Volkswirt Johannes Mayr
Der Konsum-Boom geht zu Ende

Volkswirt Johannes Mayr
Selten waren sich Analysten so einig: Das Jahr 2023 bringt eine Rezession. Argumente dafür gibt es viele. In den USA die starke Straffung der Geldpolitik. In Europa der Kaufkraftentzug durch die hohen Energiepreise und die Probleme im Außenhandel. In China die Krise am Immobilienmarkt und das Covid-Desaster. Und in den übrigen Schwellenländern die Kollateralschäden der Dollar-Stärke.
All das spi...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Selten waren sich Analysten so einig: Das Jahr 2023 bringt eine Rezession. Argumente dafür gibt es viele. In den USA die starke Straffung der Geldpolitik. In Europa der Kaufkraftentzug durch die hohen Energiepreise und die Probleme im Außenhandel. In China die Krise am Immobilienmarkt und das Covid-Desaster. Und in den übrigen Schwellenländern die Kollateralschäden der Dollar-Stärke.
All das spiegelt sich in der starken Inversion der Zinskurven. Auch wir erwarten 2023 eine konjunkturelle Schwächephase und sind für Europa skeptischer als für die USA. Die Rezession dürfte aber global relativ mild ausfallen. Denn wenn die Risiken bekannt sind, dann sind Wirtschaftssysteme in der Lage damit umzugehen und können sich – auch ohne tiefe Rezession – anpassen. Und gerade auf der Angebotsseite hat sich die Lage bereits spürbar entspannt. Unmittelbare Zinssenkungen erwarten wir deshalb nicht. Klar ist aber auch: Dieser Pfad zum Soft Landing ist schmal und die Absturzrisiken erheblich.
Die Abschwächung der Konjunktur dürfte 2023 in den USA kontrollierter ablaufen als im Rest der Welt. Das liegt in erster Linie an den Treibern der Inflation. In den USA ist der Inflationsschub zu etwa zwei Dritteln durch die Nachfrage getrieben, worauf die Fed direkten Zugriff hat und die Straffung der Geldpolitik relativ zielgenau steuern kann. Die Wirkung zeigt sich bereits. Die US-Konjunktur kühlt sich ab, der Inflationsgipfel ist überschritten und wir erwarten 2023 einen schrittweisen Rückgang der Teuerung in Richtung 3 bis 4 Prozent. Hierzu dürfte ein Zinsniveau von etwa 5 Prozent ausreichend sein, welches die Fed im Frühjahr erreichen wird. Von der Fiskalpolitik sind durch die zu erwartenden politischen Blockaden im Kongress dabei weder ernstzunehmende Impulse noch störende Bremsmanöver zu erwarten.
In Europa wird die Inflation im Frühjahr 2023 dagegen noch sehr hoch bleiben und erst im weiteren Jahresverlauf sinken, dann aber deutlicher. Denn die Inflation ist zu etwa zwei Dritteln angebotsgetrieben, weshalb die EZB die Zinsen wohl weiter über das natürliche Niveau anheben muss, um ausreichend Abwärtsdruck auszulösen. Bei einem Leitzins von 3 Prozent wird in Europa aber Schluss sein. Die konjunkturellen Bremsspuren werden dennoch stärker ausfallen. Daran wird auch die expansiver ausgerichtete Fiskalpolitik nichts ändern. Denn der Multiplikator der Entlastungspakete dürfte gering ausfallen. Nachdem das Wachstum in Europa 2022 noch deutlich höher als in den USA ausgefallen ist, wird 2023 wieder die US-Wirtschaft die Nase vorn haben.
Unter der BIP-Oberfläche deuten sich für 2023 Verschiebungen an, die für Investoren wichtiger sind als die reine Wachstumszahl. Der Konsum-Boom der vergangenen Jahre neigt sich seinem Ende zu. Denn zentrale Treiber verlieren an Schubkraft. Die verfügbaren Einkommen werden durch die Eintrübung am Arbeitsmarkt gebremst und die Lohndynamik kann den Kaufkraftverlust durch die Inflation nicht ausgleichen. Zudem sind die für den Konsum besonders relevanten Finanzvermögen bereits um rund 30 Prozent geschmolzen und eine ähnliche Entwicklung ist für die Sachvermögen zu erwarten. Die Covid-Überschussersparnis ist zu einem großen Teil aufgebraucht. Und die gestiegenen Zinsen werden die Kreditfinanzierung schrittweise dämpfen.
Die Konsumlust hat bereits nachgelassen, vor allem im Bereich dauerhafter Konsumgüter. Denn hier haben die Haushalte während der Pandemie übermäßig stark zugegriffen, und werden bei geringeren finanziellen Spielräumen weiterhin den Rotstift ansetzen. Dienstleistungen und Basisgüter werden davon weniger betroffen sein. Der Shift von Gütern zu Dienstleistungen wird sich also fortsetzen. Dies gilt für die USA in besonderem Maße, wird sich aber auch in anderen Regionen zeigen.
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