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Carmignac-Fondsmanagerin im Interview „Auf lange Sicht führt an China kein Weg vorbei“

Carmignac-Fondsmanagerin Haiyan Li-Labbé
Carmignac-Fondsmanagerin Haiyan Li-Labbé: „Es ist unerlässlich, sich mit dem Land und seinen Unternehmen zu befassen“ | Foto: Carmignac

Frau Li-Labbé, das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas hat im November 2021 Staatschef Xi Jinping in seiner Rolle gestärkt. Wie beurteilen Sie den Beschluss?

Haiyan Li-Labbé: Der Beschluss ebnet den Weg für eine dritte Amtszeit von Präsident Xi Jinping. Aufmerksame Beobachter des Landes wird dieser Schritt kaum überrascht haben. Der Staatschef ist in der Bevölkerung und vor allem in den ländlichen Regionen Chinas überaus beliebt. Darüber hinaus steht der Beschluss im Einklang mit dem Wunsch nach Stabilität und Kontinuität der chinesischen Behörden und gewährleistet die Fortführung der mehrjährigen Reformbemühungen.

Die Entscheidung folgte auf neue Bedenken gegenüber China seitens ausländischer Anleger. Können Sie Näheres dazu sagen?

Li-Labbé: Vergangenen Sommer machte sich an den chinesischen Handelsplätzen tatsächlich Nervosität breit. Ausgelöst wurde dies durch strengere Bestimmungen für bestimmte Sektoren, mit denen marktbeherrschende Positionen, Ungleichheiten oder Armut dauerhaft korrigiert werden sollen. Kurz darauf sorgten die finanziellen Probleme des chinesischen Immobilienriesen Evergrande für Schlagzeilen. Die waren natürlich ebenfalls alles andere als hilfreich, um ausländische Anleger zu beruhigen.

Kürzlich mehrten sich die Sorgen hinsichtlich der Notierung von chinesischen Unternehmen an der Wall Street. Was hat es damit auf sich?

Li-Labbé: Die US-Behörden haben beschlossen, ihre Transparenzanforderungen an chinesische Unternehmen zu erhöhen. Diese müssen nun umfangreichere Informationen, insbesondere in Buchhaltungsfragen, sowie ihre Verbindungen zu Peking offenlegen. Erfüllen Sie diese Auflagen nicht, endet die Notierung in den USA. In Anlegerkreisen sorgte dies für Unruhe. Einige Investoren fragten sich gar, ob Ausländer künftig überhaupt noch Aktien von chinesischen Unternehmen halten könnten. Diese Befürchtungen sind jedoch unbegründet, denn ausländische Anleger können über die chinesischen Finanzmärkte oder die Hongkonger Börse auch künftig in chinesische Unternehmen investieren.

Wie beurteilen Sie die Entwicklungen hinsichtlich Evergrande und die Regulierung?

Li-Labbé: Evergrande ist in erster Linie ein isolierter Einzelfall. Die angekündigten Verschärfungen haben die Anleger aufgeschreckt, weil diese deutlich umfangreicher waren als ähnliche Beschlüsse in den Jahren 2015 und 2018. Dabei zielen sie vor allem darauf ab, die Auswüchse der sehr schnellen Entwicklung in bestimmten Branchen zu korrigieren, die Armut und die soziale Ungleichheit weiter zu verringern sowie das Wirtschaftswachstum nachhaltiger und ökologischer zu gestalten. Meines Erachtens verdeutlichen die Sorgen vor allem, wie wichtig ein Verständnis der Reformen – und zwar insbesondere der sozialen Reformen – in China ist, um den Wandel des Landes besser nachvollziehen zu können.

Wird China von ausländischen Investoren falsch eingeschätzt?

Li-Labbé: Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von mehr als 16 Billionen US-Dollar ist China die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Auch hinsichtlich der Marktkapitalisierung (rund 20 Billionen US-Dollar) nimmt das Land den zweiten Platz hinter den USA (fast 43 Billionen US-Dollar), aber vor Japan (7 Billionen US-Dollar), dem Vereinigten Königreich und Frankreich (jeweils etwa 3 Billionen US-Dollar) ein. Trotzdem ist China in den internationalen Börsenindizes nach wie vor unterrepräsentiert.

Liegt dies nicht auch an einer schlechten Kommunikation mit ausländischen Anlegern?

Li-Labbé: Während der bereits genannten Phase im vergangenen Sommer hat die Regierung versucht, die Anleger möglichst schnell zu beruhigen. Es besteht zwar sicher Raum für Verbesserungen, doch China öffnet sich ausländischen Anlegern zunehmend. Um den Austausch mit ihnen zu fördern, veröffentlichen mittlerweile immer mehr chinesische Unternehmen Berichte auf Englisch und stellen Manager mit Englischkenntnissen ein.

Sie haben soziale Reformen angesprochen. Das ist nicht unbedingt der erste Aspekt, an den ausländische Anleger bei China denken.

Li-Labbé: Von den in China durchgeführten Reformen soll zunächst die Bevölkerung des Landes profitieren. Die Maßnahmen, die seit einigen Jahren in Bezug auf die soziale Sicherheit und die Renten ergriffen werden, gehören zu den ambitioniertesten der vergangenen Jahrzehnte. So konnten dank der Reformen etwa eine Milliarde Menschen der Armut entkommen.

Gibt es weitere Beispiele für Fortschritte in sozialen Fragen?

Li-Labbé: Nur wenige wissen, dass heute fast die gesamte chinesische Bevölkerung (95 Prozent) über eine Krankenversicherung verfügt, im Gegensatz zu lediglich 5 Prozent im Jahr 1990. Vor dreißig Jahren zahlten nur 30 Prozent der in Städten beschäftigten Menschen Rentenversicherungsbeiträge. Heute sind es nahezu 70 Prozent. Im Hinblick auf die Gleichstellung von Mann und Frau ist darüber hinaus anzuführen, dass laut Weltbank rund 60 Prozent der Chinesinnen erwerbstätig sind, gegenüber durchschnittlich nur rund 47 Prozent der Frauen weltweit. Die Zahl der Menschen, die Zugang zu einem Pensionsfonds haben, ist in 30 Jahren von 25 Millionen auf 900 Millionen gestiegen.

Wie steht es mit der Umwelt, einem der aktuellen Kernanliegen der Anleger?

Li-Labbé: China verfolgt das ambitionierte Ziel, bis 2060 klimaneutral zu werden, und hat mehrere Maßnahmen zur Unterstützung von Investitionen zugunsten der Umwelt angekündigt. Weitere Schritte zur Förderung von erneuerbaren Energien, intelligenten Stromnetzen oder Stromspeichern werden erwartet. Auch im Hinblick auf die Anleger zeigen chinesische Unternehmen umfassende Bemühungen, ihre Reportings hinsichtlich ökologischer, sozialer und die Unternehmensführung betreffende Fragen (ESG) zu verbessern.

Wie schätzen Sie angesichts der bisherigen und künftigen Reformen die langfristigen Aussichten des Landes ein?

Li-Labbé: Unseren Schätzungen zufolge könnte sich das chinesische BIP bis 2035 verdoppeln. Damit würde China die USA hinter sich lassen würde. Dank der Reformen treibt das Land seine technologische Unabhängigkeit voran, und aus diesem strategischen Wandel ergeben sich neue Anlagegelegenheiten. Wir haben vier wichtige langfristige Trends ermittelt: Technologische Innovationen, ökologischer Wandel, Veränderung des Konsumverhaltens sowie Gesundheit und medizinische Innovationen.

Man sollte also weiterhin in China investieren?

Li-Labbé: Solange man selektiv vorgeht und einen langfristigen Ansatz verfolgt, kann die chinesische Börse in den kommenden zehn bis 15 Jahren Anlagechancen bieten. Auf lange Sicht führt am chinesischen Markt weiterhin kein Weg vorbei. Dabei ist es jedoch unerlässlich, sich eingehend mit dem Land und seinen Unternehmen zu befassen. Wichtig ist auch ein Interesse für die künftigen Wachstumstreiber der chinesischen Wirtschaft sowie der Weltwirtschaft, die sich von den aktuellen gewiss unterscheiden werden. Wir bei Carmignac versuchen, die potenziellen Weltmarktführer von morgen zu identifizieren. Dafür analysieren wir nicht nur die Entscheidungen der chinesischen Regierung, sondern versuchen auch zu verstehen, welche Ziele sie für das Land und seine Wirtschaft verfolgt.

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Hinweis: Diese News ist eine Mitteilung des Unternehmens und wurde redaktionell nur leicht bearbeitet.