Volkswirt Henning Vöpel
Die Bankenkrise steht erst am Anfang
Henning Vöpel ist Direktor des Centrums für Europäische Politik. Foto: Centrum für Europäische Politik
Eine Bankenkrise können Notenbanken derzeit nicht gebrauchen. Denn die Retter der letzten eineinhalb Jahrzehnte sind mit der Bekämpfung der Inflation bereits voll ausgelastet. Jedoch schossen sie zuletzt so viel Geld ins System, dass sich Risse auftun.
Die jetzige Zinswende kam so schnell, dass das Finanzsystem kaum Zeit zur Anpassung hatte – zumal Zentralbanken die Erwartung geschürt hatten, dass sie auf absehbare Zeit gar nicht nötig sei. Nun aber drohen auf der Aktivseite massive Wertberichtigungen bei den zuvor stark inflationierten Vermögenswerten – und womöglich eine dadurch ausgelöste Bilanzkrise.
Zentralbanken bevorzugen aus diesem Grund den allmählichen, lange vorbereiteten Kurswechsel. Dafür aber ist nun – auch aus eigenem Verschulden – keine Zeit mehr. Jetzt, wo das engere geldpolitische Mandat plötzlich wieder greift, geht die Stabilitäts- und Haftungsverantwortung wieder auf einzelwirtschaftliche Akteure zurück – wo sie...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die jetzige Zinswende kam so schnell, dass das Finanzsystem kaum Zeit zur Anpassung hatte – zumal Zentralbanken die Erwartung geschürt hatten, dass sie auf absehbare Zeit gar nicht nötig sei. Nun aber drohen auf der Aktivseite massive Wertberichtigungen bei den zuvor stark inflationierten Vermögenswerten – und womöglich eine dadurch ausgelöste Bilanzkrise.
Zentralbanken bevorzugen aus diesem Grund den allmählichen, lange vorbereiteten Kurswechsel. Dafür aber ist nun – auch aus eigenem Verschulden – keine Zeit mehr. Jetzt, wo das engere geldpolitische Mandat plötzlich wieder greift, geht die Stabilitäts- und Haftungsverantwortung wieder auf einzelwirtschaftliche Akteure zurück – wo sie eigentlich hingehört. Womöglich kommt die Wende aber zu spät, denn nun entsteht nach der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS paradoxerweise eine noch größere Bank mit noch größerem Risiko.
Große Banken können nur schwer gerettet werden
Vom Risikoforscher Taleb stammt die wunderbare Beobachtung, dass in der Natur alles das, was zu groß geworden ist, immer die Fähigkeit verloren hat, plötzliche Veränderungen der Rahmenbedingungen zu überleben. Er leitet aus diesem Stabilitätsargument das Subsidiaritätsprinzip ab. „Too big to fail“ könnte also bald zu „too big to be saved“ werden. Dann haben wir ein richtiges Problem. Ein Problem, dessen Anfänge in die Vergangenheit zurückreichen – bis ins Jahr 2008.
„Whatever it takes“, der berühmte Satz des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi, charakterisiert wohl am besten den Politikansatz, der seit dem Jahr 2008 vorherrschte, als die Lehman-Pleite die Welt in den Abgrund zu stürzen drohte: Retten, als gäbe es kein Morgen. In einem Fiatgeldsystem kann eben nur die Zentralbank als Lender-of-last-resort in die ultimative Bresche springen. Unbedingter Gläubigerschutz aber ist auf Finanzmärkten, auf denen – anders als auf Gütermärkten – im Wesentlichen Erwartungen und Risiken gehandelt werden, fatal. Denn er setzt aus, was die Finanzmärkte eigentlich leisten sollen: einen effizienten, vorausschauenden und marktbasierten Umgang mit Risiken.
Die Politik kann Risiken nicht übernehmen
Gerade auf den Finanzmärkten ist die Politik des Whatever-it-takes kurzfristig verlockend und bequem, langfristig aber teuer und gefährlich, weil sie die Illusion nährt, Unsicherheit und Risiko als Grundtatbestand der Welt und des Wirtschaftens könnten politisch einfach übernommen werden. Das ist in hohem Maß sozial ungerecht und allokativ ineffizient, war aber lange der Fall. Der Krisenfall wurde zum Normalfall und Dauerzustand. Und genau hier kommt die Politik ins Spiel.
Durch die Aussetzung von Marktmechanismen haben sich bequeme, aber gerade deshalb so gefährliche Abhängigkeiten zwischen Bankenstabilität, Staatsschulden-Tragfähigkeit und Geldpolitik gebildet, die gerechtfertigt waren, als eine Kernschmelze der Finanzmärkte die Weltwirtschaft in ein Jahrzehnt tiefer Depression zu reißen drohte. Nun aber sind sie selbst zur größten Gefahr für die nächste Banken- und Finanzkrise geworden. Der Weg, der damals eingeschlagen worden war, wurde seitdem nie mehr verlassen und führte immer tiefer in die wechselseitige Abhängigkeit. Nun, da die Abhängigkeit schon systemisch ist, wird die Loslösung von ihr selbst zum Risiko.
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