Aviva-Anleihen-Experte Joubeen Hurren
Die Zukunft der Rentenmärkte
Aktualisiert am 25.10.2018 - 11:08 Uhr
Joubeen Hurren, Leitender Manager bei Aviva Investor Foto: Aviva Investors
Echtzeit-Inflation, KI, Demografie: Technologischer Fortschritt, alternative Datenquellen sowie eine sich verändernde Nachfrage seitens der Investoren werden die Rentenmärkte verändern. Was, wenn in Zukunft die Inflation, die Kennzahl für Bondmanager schlechthin, in Echtzeit gemessen werden könnte? Was, wenn durch Künstliche Intelligenz der Handel immer weiter in den Fokus von Investmentstrategien rückt?
Nach dem Start 2017 sollte Neptune Echtzeit-Informationen über mehr als 14.500 unterschiedliche Wertpapiere mit einem Nominalwert von über 131 Milliarden US-Dollar aus über 26.500 Pre-Trade-Kauf- und Verkaufsindikationen am Tag ermitteln. Project Neptune ist damit ein erster Schritt, um die Liquidität wiederherzustellen, die institutionelle Anleger für umfangreiche Transaktionen so dringend benötigen.
Das Projekt ist zwar keine Handelsplattform, sondern ein weiterer Mosaikstein bei der Automatisierung von Transaktionen. Vorerst liegt der Schwerpunkt auf der Sichtbarmachung von Liquidität und der Schaffung von Voraussetzungen für gelungene Transaktionen – als Hilfsmittel für die Entscheidungsfindung...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Nach dem Start 2017 sollte Neptune Echtzeit-Informationen über mehr als 14.500 unterschiedliche Wertpapiere mit einem Nominalwert von über 131 Milliarden US-Dollar aus über 26.500 Pre-Trade-Kauf- und Verkaufsindikationen am Tag ermitteln. Project Neptune ist damit ein erster Schritt, um die Liquidität wiederherzustellen, die institutionelle Anleger für umfangreiche Transaktionen so dringend benötigen.
Das Projekt ist zwar keine Handelsplattform, sondern ein weiterer Mosaikstein bei der Automatisierung von Transaktionen. Vorerst liegt der Schwerpunkt auf der Sichtbarmachung von Liquidität und der Schaffung von Voraussetzungen für gelungene Transaktionen – als Hilfsmittel für die Entscheidungsfindung für Fondsmanager und ihre Handelspartner.
Auch der niederländische Finanzdienstleister ING setzt auf KI als Hilfsmittel und hat „Katana” auf den Markt gebracht, ein KI-gestütztes Handelssystem zur Unterstützung der Preisfindung. Hintergrund ist die Überzeugung, dass Menschen mit Unterstützung durch KI zu besseren Ergebnissen kommen als ohne.
Allerdings lassen Entwicklungen in anderen Bereichen des Finanzmarktes, etwa im Aktienbereich, vermuten, dass die vollständige Automatisierung auch im Fixed-Income-Bereich nicht mehr fern ist. Es wird vermutlich nicht mehr lange dauern, bis die algorithmen-basierten Technologien von Amazon, Netflix, Youtube und Alibaba mit ihren großen Datenmengen auch bei Asset-Management-Kunden zum Einsatz kommen, denen dann auf Basis ihrer Präferenzen und des bisherigen Kaufverhaltens Angebote gemacht werden.
Der Handel selbst wird damit zu einem immer wichtigeren Teil des Investitionsprozesses, viel wichtiger, als noch vor ein paar Jahren. KI und gesammelte Daten könnten mit Order- und Transaktionssystemen zusammengeführt werden, so dass der eigentliche Investmentprozess immer mehr mit dem Handel zusammenwächst.
Demografie als Schicksal
Ein weiterer Trend ist, dass Anleihen in Zukunft wohl einen immer größeren Teil in den Portfolios stellen werden – allein schon wegen der demografischen Entwicklung. Gleichzeitig wächst das Volumen von Staats- und Unternehmensanleihen. Das heißt, das Management von Ausfallrisiken wird immer wichtiger, so wichtig wie die eigentliche Rendite. Steigende Ausfallrisiken und die Nachfrage nach einem stetigen Einkommen im Alter in Einklang zu bringen, wird für Bondmanager die größte Herausforderung der kommenden Jahrzehnte sein.
Überstrapazierte Staatshaushalte stehen am Anfang einer ganzen Reihe von Veränderungen, auch die Einstellung zu Schulden wird eine andere sein. Die Phase der Einschränkungen in der Nachkrisenzeit, in der der Gürtel enger geschnallt werden musste und die Steuern stiegen, scheint derzeit zu Ende zu gehen. Wähler sind dieser Politik überdrüssig geworden, sie sehen sie als ständigen Angriff auf Arbeitsplätze und staatliche Leistungen.
Man spricht bereits von der „Great Divergence“, also einem großen Auseinanderklaffen zwischen den USA, wo die Finanzpolitik bereits lockerer geworden ist und die staatlichen Ausgaben steigen, und Europa, wo immer noch strenge Ausgabendisziplin herrscht. Dem „Fiscal Monitor“ des Internationalen Währungsfonds zufolge werden die USA 2023 ein Schulden-zu-BIP-Verhältnis von 117 Prozent haben. Das entspräche den Plänen der aktuellen italienischen Regierung für Italien.
Doch auch in Europa beginnt sich der Wind zu drehen: Der Aufstieg populistischer Bewegungen wie die Fünf-Sterne-Bewegung in Italien, die höhere Staatsaugaben und ein bedingungsloses Grundeinkommen versprechen, sind erste Anzeichen. Angesichts dieser neuen Risiken können sich Investoren von Staatsanleihen nicht mehr unbedingt auf eine solide Finanzpolitik verlassen, selbst bei großen Ländern.
Wie ernsthaft die Lage ist, wird durch den rückwärtsgewandten Blick auf die Schulden-zu-BIP-Verhältnisse zudem noch verschleiert. Nicht berücksichtigt werden nämlich Verpflichtungen für die Zukunft in Form von Sozial- und Gesundheitsausgaben sowie Rentenversicherungen und Pensionen. Dem World Economic Forum (WEF) zufolge werden die sechs größten Altersvorsorgesysteme der Welt, das der USA, Großbritannien, Japan, der Niederlande, Kanada und Australien, 2050 eine Lücke von 224 Billionen US-Dollar aufweisen. Nimmt man noch China und Indien dazu, die bevölkerungsreichsten Länder der Welt, kommt man sogar auf ein Defizit von 400 Billionen US-Dollar, was 500 Prozent des globalen BIP zu diesem Zeitpunkt entsprechen würde. Das wird „die Einkommen der künftigen Generationen gefährden und die Industrieländer mit der größten Krise ihres Altersversicherungssystems in der Geschichte konfrontieren“, schreibt das WEF.
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