- Startseite
- Versicherungen
-
Das EUGH-Urteil zur Gruppenversicherung anhand von 11 Fällen
Im Mai widersprach der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil der Auffassung der Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie der Finanzaufsicht Bafin, wann es sich um eine Versicherungsvermittlung handelt und wann nicht (DAS INVESTMENT berichtete). Denn wer Kunden für seine Gruppenversicherung wirbt und dafür in irgendeiner Form Gegenleistungen bekommt, ist Versicherungsvermittler und braucht dafür eine Erlaubnis. Das gilt laut BGH auch dann, wenn keine Provisionen im herkömmlichen Sinne fließen – und wenn die IHK und die Bafin in dem Geschäftsmodell keine Versicherungsvermittlung sehen. Dem BGH-Urteil lag ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) zugrunde.
Der Fall
Eine Firma besaß bei einem Versicherer eine Gruppenversicherung, die bei Unfall oder Krankheit im Ausland einsprang und auch den Rücktransport organisierte. Sie beauftragte Werbefirmen damit, neue Mitglieder für ihre Gruppenversicherung zu werben. Provisionen bekam sie dafür nicht, allerdings wurden alle Zahlungen über sie abgewickelt.
Da die Firma kein Versicherungsvermittler nach Paragraf 34d Gewerbeordnung (GewO) war, ließ sie sich von der IHK bestätigen, dass sie für diese Tätigkeit keine 34d-Erlaubnis brauchte. Auch die Finanzaufsicht Bafin sah in diesem Geschäftsmodell weder eine Vermittlung von Versicherungen noch den Betrieb eines Versicherungsgeschäfts.
Die Verbraucherschützer waren da anderer Auffassung. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (VZBV) sah in dem Geschäftsmodell eine erlaubnispflichtige Versicherungsvermittlung und klagte vor dem Landgericht (LG) Koblenz auf Unterlassung.
„Die versprochenen Leistungen werden aus dem Vermögen der Beklagten direkt und über von der Beklagten an ihre Kunden abgetretene Ansprüche aus einer Gruppenversicherung erbracht“, argumentierten die Verbraucherschützer. Die Beklagte habe einen Vertrag mit einem Dienstleister abgeschlossen, der ihr im Versicherungsfall medizinisches Personal und Fluggerät zur Verfügung stellt sowie einen rund um die Uhr besetzten Notfalltelefondienst betreibt. Dafür bekomme der Dienstleister von der Beklagten eine Vergütung, die Beklagte kassiere die Leistungen aus der Gruppenversicherung – und könne gegebenenfalls die Differenz einstecken.
Auch wenn bei der Vermittlung der Gruppenversicherung ansonsten keine Provisionen fließen, sieht die VZBV darin eine gleichwertige Gegenleistung und geht daher von einer erlaubnispflichtigen Versicherungsvermittlung aus. Auch die Tatsache, dass das beklagte Unternehmen sich zuvor sowohl von der IHK Koblenz als auch von der Bafin bestätigen ließ, dass sein Geschäftsmodell nicht erlaubnispflichtig sei, ändert daran nach Auffassung der Verbraucherschützer nichts. Da weder die Beklagte noch die von ihr beauftragten Werbefirmen keine 34d-Erlaubnis besitzen, handelten sie wettbewerbswidrig, so die Klagebegründung.
Das BGH-Urteil
„Die Beklagte ist Versicherungsvermittler im Sinne von § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO und bedarf deshalb der Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer“, entschied der BGH (Aktenzeichen: I ZR 8/19). Zuvor beriet sich das oberste deutsche Zivilgericht mit dem Europäischen Gerichtshof (EUGH). Die EUGH-Richter bestätigten, dass es sich beim Werben um Mitglieder in einer eigenen Gruppenversicherung um erlaubnispflichtige Versicherungsvermittlung handelt. Dabei beriefen sie sich auf die Richtlinie 2002/92/EG.
Nach Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2002/92/EG ist "Versicherungsvermittler" jede natürliche oder juristische Person, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gegen Vergütung aufnimmt oder ausübt. Vergütung kann dabei „jede Gegenleistung finanzieller Art sein oder jede andere Form eines wirtschaftlichen Vorteils, der zwischen den Parteien vereinbart wurde und an die Leistung geknüpft ist“, so der BGH.
Aufsichtsmitteilung der Bafin
Am Montag reagierte nun die Bafin auf das BGH- und das EUGH-Urteil. Die deutsche Finanzaufsicht erklärte in ihrer Aufsichtsmitteilung , welche Auswirkungen die Urteile auf den Vermittlerstatus des Versicherungsnehmers eines Gruppenversicherungsvertrages in unterschiedlichen Konstellationen haben würde. Zum besseren Verständnis stellte die Behörde die jeweiligen Auswirkungen anhand von elf Beispielfällen dar. Diese findest du in unserer Bildstrecke.
Fall 1: Unfallversicherung eines Sportvereins
Fall 1: Ein Sportverein ist Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung für Unfälle im Sportbetrieb, die für jedes Mitglied ab Beitritt gilt (obligatorische Einbeziehung).
- Variante 1: Der Verein belastet jedes Mitglied nur mit dem Vereinsbeitrag.
- Variante 2: Der Verein belastet jedes Mitglied mit dem Vereinsbeitrag zuzüglich eines Aufschlags für den Versicherungsschutz.
- Variante 3: Wie Variante 2, der Verein wirbt aber zusätzlich für die Versicherung.
Bafin-Einschätzung:
Variante 1: Nach den genannten Kriterien des EuGH besteht keine Tätigkeit des
Versicherungsnehmers als Versicherungsvermittler. Der Sportverein erhält kein zusätzliches
Entgelt für die Versicherung, so dass keine Vergütung vorliegt. Zusätzlich liegt kein
freiwilliger Beitritt vor, da eine Vereinsmitgliedschaft ohne Unfallversicherung nicht möglich
ist.
Variante 2: Es besteht keine Tätigkeit als Versicherungsvermittler. Sofern der Verein einen
Aufschlag zum Beitrag nur in der Höhe erhebt, in der er selbst die Versicherungsprämie an
den Versicherer zahlen muss, fehlt es am wirtschaftlichen Vorteil und damit am Merkmal der
Vergütung. Zusätzlich liegt kein freiwilliger Beitritt vor, da eine Vereinsmitgliedschaft ohne
Unfallversicherung nicht möglich ist.
Variante 3: Der Versicherungsnehmer wird nicht als Versicherungsvermittler tätig. Es gelten
die Ausführungen zu Variante 2. Es ist auch unschädlich, dass der Sportverein Werbung mit
der Versicherung macht. Hauptzweck der Vereinstätigkeit ist der Sport und nicht die
Verschaffung oder Erlangung von Versicherungsschutz.