Ausblick Europa „Europas Banken sind die Hauptprofiteure des Quantitative Easing der EZB“
Herr Brugère-Trélat, wird Griechenland die Eurozone verlassen?
Philippe Brugère-Trélat: Es besteht ein kleines, aber reelles Risiko, dass die Verhandlungen mit Griechenlands Gläubigern scheitern, und die Tspiras-Regierung zu einem Austritt aus der Eurozone gezwungen sein wird. Ich glaube jedoch, dass sich ein Kompromiss finden lässt – der wahrscheinlich niemandem gefällt, aber Griechenland in der Eurozone belässt. Der Wille ist auf beiden Seiten vorhanden. Man sollte auch bedenken, dass Alexis Tspiras nicht das Mandat seiner Wähler hat, die Eurozone zu verlassen. Jüngste Umfragen zeigen, dass 75 Prozent der Griechen in der Eurozone bleiben wollen. Was mich jedoch beunruhigt, ist die mangelnde Erfahrung der neuen Regierung.
Wenn es doch zum Grexit kommt, was wären die Folgen?
Ein Austritt Griechenlands hätte nicht mehr den gleichen systemischen Effekt auf europäische Banken wie vor ein paar Jahren. Das liegt einfach daran, dass die griechischen Staatsschulden heute weitgehend in Händen des Internationalen Währungsfonds, der EZB und nationaler europäischer Zentralbanken sind. Für die griechische Wirtschaft wäre ein Austritt jedoch verheerend. Sie würde schnell kollabieren und wäre nicht mehr in der Lage, für Importe von Öl, Rohstoffen, Nahrungsmitteln oder Medizin zu zahlen. Der Rest der Eurozone wäre wirtschaftlich nur minimal betroffen. Allerdings hätte der Austritt politisch negative Folgen. Große Unsicherheit und ein Vertrauensverlust in die Eurozone als Institution wären wahrscheinlich. Die Märkte würden spekulieren, wer der nächste Austrittskandidat ist, und die Spreads von Ländern wie Portugal oder Spanien würden wieder deutlich steigen. Auch die Aktienmärkte würden zweifellos in Mitleidenschaft gezogen werden.
Abgesehen von Griechenland – wie sind die Aussichten für Europa?
Es herrscht noch sehr viel Pessimismus über die wirtschaftliche Erholung Europas. Ich bin jedoch sicher, dass Europa dieses Jahr positiv überraschen wird. Die systemische Krise ist vorüber. Das hat sich in der letzten Zeit gezeigt: Trotz der Unsicherheiten über Griechenland sind die Spreads in Ländern wie Portugal, Italien oder Spanien nicht gestiegen. Im Gegenteil, sie haben sich eher weiter verengt. Die Ansteckungsgefahr scheint vorbei. Spanien und Irland zum Beispiel sind auf gutem Erholungskurs.
Das heißt, auch die Aktienmärkte laufen weiter nach oben?
Die Aktienmärkte in Europa werden von einer ungewöhnlichen, aber wirksamen Kombination aus drei Faktoren profitieren: Ein schwacher Euro, der einen wichtigen, aber stark unterschätzten positiven Einfluss auf die Unternehmensgewinne hat. Ein Ölpreis, der sich in den vergangenen Monaten mehr als halbiert hat, und von dem sowohl Verbraucher durch niedrigere Benzinkosten als auch Unternehmen durch niedrigere Herstellungskosten profitieren. Und der dritte Faktor ist das umfangreiche und zeitlich unbegrenzte Quantitative-Easing-Programm, das die EZB diese Woche gestartet hat.
Wie bereiten Sie Ihren Fonds auf diese Aussichten vor, welche Sektoren bevorzugen Sie?
Der Fonds ist in die großen exportorientierten Gesellschaften investiert, in Unternehmen vor allem aus dem Industriesektor, die überdurchschnittlich auf ein besseres wirtschaftliches Umfeld reagieren. Wir mögen auch europäische Banken. Denn sie sind die Hauptprofiteure des Quantitative Easing. Trotz des zu erwartenden Drucks auf ihre Nettozinsmarge, glaube ich, dass Banken von einer wieder anlaufenden Kreditvergabe, deren erste Anzeichen schon zu erkennen sind, und den niedrigeren Kreditkosten profitieren. Ebenso mögen wir Einzelhändler wie etwa Metro und aus dem Freizeitbereich zum Beispiel den Hotelkonzern Accor. Telekommunikation-Unternehmen profitieren unserer Ansicht nach von einem freundlicheren regulatorischen Umfeld, dem starken Wachstum im Datenverkehr und einer Konsolidierungswelle, die die Wettbewerbssituation für die großen Player wie zum Beispiel Vodafone verbessert.
Wo sind Sie vorsichtig?
Wir halten uns von den sogenannten „defensiven“ Aktien aus der Branche Konsumgüter fern. Diese haben sich im vergangenen Jahr gut entwickelt und werden meiner Ansicht nach jetzt mit einem sehr hohen Aufschlag gegenüber dem Markt gehandelt.