Es ist das Thema, das die Marktteilnehmer mit Blick aufs Jahr 2025 am meisten beschäftigt: Welche Politik wird der neue US-Präsident Donald Trump konkret verfolgen und wie wird sie sich auf Konjunktur und Kapitalmärkte auswirken?

Daniel Morris, BNP Paribas AM

„Der Wahlsieg der republikanischen Partei in den USA dürfte den Aktienmärkten, insbesondere in den Vereinigten Staaten, Auftrieb geben“, sagt Daniel Morris, Chef-Marktstratege bei BNP Paribas Asset Management, und erinnert an Trumps erste Amtszeit. Er sieht aber auch Risiken: Zum einen könnte das Wachstum zu stark beschleunigt werden und die US-Wirtschaft in der Folge überhitzen, zum anderen rufen umfangreiche Steuersenkungen möglicherweise negative Reaktionen am Anleihenmarkt hervor. „Wir werden abwarten müssen, bis mehr Klarheit herrscht – nicht nur über die politischen Vorschläge, sondern auch darüber, was tatsächlich umgesetzt werden kann.“

Wirtschaft wichtiger als Geldpolitik

Abgesehen von den politischen Entwicklungen steht weiterhin die Geldpolitik im Fokus. Die Zentralbanken der Industrieländer sind auf Lockerungskurs. „Das dürfte sowohl Aktien – da die kurzfristigen Finanzierungskosten sinken – als auch festverzinslichen Wertpapieren zugutekommen, da die Leitzinskomponente der Anleiherenditen sinkt“, erläutert Morris. Es sei aber nicht so einfach, die Reaktion der Märkte zu antizipieren. Denn der andere und wohl wichtigere Faktor, der die Vermögenspreise bestimmt, sei das Wirtschaftswachstum.

Anleger sollten laut Morris daher zunächst vorsichtig sein, wenn sie während eines Zinssenkungszyklus positive Aktienrenditen erwarten. „Vier der letzten fünf solcher Zyklen in den USA waren mit einer Rezession verbunden. Es überrascht nicht, dass der Beginn eines Abschwungs zu negativen Renditen bei Aktien und zu Gewinnen bei Staatsanleihen führte.“

Der entscheidende Faktor für die Kapitalmarktentwicklung 2025 ist daher, ob es eine Rezession geben wird.

 

Marktteilnehmer erwarten weiche Landung der USA

Der Konsens ist, dass die USA tatsächlich eine weiche Landung erleben werden: Das Wachstum wird sich verlangsamen, aber positiv bleiben, während sich die Kerninflation wieder auf das 2-Prozent-Ziel der US-Notenbank zubewegt. „In Europa hat sich das Wachstum bereits verlangsamt. Wir denken aber, dass es 2025 wieder leicht anziehen dürfte. Das würde die Aktienmärkte und die Erträge stützen und im kommenden Jahr zu Kursgewinnen führen“, sagt Morris.

Die regionale Präferenz von BNP Paribas Asset Management liegt weiterhin in den USA. Die Begeisterung für künstliche Intelligenz war der Haupttreiber für steigende Gewinne im Jahr 2024. Der Großteil der Erträge stammte von Aktien aus dem technologielastigen Nasdaq-100-Index. Der übrige Markt legte hingegen kaum zu. „Im Jahr 2025 wird die Verteilung wahrscheinlich ausgewogener sein“, sagt Morris, auch wenn das Nasdaq-Gewinnwachstum immer noch überdurchschnittlich hoch ausfallen dürfte (siehe Grafik).

Grafik: Nasdaq-100-Unternehmen mit den höchsten Gewinnerwartungen

Vom Konsensus 2025 im Vergleich zum Vorjahr erwartetes Gewinnwachstum je Aktie in Prozent. Quellen: FactSet, BNP Paribas Asset Management. Stand: 24. Oktober 2024

Europa weiter im Hintertreffen

Europäische Aktien dürften seiner Einschätzung zufolge ebenfalls Kursgewinne verzeichnen, aber erneut hinter den meisten anderen großen Märkten zurückbleiben. „Die zahlreichen geopolitischen Unsicherheiten und die strukturellen Herausforderungen der größten Volkswirtschaft, Deutschland, belasten die Region“, sagt Morris.

Der Marktstratege weiter: „Die Konsumentennachfrage in Europa wird sich viel stärker erholen müssen, als wir es erwarten, damit sich die verbrauchernahen Sektoren stark entwickeln könnten. Die Exporteure werden vom robusten US-Wachstum profitieren, auch wenn die Zölle weiterhin ein Problem darstellen.“ Hingegen sei es unwahrscheinlich, dass China in dem Maße wie in der Vergangenheit europäische Produkte abnehmen wird, da sich das Wachstum im Land verlangsamt hat.

Chinas Konjunktur und Börse hängen von der Regierung ab

Das Renditepotenzial in China wird Morris‘ Einschätzung zufolge in erster Linie von den Maßnahmen der Zentralregierung abhängen. „China ist nach wie vor in besonderem Maße von der Regierungspolitik abhängig, um das Wirtschaftswachstum und damit die Unternehmensgewinne anzukurbeln.“

Er rechne zwar mit weiteren Stimulierungsmaßnahmen durch Peking. Es sehe aber nicht nach einem grundlegenden Wandel der Wirtschaftspolitik aus. „Die Regierung wird sich wahrscheinlich weiterhin auf Investitionen in neue, sich entwickelnde Branchen konzentrieren, anstatt den Konsum der Haushalte zu fördern oder Immobilienentwicklern unter die Arme zu greifen“, erwartet der Experte.

Morris bezweifelt, dass diese Sektoren in der Lage sein werden, das Wachstum der gesamten Wirtschaft in dem von den Behörden gewünschten Tempo zu fördern. Ohne einen stärkeren Aufschwung auf dem Immobilienmarkt werde die Stimmung der Verbraucher wahrscheinlich gedrückt bleiben. Auch die Hoffnung, dass die Exporte die Flaute ausgleichen, könnte sich aufgrund des zunehmenden globalen Protektionismus als vergebens erweisen.

„Wenn die Konsensschätzungen zutreffen, dürften die chinesischen Gewinne dennoch steigen“, betont Morris. Er weist aber darauf hin, dass der prognostizierte Anstieg um 10 Prozent nur geringfügig höher ist als das für Europa erwartete Plus in Höhe von 9 Prozent. „Die Bewertungen sind im historischen Vergleich niedrig. Es könnte aber ein dauerhafter Abschlag auf die Multiplikatoren der Vergangenheit bestehen. Das bedeutet, dass die Kurs-Gewinn-Verhältnisse nicht unbedingt zum Mittelwert zurückkehren werden.“

Unsicherheiten über Inflation und US-Haushaltspolitik prägen Anleihenmarkt

Am Anleihenmarkt ergeben sich aus den potenziell inflationären Auswirkungen der neuen Trump-Regierung – strengere Einwanderungspolitik, Zölle, Steuersenkungen – Risken für die Markterwartungen bei den kurzfristigen Zinsen. „Zum jetzigen Zeitpunkt kann man nur darüber spekulieren, was tatsächlich umgesetzt wird“, weist Morris auf die weiterhin bestehenden Unsicherheiten hin.

Die Renditen längerfristiger Staatsanleihen könnten aus Sicht des Marktstrategen steigen, um die Unsicherheit über die Inflationsaussichten widerzuspiegeln – ganz zu schweigen vom US-Haushaltsdefizit. „Eine Verlängerung oder Ausweitung der Steuersenkungen würde zu einer weiteren Verschlechterung der Haushaltsaussichten führen.“ Es sei jedoch wie immer unklar, ob und wann die Marktteilnehmer diese Risiken vollständig einpreisen werden. Morris rechnet folglich mit anhaltender Unterstützung des Goldpreises, da die Anleger weiterhin nach alternativen sicheren Anlagen suchen werden.

Investment-Grade-Unternehmensanleihen dürften im Vergleich zu Staatsanleihen überdurchschnittliche Renditen bieten, da die Spreads bei stabilem Wirtschaftswachstum begrenzt bleiben, so Morris.

„Während die Zinsaufschläge sowohl in den USA als auch in der Eurozone und sowohl für Investment-Grade- als auch für High-Yield-Anleihen eng sind, sind sie für Investment-Grade-Anleihen in der Eurozone relativ gesehen besser. Wir sind daher der Ansicht, dass diese Anlageklasse die besten risikobereinigten Renditen bietet.“