Bantleon-Convertibles-Chef im Gespräch „Wandelanleihen sind jetzt das Beste aus zwei Welten“
Welche Entwicklung trauen Sie Wandelanleihen (Convertible Bonds) bis zum Jahresende und dann 2025 zu?
Oliver Gasser: Die Zinswende in der Eurozone und in den USA sollte die Kurse von Wandelanleihen wieder deutlich nach oben treiben. Das gilt vor allem für den US-amerikanischen Markt, weil die Aktien, die US-Wandelanleihen zugrunde liegen, besonders sensitiv auf Veränderungen der US-Staatsanleihen reagieren – stärker als Aktien aus dem Index S&P 500.
Und weil US-amerikanische Small und Mid Caps, die einen Großteil der Wandelanleihen begeben, relativ günstig bewertet sind und damit entsprechendes Aufholpotenzial haben. Zumal Unternehmen dieses Segments in den vergangenen drei Jahren ihre Gewinne stetig steigern konnten, also ihre Fundamentaldaten deutlich verbessert haben. Die Ausgangslage für Wandelanleihen ist auch deshalb sehr günstig, weil die Credit Spreads wesentlich höher sind als für High-Yield-Anleihen – trotz in der Vergangenheit deutlich tieferer Ausfallraten.
Grafik 1: Credit Spreads von Wandelanleihen deutlich höher als bei High Yields
Wie genau haben Convertibles nach Phasen mit Zinserhöhungen abgeschnitten?
Gasser: Bereits in den ersten sechs Monaten nach dem Ende von Zinserhöhungen wie 1995, 2000, 2006 und 2018/19 haben Wandelanleihen eine Gesamtrendite erzielt, die zwischen derjenigen von Aktien und konventionellen Anleihen lag. Wenn man diesen Beobachtungszeitraum auf 24 Monate erweitert, sind die Ergebnisse – je nach Wandelanleihensegment – ähnlich gut beziehungsweise sogar deutlich besser.
Insbesondere globale Wandelanleihen, aber auch das konzentriertere globale Focus-Subsegment, übertreffen globale Aktien und konventionelle Anleihen im Schnitt deutlich. Natürlich ist ein wesentlicher Teil dieser relativen Outperformance dem Jahr 2020 zuzurechnen, das in jeder Hinsicht außergewöhnlich stark ausfiel.
Tabelle 1: Wertentwicklung über 6 Monate – Aktien und Anleihe-Klassen im Vergleich
Tabelle 2: Wertentwicklung über 24 Monate – Aktien und Anleihe-Klassen im Vergleich
Vor allem 2022 war allerdings kein gutes Jahr für Wandelanleihen. Wo lagen die Ursachen?
Gasser: Damals belasteten zwei Faktoren Wandelanleihen: auf der Anleihenseite die steigenden Zinsen und auf der Aktienseite die Underperformance von kleinen und mittelgroßen (Wachstums-)unternehmen, welche zusammen zu den Hauptemittenten von Wandelanleihen gehören. Zudem konzentrierte sich die gute Performance am Aktienmarkt vor allem auf eine kleine Zahl erfolgreicher Unternehmen: Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia, Tesla und Meta. Und diese Großkonzerne gehören nicht zum Universum der Wandelanleihenemittenten.
Was spricht grundsätzlich dafür, dass Anleger für Wandelanleihen Platz in ihrem Depot schaffen sollten?
Gasser: Obwohl Wandelanleihen relativ komplex sind, lohnt sich eine Auseinandersetzung mit diesen hybriden Anleihen – vereinen sie doch die Vorteile von Anleihen und Aktien in einem Finanzinstrument und überzeugen mit einem asymmetrischen Risiko-Ertrags-Profil.
Während das Renditepotenzial üblicher Anleihenstrategien aufgrund des allgemein niedrigen Zinsniveaus derzeit begrenzt ist, profitieren Wandelanleihen zusätzlich von steigenden Aktienmärkten. Von Ende 1997 bis Ende 2020 haben Wandelanleihen gemessen am FTSE Global Convertible Index eine deutlich bessere Wertentwicklung erzielt als die konventionellen Anleihen- und Aktienmärkte. Die Performance von Wandelanleihen stach insbesondere bei außergewöhnlichen Marktkorrekturen und in den anschließenden Erholungsphasen heraus.
Mit einer annualisierten Rendite von plus 7,9 Prozent haben Wandelanleihen in diesem Zeitraum die Renditen globaler Aktien übertroffen, wobei ihre Volatilität wesentlich geringer war. Nach dem Einbruch Ende 2021 dauerte die Erholung länger – lediglich Wandelanleihen der Kreditqualität Investment Grade erholten sich relativ schnell.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Grafik 2: Wandelanleihen erzielen eine deutlich höhere Performance als andere Anleihen
Und wie schätzen Sie das Chancen-Risiko-Verhältnis von Wandlern gegenüber Staats- und Unternehmensanleihen?
Gasser: Ein Vergleich der Sharpe Ratios zeigt, dass Wandelanleihen aus der Risiko-Ertrags-Perspektive im Zeitraum 1997 bis 2020 hinter Staats- und Unternehmensanleihen zurückgeblieben sind. Der Grund sind die gesunkenen Zinsen in Verbindung mit der höheren Durchschnittsduration von Staats- und konventionellen Unternehmensanleihen.
Wenn man die historischen Renditen von Unternehmensanleihen in eine Zins- und eine Kreditkomponente unterteilt, wird deutlich, dass von 2010 bis 2020 die sinkenden Zinsen der wichtigste Renditetreiber für Unternehmensanleihen waren. Weil die Wertentwicklung von Wandelanleihen zu 80 Prozent durch die Aktienperformance beeinflusst wird, sollten Wandelanleihen von Small und Mid Caps von den bald wieder sinkenden Zinsen überdurchschnittlich stark profitieren.
Welche Gefahren müssen Anleger bei Wandelanleihen im Blick haben?
Gasser: Eine Wandelanleihe verhält sich je nach Umfeld an den Finanzmärkten wie eine Anleihe oder eine Aktie, daher müssen Anleger die mit Wandelanleihen verbundenen Risiken zu jedem Zeitpunkt genau beurteilen. Convertibles haben sowohl die üblichen Risiken von Aktieninvestments als auch die Risiken der Anleihenmärkte sowie optionsspezifische Risiken.
Das größte Risiko ergibt sich aus der Kombination von etwas geringerer Liquidität mit der Komplexität der Wandelanleihe. In Phasen massiver Marktverwerfungen wie in der Finanzmarktkrise 2008 kann es plötzlich zu akuten Liquiditätsschocks kommen, die sich auf weniger liquide und komplexe Produkte besonders stark auswirken. Das gilt vor allem dann, wenn wie bei Wandelanleihen auch Hedgefonds am Markt aktiv sind und plötzlich zu Verkäufen gezwungen werden.
Allerdings hat sich der Markt für Convertible Bonds seitdem deutlich weiterentwickelt, wie das Jahr 2020 gezeigt hat: Trotz Rückschlägen im Startquartal 2020 überstanden Wandelanleihen das erste Pandemiejahr mit Bravour.
Wie sind die Ausfallraten zu beurteilen?
Gasser: Die langfristige Ausfallrate von Wandelanleihen beträgt etwa ein Drittel der Ausfallrate von High-Yield-Unternehmensanleihen, gemessen am Zeitraum von 2003 bis 2024, obwohl das globale Wandelanleihenuniversum zu 21 Prozent aus High-Yield-Anleihen und nur zu 27 Prozent aus Investment-Grade-Anleihen besteht. 52 Prozent haben kein Rating.
Woran liegt das?
Gasser: Das hängt damit zusammen, dass typische Emittenten von Wandelanleihen Unternehmen sind, die sich in der frühen Wachstumsphase befinden und dabei primär mit Aktienkapital finanzieren. Folglich hat die Mehrzahl der Wandelanleihen-Emittenten keine weiteren Schulden in der Bilanz. Ein typischer Emittent wird auch keine weiteren Unternehmensanleihen emittieren und deshalb kein Rating brauchen. Weil Emittenten für Wandelanleihen tiefere Coupons als für herkömmliche Unternehmensanleihen zahlen müssen, ist zudem die Zinslast wesentlich geringer.
Sind ETFs eine gute Alternative zu aktiven Wandelanleihenfonds?
Gasser: Bei Investments in Wandelanleihen sollten Anleger ETFs meiden, weil diese im Durchschnitt deutlich schlechter abschneiden als aktiv gemanagte Pendants. Wichtige Gründe sind, dass durch die häufige Anpassung der Indexzusammensetzungen hohe Transaktionskosten entstehen und aktive Manager Sondersituationen (Corporate Actions/Special Situations) besser nutzen können. Zudem ist die Gesamtkostenquote (TER) von ETFs mit durchschnittlich 0,4 bis 0,5 Prozent nicht viel tiefer als die von aktiv gemanagten Wandelanleihenfonds, etwa 0,7 Prozent.
Über den Interviewten:
Oliver Gasser, Vorstandsvorsitzender (CEO) und Leiter Portfolio Management der Bantleon Convertible Experts AG.