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Wiens kritisiert Kosten, fehlenden Kundennutzen und IT
Bafin-Rundumschlag gegen Lebensversicherer
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Wiens kritisiert Kosten, fehlenden Kundennutzen und IT Bafin-Rundumschlag gegen Lebensversicherer

Julia Wiens
Julia Wiens ist seit Januar 2024 Exekutivdirektorin für den Geschäftsbereich Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). | Foto: BaFin / Matthias Sandmann

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat die deutschen Lebensversicherer erneut gerügt. Bafin-Exekutivdirektorin Julia Wiens sagte beim gestrigen „Strategiemeeting Lebensversicherung“ des „Handelsblatts“ in Düsseldorf mit Blick auf die Lebensversicherer: „Sie sollen den Absicherungsbedürfnissen und den Renditeerwartungen der Versicherten gerecht werden. Das klingt doch eigentlich wie eine Selbstverständlichkeit (...) Ist es aber leider nicht.“

Kein ausreichender Kundennutzen

Bei der Frage, ob ihre Produkte einen angemessenen Kundennutzen schaffen, müssten mehrere Unternehmen laut Wiens dringend nachbessern. Praktiken, die einseitig zulasten der Kunden gehen, seien nicht akzeptabel. Sie drohte mit drastischen Konsequenzen. Man könne beispielsweise den Vertrieb von Produkten untersagen oder Maßnahmen gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern verhängen, wenn deren fachliche Eignung angesichts von Missständen infrage steht.

Große Probleme bei Einhaltung der Wohlverhaltensregeln

Die Bafin hatte im Mai vergangenen Jahres ihr Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten veröffentlicht und darin dargelegt, was sie von den Unternehmen erwartet. Die Wohlverhaltensaufsicht soll dafür sorgen, dass neben der Stabilität des Versicherers, die im Fokus der Solvenzaufsicht steht, der Kundennutzen der Produkte ausreichend berücksichtigt wird. Parallel dazu hatte die Aufsicht verschiedene Aspekte der Produkte analysiert, darunter die Effektivkosten, die Abschlussprovisionen und die Stornoquote, und dabei Ausreißer identifiziert. Weitere Hintergrundinformationen dazu hat die Bafin aktuell hier veröffentlicht. 

13 der rund 90 deutschen Lebensversicherer, die besonders auffällig geworden waren, hat die Bafin mittlerweile einer wohlverhaltensaufsichtlichen Prüfung unterzogen. Weitere sollen folgen, kündigte Wiens ab. Das bisherige Ergebnis: Neben formalen Defiziten, zum Beispiel im Produktfreigabeverfahren,  genügten manche Versicherer bei Weitem nicht den Vorgaben Bafin-Merkblatts. „Was wir bislang herausgefunden haben, entspricht nicht unseren Erwartungen“, sagte Wiens.

Effektivkosten laut Bafin oft viel zu hoch

Dabei gehe es der Behörde insbesondere um die Höhe der Effektivkosten und den Vertrieb von Produkten außerhalb des Zielmarkts. Die Effektivkosten geben an, wie stark die jährliche Rendite durch die Kosten gemindert wird. Bei den Produkten mehrerer Unternehmen betrugen sie zum Zeitpunkt, zu dem die Hälfte der Versicherten ihre Verträge vorzeitig gekündigt hatte, vier Prozent oder mehr. Die Unternehmen müssten also mit den dazugehörigen Kapitalanlagen eine Rendite mindestens in derselben Höhe erwirtschaften, damit die Kunden davon profitierten.

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„Wenn die Effektivkosten so hoch sind, müssen die Versicherer prüfen, ob zumindest für diejenigen Kundinnen und Kunden das Renditeziel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreicht wird, die ihren Vertrag ab dem genannten Zeitpunkt kündigen“, sagte Wiens. Nur dann könne von einem angemessenen Kundennutzen des Produkts die Rede sein. Kritik äußerte sie auch an der Praxis von Rückvergütungen, die Fondsgesellschaften an die Vertriebspartner von Lebensversichern zahlen. Sie erscheinen der Bafin bei einigen fondsgebundenen Produkten „mehr als fragwürdig“. 

Kritik an Stornoquoten in Frühphase der Vertragslaufzeit

Einige Lebensversicherungsprodukte seien zudem mit sehr hohen Stornoquoten aufgefallen – speziell in den ersten Jahren nach Vertragsabschluss, in denen ein großer Teil der Kosten anfällt. Für solche Produkte dürfte ein angemessener Kundennutzen laut Wiens nicht gegeben sein. Ein hohes Frühstorno könne ein Hinweis dafür sein, dass die betreffenden Produkte außerhalb des für sie bestimmten Zielmarktes vertrieben wurden. „Wenn ein angemessener Kundennutzen fehlt, wenn ein Produkt also nicht den Bedürfnissen des Zielmarkts entspricht, dann ist das ein Missstand“, stellte Wiens klar. Und wenn die Bafin Missstände feststelle, dann werde sie auch einschreiten.

 

Wiens fordert Versicherer zu IT-Investitionen auf

Ein weiteres Problem aus Bafin-Sicht ist der Bereich Informationstechnologie. IT-Störungen in den Unternehmen seien oft hausgemacht, zum Beispiel weil Systeme aus Kostengründen nicht rechtzeitig modernisiert werden. Doch dadurch stünde die Wettbewerbsfähigkeit und ein angemessener Schutz der Kundendaten aus dem Spiel. Parallel wachse die Bedrohung durch Cyber-Angriffe. Auch die zunehmende Konzentrationen von IT-Auslagerungen auf spezialisierte IT-Dienstleister, die für mehrere Versicherer arbeiten, erhöhe das Risiko im Fall einer Störung. Wiens forderte die Unternehmen hier zum Handeln auf.

Bafin-Prüfer „finden eigentlich immer etwas“

Einfacher dürfte es für die Branche nicht werden. 2025 tritt das europäische Regelwerk „Dora“ (Digital Operational Resilience Act) in Kraft. Die Verordnung führt einen ganzheitlichen Rahmen für ein effektives Risikomanagement, IKT- und Cybersicherheitsfunktionen, die Behandlung und Meldung von Störungen sowie für das Management von Drittanbietern ein. Wiens: „Ich weiß, IT-Prüfungen sind für viele von Ihnen unangenehm. Denn unsere Prüferinnen und Prüfer finden eigentlich immer etwas. Und wenn Lücken in der IT-Sicherheit bestehen, greifen wir ein.“ 

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