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Bauch gegen Kopf Wie Behavioral Finance alte Muster der Beratung aufbricht

Beratungsgespräch
Beratungsgespräch: Nicht immer verhalten sich Kunden rein rational. | Foto: Imago Images / Westend61

„Ich möchte keinen perfekten Menschen, ich möchte auch nicht perfekt sein und ich glaube, dass die Perfektion der Tod des Menschen wäre“, lautet das Fazit vom Philosophen und Publizist Richard David Precht im Podcast Lanz & Precht (Folge 8 im Oktober 2021) zu Entscheidungen nach Wahrscheinlichkeiten, der Entzifferung des menschlichen Gehirns und der Perfektionierung des Menschen.

Doch genau das ist die zentrale Annahme der klassischen Ökonomie: der Homo oeconomicus sei rational, maximiere seinen Eigennutzen, sei frei von Emotionen und mache keine Fehler in der Informationsaufnahme und -verarbeitung.

Diese seit vielen Jahrzehnten gültigen und weit verbreiteten Annahmen stellt die Wissenschaft der Verhaltensökonomie mit ihrem Teilgebiet Behavioral Finance nun infrage, ja positioniert sich in weiten Teilen sogar gegensätzlich. Die Lehre der Behavioral Finance basiert dabei auf drei Kernthesen – und bringt damit das Bauchgefühl in die Wirtschaftswissenschaften:

  • Menschen streben nach vielschichtigen Zielen wie z. B. Macht, Einfluss oder Harmonie und auch – aber nicht nur – nach finanziellem Gewinn. 
  • Bei der tagtäglichen Aufnahme und Verarbeitung von Informationen können Fehler passieren – demzufolge sind diese nicht immer vollkommen. 
  • Unser Verhalten ist nicht immer frei von Emotionen und Motiven; diese können vielmehr Gründe für unser Verhalten sein und zeichnen das Menschsein aus. 

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Zusammengefasst und überspitzt dargestellt, ist die Verhaltensökonomie somit das Gegenteil der klassischen Ökonomie. Auf der einen Seite gibt es das Konzept des perfekten, rational handelnden Menschen ohne Emotionen. Auf der anderen Seiten das einer individuellen Person mit jeweils unterschiedlichen Zielen, eigenen kognitiven Prozessen und auch fehlerhaften Entscheidungen.

Warum man sich oft „falsch“ entscheidet

Die Modelle der Behavioral Finance nach Kahnemann und Tversky beschreiben einzelne Heuristiken (Faustformeln) und Bias (Verzerrungen), welche auch als irrationale Verhaltensmuster bezeichnet werden. Bei der Repräsentationsheuristik beispielsweise wird eine einzelne Information als Stellvertreter für eine ganze Gruppe von Informationen gesehen, sodass auf der Grundlage dieser Einzelinformation Aussagen über viele Ereignisse getroffen werden. Irrationale und vereinfachende Verhaltensmuster wie diese führen nach Kahnemann oftmals zu fehlerhaften Finanzentscheidungen.

Gigerenzer hingegen betrachtet Heuristiken als menschliche Entscheidungsprozesse, um effizienter Probleme zu lösen. Somit gibt es auch innerhalb der Verhaltensökonomie unterschiedliche Sichtweisen und Folgerungen zu Heuristiken und Bias. Unbeantwortet bleibt hingegen die Fragestellung, wie der Anleger sich entscheiden soll, welche „Wahrheit“ er für sich entdeckt und welchen Pfad er einschlagen möchte.  

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