaft der DZ Bank Foto: DZ Bank
Die neue italienische Regierung bedeutet einen Rückschlag für das liberale Europa. Parallelen zur Anfangszeit der Tsipras-Administration in Griechenland sind erkennbar. Aber die große Verhandlungsmacht Roms birgt Risiken für ganz Europa. Denn der Kompromiss zwischen Brüssel und Rom könnte den Weg in die Transferunion ebnen – mit wirtschaftlichen und politischen Gefahren für die EWU.
Auf die Disziplinierungsfunktion des Marktes zu setzen, um Rom zum Einlenken zu bewegen, könnte sich aber als gefährliche Taktik erweisen. Das Ausland hält allein italienische Staatsanleihen im Volumen von rund 703 Mrd. Euro, deutsche und französische Banken sind zudem die größten Gläubiger des italienischen Staates und der Privatwirtschaft. Hinzu kommen die italienischen Target -2 -Vertbindlichkeiten von rund 450 Mrd. Euro. Europa kann es daher nicht riskieren, dass sich die Marktlage derart zuspitzt und das Land an den Rand der Zahlungsfähigkeit gerät. Die finanziellen und konjunkturellen Folgen für die gesamte Eurozone wären unabsehbar. Müsste Italien wegen eines Kollapses seiner Staatsfinanzen...
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Auf die Disziplinierungsfunktion des Marktes zu setzen, um Rom zum Einlenken zu bewegen, könnte sich aber als gefährliche Taktik erweisen. Das Ausland hält allein italienische Staatsanleihen im Volumen von rund 703 Mrd. Euro, deutsche und französische Banken sind zudem die größten Gläubiger des italienischen Staates und der Privatwirtschaft. Hinzu kommen die italienischen Target -2 -Vertbindlichkeiten von rund 450 Mrd. Euro. Europa kann es daher nicht riskieren, dass sich die Marktlage derart zuspitzt und das Land an den Rand der Zahlungsfähigkeit gerät. Die finanziellen und konjunkturellen Folgen für die gesamte Eurozone wären unabsehbar. Müsste Italien wegen eines Kollapses seiner Staatsfinanzen sowie des Bankensystems sogar die Eurozone verlassen, wäre der Fortbestand der ganzen Gemeinschaft in Gefahr.
Andererseits dürfte aber auch der mahnende Zeigefinger gen Rom kaum den gewünschten Erfolg bringen. Rom weiß angesichts seines hohen wirtschaftlichen Gewichts und der ausstehenden Forderungen vor allem europäischer Banken um seine Verhandlungsmacht. Überdies haben M5S und Lega selbst dazu beigetragen, dass die Erwartungen ihrer Wähler unrealistisch hoch sind –die Regierung ist also zum politischen Erfolg verdammt und dürfte kaum vor der Brüsseler Gegenwehr einknicken. Setzen beide Seiten auf politische Konfrontation, drohen wiederum die Märkte das Vertrauen in Italien zu verlieren –mit den bereits genannten dramatischen Folgen.
Der Weg in die Transferunion
Die Zeichen stehen mangels Alternativen auf Kompromiss. Brüssel dürfte vor allem darauf drängen, dass Rom seine Überlegungen einer Parallelwährung begräbt und seine überzogenen Fiskalpläne zurechtstutzt. Im Gegenzug wird Brüssel vor allem finanzielle Zugeständnisse an Rom machen müssen. Diese könnten beispielsweise sowohl niedrigere Beitragszahlungen Italiens zur EU, ein größeres Volumen geförderter Investitionen aber auch eine gemeinsame Einlagensicherung der Banken umfassen. Der Weg in eine Transferunion wäre damit geebnet. Auch gemeinsame soziale Sicherungssysteme wie eine europäische Arbeitslosenversicherung zur Abwehrasymmetrischer Schocks sind längst kein Tabuthema mehr und treffen vor allem auch in Reihen der Sozialdemokratie in Deutschland durchaus auf offene Ohren.
Kurzfristig ließen sich durch den Einstieg in eine Transferunion die Risse im Euro Gebilde kitten. Allerdings zeigen andere Beispiele regionaler Umverteilung von Finanzmitteln wie der Länderfinanzausgleich in Deutschland, dass sich so soziale Ungleichheiten zwar reduzieren, nicht aber unbedingt strukturelle Probleme lösen lassen. Im Gegenteil: Ist die Transferunion erst einmal eingerichtet, werden Abhängigkeiten geschaffen und wirtschaftliche Ungleichgewichte womöglich sogar noch manifestiert.
Ferner dürfte der Einstieg in die Transferunion nicht ohne politische Gegenwehr in Kerneuropa bleiben. Der Rechtspopulismus würde zusätzlichen Auftrieb erfahren und die etablierten Parteien auch hierzulande noch weiter unter Druck setzen. Die Gefahren einer gesellschaftlichen und politischen Spaltung Europas drohten zuzunehmen. Wenngleich der politische Pragmatismus für kurzfristige Lösungen à la Transferunion sprechen könnte, drohen sich diese am Ende als Pyrrhussieg zu erweisen, wenn die zur Bewältigung der Krisen gewählten Mittel politisch nicht konsensfähig sind. Nur wenn es der EU gelingt, die Mehrheit seiner Bürger hinter den politischen Zielen und Maßnahmen der Währungsgemeinschaft zu vereinen, kann die Stabilität und der Erfolg des Euro nachhaltig gesichert werden.
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