LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in MeinungenLesedauer: 4 Minuten

Baader-Bank-Chefanalyst Robert Halver Neue Ölkrise - berechtigte Sorge oder nur Sturm im Ölfass?

Seite 2 / 2

Amerika ist wirklich geschockt, mit welch geringem Aufwand höchst möglicher Schaden angerichtet werden kann, ohne geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Drohnenattacken haben ab sofort ein sehr reales Bedrohungsszenario für die Ölversorgung aus dem Golf geschaffen. Daneben ist die Straße von Hormus, über die knapp ein Drittel der seeseitigen Ölexporte und knapp 20 Prozent der weltweiten Produktion verschifft wird, ein Nadelöhr, das die Iraner so mühelos kontrollieren wie Löwen eine seltene Wasserstelle in der Wüste.

Wie wahrscheinlich ist ein Krieg im Persischen Golf?

Grundsätzlich würde ein amerikanischer Vergeltungsschlag auf den hochgerüsteten Iran das Pulverfass Mittlerer Osten explodieren lassen, wo unterschiedlichste Interessen zahlreicher Konfliktparteien unmittelbar aufeinanderprallen. Amerika müsste mit hohen Verlusten rechnen. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die USA mit „Befreiungsaktionen“ - siehe Vietnam, Irak, Afghanistan - so schlechte Erfahrungen gemacht, dass mittlerweile selbst hartgesottenen republikanischen Wählern Federn von Friedenstauben wachsen. Gerade deswegen hat Trump seiner Anhängerschaft ja versprochen, Amerika werde die Rolle als Weltpolizist abgeben und keine großen neuen Militärinterventionen mehr eingehen. Und tatsächlich hat Trump bereits im Juni auf vermeintlich iranische Angriffe auf Tanker im Golf nicht mit der Feuerung von Raketen, sondern später mit der von seinem außenpolitisch scharfmachenden Sicherheitsberater John Bolton reagiert.

Überhaupt, ein vermutlich ewig dauernder Militärkonflikt mit dem Iran würde über schwerste geopolitische Verunsicherungen mit allerhöchsten Ölpreisen weltweit den Investitionsappetit von Unternehmen und die Kauflust der Verbraucher förmlich torpedieren. In den USA würde die Konjunktur in den industrialisierten Bundesstaaten geschwächt, wo Trump treue Wähler hat. Das amerikanische Fracking-Angebot wird zwar laufend besser, kann aber aufgrund unbefriedigender Logistik noch nicht ausgleichend wirken. Lässt schließlich die US-Rezession auch noch die Aktienkurse fallen, kann Trump seine Chancen auf Wiederwahl im Persischen Golf versenken.

Risiken zu teuer

Bei aller Irrationalität, ein politischer Selbstmörder ist der gute Donald sicher nicht. Die Risiken eines Iran-Kriegs sind Trump grundsätzlich viel zu hoch und viel zu teuer. Selbst wenn Trump zur Wahrung einer Position der Stärke Kriegsschiffe zum Schutz der Tanker in den Golf schickt, der Regimewechsel des Erzfeindes Iran ist weg vom Washingtoner Tisch.

Vor diesem Hintergrund scheint die Anwendung der Nordkorea-Strategie für Teheran sinnvoll zu sein. Ein Interessenausgleich mit dem Iran ist die einzig vernünftige Handlungsoption für die US-Regierung. So könnte der Iran u.a. eine Lockerung der wirtschaftlich schmerzenden (Öl-)Boykottsanktionen erreichen.

Unter Abwägung all dieser Argumente spricht wenig für eine neue Ölkrise. Namhafte Wirtschaftsinstitute kommen übrigens zum Ergebnis, dass die Weltkonjunktur selbst bei einem gegenüber Voranschlags-Niveau um 20 Prozent gestiegenen Ölpreis lediglich um 0,1 Prozent 2020 und um 0,2 Prozent 2021 einbüßen würde.

Ölkrise sieht anders aus.


Über den Autor:
Robert Halver ist Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion