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Autokrise ohne Ende
Deutschland braucht eine neue Wachstumslokomotive
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Von in MärkteLesedauer: 10 Minuten
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Ein zweites Zwischenfazit lautet daher: Mit der Transformation zum E-Auto werden die deutschen Hersteller weltweit Marktanteile verlieren – vor allem in China. Gleichzeitig wird sich die Produktionsverlagerung ins Ausland fortsetzen. Allein hieraus lässt sich ein Einbruch in der Wertschöpfung des deutschen Fahrzeugbaus in den nächsten fünf bis zehn Jahren zwischen 30 und 40 Prozent ableiten.

Fahrzeugbau wird zur Wachstumsbremse

Dies gilt umso mehr, als die deutschen Zulieferer noch stärker als die Endhersteller unter Druck stehen. Sie leiden nicht nur darunter, dass ihre wichtigsten Kunden Marktanteile verlieren. Hinzu kommt, dass die Zulieferindustrie die bedeutendste Komponente des Elektrofahrzeugs – die Batterie – nicht selbst fertigt. Zumindest das Herzstück wird in Asien hergestellt. Nicht umsonst ist der Batteriehersteller CATL mittlerweile der viertgrößte globale Autozulieferer und es ist nur eine Frage der Zeit, wann er ganz an der Spitze steht und damit Bosch und ZF verdrängt. Natürlich werden die Asiaten auch in Deutschland Batterien produzieren. CATL hat damit bereits begonnen. Dies dürfte aber bestenfalls eine Teilkompensation sein.

Auch in der deutschen Zulieferindustrie werden daher aller Voraussicht nach 30 bis 40 Prozent der Wertschöpfung in den nächsten Jahren verschwinden. Entsprechend groß – also 250.000 bis 300.000 – wird der Aderlass beim Personal der Autobranche sein, wobei in dieser Rechnung die angrenzenden Sektoren wie die Metallindustrie noch nicht berücksichtigt sind.

 

Alles in allem gilt selbst für den Fall, dass es den deutschen Premiumherstellern gelingt, attraktive und preislich wettbewerbsfähige E-Autos zu fertigen, dass in den nächsten Jahren viel Wertschöpfung in Deutschland verloren geht. Erstens werden die deutschen Hersteller Marktanteile an chinesische, amerikanische und andere asiatische Produzenten verlieren. Zweitens wird weitere Produktion ins Ausland abwandern und drittens werden wichtige Komponenten (Batterie und Software) des E-Autos nicht (oder nur unzureichend) in Deutschland gefertigt.

Damit steht im Fahrzeugbau ein kompletter Wandel an. Wie eingangs erwähnt, war die deutsche Autoindustrie in den Jahren 2000 bis 2018 der zentrale Wachstumstreiber für Deutschland. Die Wertschöpfung hat um durchschnittlich knapp 6 Prozent jährlich zugelegt. In den kommenden zehn Jahren dürfte die Wertschöpfung jedoch – unter sehr konservativen Annahmen – um 2 bis 3 Prozent pro Jahr schrumpfen. Allein aus dieser Entwicklung heraus wird das deutsche Produktionspotenzial im Vergleich zu den 2000er Jahren und 2010er Jahren um rund 0,75 Prozentpunkte pro Jahr nach unten gedrückt. Hinzu kommen weitere negative strukturelle Effekte wie der demografische Wandel. In der Summe bleibt ein Potenzialwachstum, das kaum noch über der Nulllinie liegt.

Unternehmerische Kräfte neu entfesseln

Will Deutschland nicht auf Jahre in der Stagnation verharren, braucht es somit einen neuen Wachstumsmotor. Es liegt auf der Hand, diesen weiterhin im verarbeitenden Gewerbe oder im industrienahen Dienstleistungssektor zu suchen, wo das Reservoir an Fachkräften und Forschungskapazitäten am größten ist. Neben dem Fahrzeugbau befindet sich jedoch auch die energieintensive Industrie in einer Strukturkrise. Potenzial wäre zweifellos in der Elektro- und der Computerindustrie vorhanden, die zusammen einen Anteil an der deutschen Industrie von 13 Prozent haben, aber auch hier ist die Belebung der Vorjahre zuletzt ins Stocken geraten.

Die neue Regierung sollte also nicht nur auf staatliche Subventionen, sondern vor allem auf die Entfesselung unternehmerischer Kräfte setzen. 

Die meisten Politiker meinen, Deutschland sollte zum Mekka der erneuerbaren Energien werden, weshalb hier bereits viel Fördergeld verteilt wurde und noch in der Pipeline steckt. Die damit verbundene Industrie (unter anderem im Bereich der Energiewirtschaft, der Elektrotechnik und im Maschinenbau) wird sich aber auf Dauer nur in Deutschland ansiedeln, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. Solange dies nicht der Fall ist, werden Solarpanels, Wärmepumpen und Windräder günstiger im Ausland produziert. Auch zur Ansiedlung der Halbleiter- und Batterieproduktion wurden zuletzt staatliche Subventionen genutzt. Bei Intel und Northvolt zeigt sich jedoch nunmehr, dass möglicherweise auf das falsche Pferd gesetzt wurde.

Man kann es drehen und wenden, wie man will, Politiker und Beamte wissen selten, wo die besten Investitionsmöglichkeiten lauern. Diese Entscheidung sollte man innovativen Unternehmern überlassen. Dabei ist es völlig egal, in welcher Branche die kreativen Köpfe tätig sind. Erinnert sei etwa daran, dass Nvidia zunächst Grafikchips für Spielkonsolen entwickelt hat. Die schöpferischen Kräfte sollten lediglich möglichst frei zur Entfaltung kommen können.

Dazu müssen sie jedoch auf ein optimales Umfeld treffen, das derzeit in Deutschland nicht gegeben ist. Die Probleme sind allgemein bekannt: zu hohe Energiekosten, eine ineffiziente Verwaltung, keine funktionierende Start-up-Finanzierung und ein komplexes Steuersystem mit zu hohen Steuersätzen. Hier besteht dringend Handlungsbedarf. Außerdem müssen die Verkehrswege saniert und die Schulen auf Vordermann gebracht werden.

Die neue Regierung sollte also nicht nur auf staatliche Subventionen, sondern vor allem auf die Entfesselung unternehmerischer Kräfte setzen. Mehr SAP, BioNTech, DeepL, TeamViewer, N26 und Co. sind erforderlich, ansonsten erodiert der Wohlstand in Deutschland in den nächsten Jahren massiv. Der Fahrzeugbau und andere althergebrachte Industriezweige, die zum Teil vor über 100 Jahren entstanden sind, richten es alleine jedenfalls nicht mehr. Es muss neue Wertschöpfung an anderer Stelle entstehen.

Quelle: Bantleon

Über den Autor:

Daniel Hartmann ist Chefvolkswirt beim Fondsanbieter Bantleon.

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