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  • Bafin legt zwei Studien zum Zertifikate-Markt vor

Von in Wertpapierberater (Retail-Banken)Lesedauer: 5 Minuten
Sparkassengebäude in Siegen, dahinter blitzt die Sonne hervor
Sparkassen haben in den letzten Jahren besonders fleißig Zertifikate an ihre Kunden vermittelt.

Schon seit mehreren Jahren brummt in Deutschland der Zertifikate-Markt. Die strukturierten Papiere sind gerade bei Privatkunden ein Absatzrenner. Zwischen Mitte 2022 und Mitte 2024 hat sich das Volumen, das hiesige Anleger in Zertifikaten halten, fast verdoppelt – nach Angaben des Bundesverbands für strukturierte Wertpapiere (BSW, ehemals DDV)  auf 106 Milliarden Euro. 

Vor allem Sparkassen und Volksbanken haben sich im Vertrieb von Zertifikaten hervorgetan. Kritische Marktbeobachter mahnen, dass Zertifikate für Anleger Risiken bergen und vergleichsweise teuer seien. Von ihnen profitiere vor allen Dingen der Vertrieb. Diesem Vorwurf ist die Bafin nun nachgegangen. In zwei unabhängigen Marktstudien hat die Aufsichtsbehörde zum einen Anlage-Zertifikate und zum anderen Turbo-Zertifikate untersucht.

Studie zu Anlage-Zertifikaten: „Keine systematische Fehlberatung“ 

Für die Untersuchung zu Anlage-Zertifikaten wurden von Mai 2024 bis Februar 2025 Hersteller und Vertriebsunternehmen von Zins- und Express-Zertifikaten befragt. Zusätzlich hörte sich die Bafin unter Banken- und Sparkassenkunden um, die solche Produkte gekauft hatten, und schickte Mystery-Shopper los. 

 

Im Ergebnis gibt es Entwarnung: „Es gab keine systematische Fehlberatung bei Anlage-Zertifikaten", heißt es von der Bafin. Die Institute hätten ihre Kunden nach der Zinswende nicht unzulässig zum Kauf solcher Zertifikate gedrängt. Die Kunden waren in der Regel auch zufrieden mit der Beratung durch Banken und Sparkassen. 

Mängel bei der Produktkonzeption und Verständnisprobleme

Trotz insgesamt positiver Ergebnisse identifizierte die Bafin auch Mängel: „Uns ist aufgefallen, dass einige Produkthersteller ihre Product-Governance-Pflichten nicht einhalten, also nicht ausreichend auf einen verantwortungsvollen Herstellungs- und Vertriebsprozess achten“, kritisiert Bafin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch. „Unter anderem haben sie Marktszenarien wie fallende oder steigende Kurse nicht vollständig betrachtet. Das ist bedenklich – gerade weil es sich um teilweise sehr komplexe Produktstrukturen handelt.“

Ebenso bei der Zielmarktdefinition – also der Festlegung, für welche Kundengruppen und unter welchen Marktbedingungen die Zertifikate verkauft werden sollen – hätten einige Unternehmen nicht mit der gebotenen Sorgfalt gearbeitet. Zudem fand die Finanzaufsicht Hinweise darauf, dass etwa 20 Prozent der Kunden die Funktionsweise und Risiken von Express-Zertifikaten nicht vollständig verstanden hatten.

„Express-Zertifikate haben komplexe Strukturen und viele Kunden wissen nicht, wie sie funktionieren“, meint Pötzsch. Vor allem die Rückzahlungsbedingungen und den zugrundeliegenden Basiswert sollten Privatanleger im Blick behalten. „Wenn sie das nicht tun, können sie nur schwer beurteilen, wie viel Risiko in solchen Produkten steckt“, so Pötzsch.

Weiterer Mangel: Die Institute hätten die Margen in den Kosteninformationen nicht einheitlich auswiesen – was aus Kundensicht nachteilig ist, da sich die Produkte dann schlechter vergleichen lassen.

Turbo-Zertifikate: Vor allem Verluste

Die Studie zu Turbo-Zertifikaten lief im Zeitraum 2019 bis 2023. Turbo-Zertifikate sind mit einem Hebel und einer Knock-Out-Schwelle ausgestattet. Kursschwankungen fallen also stärker aus, und über- oder unterschreitet der Basiswert einen festgelegten Wert, wird das Zertifikat wertlos. Die Bafin stellte fest: Das Marktvolumen in diesem Zertifikate-Segment hat sich im Untersuchungszeitraum fast verdreifacht. Es umfasste 113 Millionen Transaktionen von 543.000 deutschen Privatanlegern.

 

Bei Turbo-Zertifikaten fanden die Finanzaufseher tatsächlich gravierende Missstände: Drei von vier Kunden (74,2 Prozent) erlitten beim Handel Verluste – im Durchschnitt beachtliche 6.358 Euro. Insgesamt summierten sich die Verluste der Kunden in den fünf untersuchten Jahren auf 3,4 Milliarden Euro. „Wir sind sehr beunruhigt darüber“, kommentiert Pötzsch. Auch wenn Turbo-Zertifikate oft von eher erfahrenen Anlegern gekauft würden, sei auch hier der Anlegerschutz wichtig.

Bei dieser Kennzeichnung machte die Bafin Luft nach oben aus. Hersteller und Vertriebsunternehmen sollten die Risiken solcher Produkte ausreichend prominent und transparent aufzeigen, fordert Pötzsch.  Er meint jedoch auch: „Auf der anderen Seite haben auch Anleger eine Eigenverantwortung: Sie sollten die verpflichtenden Informationsdokumente aufmerksam lesen.“ 

Nächste Schritte der Bafin

„Viel Licht, aber auch viel Schatten“, fasst Pötzsch die Ergebnisse der beiden Zertifikate-Studien zusammen. Die Finanzaufsicht will Institute, bei denen sie Mängel identifiziert hat, nun schriftlich auffordern, diese abzustellen. Man wolle entsprechende Prüfungsschwerpunkte festlegen und das Thema auch mit Bankenverbänden besprechen. Zudem kündigt die Bafin an, Verbraucherinformation zum Thema Zertifikate  zu ergänzen und weitere Maßnahmen zum Anlegerschutz zu prüfen.

Die detaillierten Ergebnisse der Turbo-Zertifikate-Studie will die Finanzaufsicht spätestens im zweiten Quartal 2025 veröffentlichen.

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