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Baader-Bank-Chefanalyst Robert Halver „Zunächst kommen alle in den gleichen Sack“

Fühlt sich an die letzten Züge des osteuropäischen Sozialismus erinnert: Baader-Bank-Chefanalyst Robert Halver
Fühlt sich an die letzten Züge des osteuropäischen Sozialismus erinnert: Baader-Bank-Chefanalyst Robert Halver | Foto: Baader Bank

Die Währung ist der Aktienkurs eines Landes. Angesichts des aktuellen dramatischen Verfalls der türkischen Lira haben wir es also mit einem „Mega-Aktiencrash“ zu tun. Dabei war das Land früher ein wahrer Outperformer, ein Aktienstar. In seiner Amtszeit als Ministerpräsident ab 2002 hat ein gewisser Herr Erdogan eine marode türkische Volkswirtschaft mit harten Wirtschaftsreformen in eine blühende Landschaft verwandelt. Doch dann wiederholten sich die typischen Fehler von Schwellenländern. Um hohes Wirtschaftswachstum - und persönliches Ansehen beim Wahlvolk - zu erreichen, folgte hemmungsloses Kreditwachstum von Unternehmen und Privatpersonen mit staatlichen Garantien, die risikoblind machten. Und die türkische Notenbank wurde als Gelddruckmaschine für eine überspendable, auf Pump lebende Finanzpolitik missbraucht.

Grafik: Geldmenge und Kreditvolumen in der Türkei

An der so steigenden Inflation und allmählichen Lira-Abwertung störte man sich nicht. Man genoss die Vision der Türkei als Exportland. Eine zinserhöhungsbedingte Aufwertung des Dollars, die schon früher zu Kapitalfluchten aus den Schwellenländern führte, wurde verniedlicht. In Ankara glaubte man, dass auch die USA ihren Außenhandel über eine schwache Währung stimulieren wollten. Insofern hatte man auch keine Hemmungen, sich massiv an zinsgünstigen Auslandskredite aus Amerika, aber auch der Eurozone zu laben, der man ebenso Währungsdumping unterstellte.

Aber spätestens als Trump Importzölle auf türkische Aluminium- und Stahlimporte als Sanktion für die „Christenverfolgung“ von US-Pastor Andrew Brunson erhob, nahm der Währungsverfall der Lira fatal Fahrt auf. Mittlerweile ist die Rückzahlung der türkischen Auslandskredite in Höhe von 250 Milliarden Dollar fraglich. Eine wirkliche Erholung der Lira ist im Status Quo nicht möglich. Denn das türkische Trio Infernale aus dramatischem Leistungsbilanzdefizit, überbordender privater und Auslandsverschuldung lockt keine ausländischen Investoren an, die sich wie auf einem türkischen Basar weltweit die besten Anlageobjekte aussuchen können. Selbst die türkische Bevölkerung tauscht Lira gegen Hartwährungen ein, solange es noch erlaubt ist. Und die Auslandsreserven der Türkei schmelzen wie Eis in der Sonne.  

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Der türkische Staatspräsident sucht die Schuld bei den Wirtschafts- und Währungskriegern vor allem aus den USA, nicht bei seinem eigenen Spiegelbild. Diese Verschwörungstheorien erinnern an die letzten Züge des osteuropäischen Sozialismus. Es fehlt die Erkenntnis, dass die Krise selbstverschuldet ist und daher auch selbst angepackt werden muss.

Erdogan lebt in seiner eigenen Wirtschafts- und Finanz-Welt

Doch wer zu spät kommt, den bestraft das (wirtschaftliche) Leben. Alle notwendigen Maßnahmen, die eine stabile Seitenlage der türkischen Wirtschaft erreichen sollen, verursachen mittlerweile Schmerzen. Es müssten drastische Zinserhöhungen her, die die Lira zwar stabilisieren und die Inflation bekämpfen würden. Dieser Zinsschock könnte jedoch die völlig überschuldete türkische Wirtschaft in eine Rezession treiben. Erdogan verteidigt ohnehin weiter seine unorthodoxe Meinung, dass Zinserhöhungen die Inflation treiben. Dabei hat unsere Deutsche Bundesbank 50 Jahre lang bewiesen, dass stabilitätsorientierte Zinspolitik Inflation erfolgreich bekämpft und die Deutsche Mark nachhaltig gestärkt hat. Käme es sogar zu Zinssenkungen, werden die Folgen leider noch mehr Währungsabwertung und Inflationierung sein.

Finanzhilfen des Internationalen Währungsfonds würden massive Gegenleistungen nach sich ziehen. Länder wie Thailand, Argentinien und Griechenland waren anschließend lange Zeit nicht mehr finanzpolitisch souverän. Die USA als größter Beitragszahler des IWF könnten sogar eine Verweigerungspolitik gegen Ankara betreiben. Der türkische Staatspräsident wird sich diesen „Erniedrigungen“ niemals beugen.

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