Schlechte Neuigkeiten für den milliardenschwere Wohnimmobilienfonds Uniimmo Wohnen ZBI: Nach der erfolgreichen Klage von Verbraucherschützern klagt nun auch die Tübinger Rechtsanwaltskanzlei Tilp vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gegen das Fondsmanagement und fordert Schadenersatz. Laut einem Bericht des „Handelsblatts“ strebt die Kanzlei darüber hinaus ein Musterklageverfahren an. In einem solchen Verfahren wird ein exemplarischer Fall verhandelt, dessen Urteil sich auf viele gleich gelagerte Fälle anwenden lässt. Rechtliche Grundlage dafür ist das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG).
Im Februar hat das Landgericht Nürnberg-Fürth bereits zugunsten der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geurteilt. Diese war ebenfalls gegen die Union-Investment-Tochter ZBI vor Gericht gezogen. Der Fall befindet sich aktuell in Berufung vor dem Oberlandesgericht Nürnberg.
Mit dem neuen Verfahren, das die Kanzlei Tilp angestrengt hat – und vor allem mit einem Musterverfahren – könnte eine ganze Schadenersatzwelle auf die Union-Investment-Tochter zurollen. Bei der Kanzlei schätzt man: Bei einem rechtskräftigen Urteil zugunsten der Kläger könnten Anleger des Uniimmo Wohnen bei Union Investment die Rückabwicklung ihrer Investments fordern – für Union Investment potenziell ein Millionenschaden.
Dem Antrag auf ein Verfahren nach dem KapMuG muss das Gericht allerdings noch zustimmen. An das Musterverfahren, das vor dem Oberlandesgericht Nürnberg stattfinden würde, können sich alle Anleger anschließen, die Fondsanteile ab Anfang 2023 gekauft haben, heißt es von Tilp.
Für Kläger bliebe auch noch einige Monate Zeit: Zunächst muss das Landgericht zustimmen und das Verfahren an das Oberlandesgericht weiterleiten. Dieses muss es im Bundesanzeiger veröffentlichen – wonach Betroffene noch sechs Monate Zeit hätten, sich dem Verfahren anzuschließen.
Die Kanzlei Tilp will laut Handelsblatt noch eine weitere Klage einreichen. Diese wäre auch für Anleger bedeutsam, die Fondsanteile vor 2023 erworben haben. Bei Tilp geht man demnach davon aus, dass die eingekauften Immobilien im Uniimmo Wohnen ZBI bereits seit dessen Start 2017 zu hoch bewertet gewesen seien – die Risikokennzahl, die auf der Priips-Verordnung basiert, also auch zuvor schon zu niedrig angegeben war.
Die Vorgeschichte: Kurssturz beim Uniimmo Wohnen ZBI
Der milliardenschwere offene Immobilienfonds Uniimmo Wohnen ZBI hatte im vergangenen Juni einen drastischen Einbruch des Anteilsrücknahmepreises erlitten. Durch die Abwertung um 17 Prozent verloren Anleger fast 800 Millionen Euro. Auslöser war eine Sondergutachten: Es ergab, dass die Immobilienobjekte im Portfolio deutlich weniger wert seien, als zuvor geschätzt.
Der Kurssturz dürfte viele Anleger kalt erwischt haben: Union Investment beziehungsweise ihr Fondsberater ZBI hatten den Fonds in Risikoklasse 2 von 7, also als risikoarm, eingestuft. Die Kanzlei Tilp argumentiert, dass das geringe ausgewiesene Risiko Anleger in die Irre geführt habe. „Der Fonds hätte nach unserer Ansicht von Anfang an in die Risikoklasse 6 eingeordnet werden müssen“, sagt Rechtsanwalt Christian Palme von der Kanzlei Tilp. Nach der Abwertung wurde die Risikoeinstufung immerhin von Stufe 2 auf 3 angehoben.
Die Kanzlei argumentiert zusätzlich, dass der Fonds seine Immobilien nicht nur einmal pro Quartal, sondern mindestens einmal pro Monat hätte bewerten lassen müssen, um überhaupt als risikoarm eingestuft werden zu können. Union Investment beharrt dagegen darauf, bei der Zuordnung korrekt vorgegangen zu sein. Die Gesellschaft hatte die plötzliche Abwertung mit „exogene Einflussfaktoren“, wie Ukraine-Krieg und Corona-Pandemie begründet.
Uniimmo Wohnen ZBI – bei Anlegern ehemals sehr beliebt
Der Uniimmo Wohnen ZBI war lange Zeit ein Verkaufsschlager von Union Investment. In seinen Spitzenzeiten 2023 verwaltete der Fonds mehr als 5 Milliarden Euro. Stand Ende März 2025 waren es noch rund 3,6 Milliarden Euro.
Vertrieben wurden Anteile des Uniimmo Wohnen ZBI sehr aktiv vor allem über den genossenschaftliche Finanzverbund, also Volks- und Raiffeisenbanken. Doch auch im freien Finanzvertrieb waren offene Immobilienfonds lange Verkaufsschlager: Sie galten in der Niedrigzinsphase bis 2022 als krisenresistente Renditebringer. Immobilien durchliefen in der Zeit einen langjährigen Bullenmarkt.
Dass offene Immobilienfonds wie der Uniimmo Wohnen ZBI ein nur geringes Risiko in der Priips-Skala ausweisen, ist in dem Segment nichts ungewöhnliches. Andere großen Anbieter wollen auch nach dem Gerichtsurteil des LG Nürnberg-Fürth an der niedrigen Risikoklasse festhalten, wie eine Umfrage von DAS INVESTMENT ergab.
Parallel zu den Verfahren, die die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und der Kanzlei Tilp angestrengt haben, laufen rund um den Uniimmo Wohnen noch weitere Gerichtsverfahren. So hat die Berliner Kanzlei Goldenstein Rechtsanwälte im Auftrag einer Anlegerin etwa gegen die Volksbank Böblingen geklagt.