Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé
Zentralbank auf dem Holzweg
Aktualisiert am 05.03.2020 - 14:55 Uhr
Schild vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt: Präsidentin Christine Lagarde setzt vorerst die Geldpolitik ihres Vorgängers Mario Draghi fort.
Europas Notenbankerin Christine Lagarde unterschätzt die Inflation in Deutschland und bewirkt mit ihrem quantitativen Lockerungsprogramm nicht viel, ist Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé überzeugt.
Wir halten es für wenig wahrscheinlich, dass die im September beschlossene zusätzliche geldpolitische Lockerung die Inflationsrate in den nächsten Jahren nennenswert erhöhen wird. Dies folgt aus einer im März 2019 veröffentlichten Studie, in der die EZB die Auswirkungen aller zwischen Mitte 2014 und Ende 2018 umgesetzten expansiven geldpolitischen Schritte auf das reale Bruttoinlandsprodukt sowie die Inflation quantifiziert.
Den Autoren zufolge lag der inflationserhöhende Effekt zwischen 2016 und 2019 bei kumuliert 1,77 Prozentpunkten. Den stärksten Niederschlag fanden die EZB-Maßnahmen demzufolge in den Jahren 2016 und 2017, während sich der Einfluss 2018 und 2019 deutlich abgeschwächt...
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Wir halten es für wenig wahrscheinlich, dass die im September beschlossene zusätzliche geldpolitische Lockerung die Inflationsrate in den nächsten Jahren nennenswert erhöhen wird. Dies folgt aus einer im März 2019 veröffentlichten Studie, in der die EZB die Auswirkungen aller zwischen Mitte 2014 und Ende 2018 umgesetzten expansiven geldpolitischen Schritte auf das reale Bruttoinlandsprodukt sowie die Inflation quantifiziert.
Den Autoren zufolge lag der inflationserhöhende Effekt zwischen 2016 und 2019 bei kumuliert 1,77 Prozentpunkten. Den stärksten Niederschlag fanden die EZB-Maßnahmen demzufolge in den Jahren 2016 und 2017, während sich der Einfluss 2018 und 2019 deutlich abgeschwächt hat (vgl. Abbildung 1). In diesem Jahr ist demnach nur noch mit einem positiven Effekt auf die Inflationsrate von 0,16 Prozentpunkten zu rechnen.
Die zwischen Mitte 2014 und Ende 2018 umgesetzten Maßnahmen zur geldpolitischen Lockerung umfassten die Senkung des Hauptrefinanzierungssatzes um 15 Basispunkte auf 0,0 Prozent, die Senkung des Einlagesatzes um 40 Basispunkte auf -0,4 Prozent, die Durchführung zweier Runden ultralanger Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) sowie den Kauf von Anleihen (Asset Purchase Programme, APP) im Umfang von 2.570 Milliarden Euro. Darüber hinaus wurde die sogenannte Forward Guidance, also der Zeitpunkt, ab dem die Leitzinsen wieder angehoben werden sollen, mehrfach in die Zukunft verschoben.
Neue Stimuli sind eher Päckchen als Paket
Demgegenüber nehmen sich die im September 2019 angekündigten Maßnahmen eher bescheiden aus. Das neue Anleihenkaufprogramm hat ein Volumen von monatlich 20 Milliarden Euro. Unter der Annahme, das Programm ende nach zwölf Monaten – also im Oktober 2020 – und würde in der Zwischenzeit nicht aufgestockt werden, beliefen sich die Anleihenkäufe kumuliert auf 240 Milliarden Euro.
Das entspricht gerade einmal rund 9 Prozent des in den Jahren 2014 bis 2018 gekauften Volumens. Zudem wurde die stimulierende Wirkung der Senkung des Einlagesatzes um 10 Basispunkte auf -0,5 Prozent durch die Einführung eines Freibetrages für bei der EZB gehaltene Überschussreserven zu einem guten Teil kompensiert.
So kletterte beispielsweise die Rendite zweijähriger deutscher Staatsanleihen seit der EZB-Sitzung am 12. September 2019 um 21 Basispunkte auf -0,63 Prozent. Die Neuauflage der TLTRO-Geschäfte dient in erster Linie wohl eher dazu, die auslaufenden Tranchen des TLTRO II zu ersetzen denn das Kreditvolumen auszuweiten.
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