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Linkedin-Debatte um BDVM: Kein gesetzlicher Provisionsdeckel

„Eigentor“, „Friendly Fire“, „Austreten“: Was der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) sich dieser Tage anhören muss, dürfte der Vermittlerverband, der für seine hanseatische Zurückhaltung bekannt ist, so noch nicht erlebt haben. Die Reaktionen anderer Vermittlerverbände zum BDVM-Vorstoß eines Provisionsdeckels von 2,5 Prozent in Verbindung mit höheren laufenden Vergütungen, ließen bereits vermuten, dass die unerwartete Initiative auf breiten Widerstand stoßen könnte.
Votum-Chef Klein kritisiert Vorgehensweise und Bezug auf Umfrage

Mit Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des Vermittlerverbands Votum, legte ein Kritiker aus diesen Reihen sogar noch einmal nach. Im Fachmagazin „Procontra“ äußerte er neben den inhaltlichen Gründen für die Ablehnung eines Provisionsdeckels auch Kritik am Stil von BDVM-Präsident Thomas Billerbeck, den Vorschlag erst medial zu verkünden, um danach das Gespräch mit der Branche suchen zu wollen. Fragwürdig ist nach Auffassung von Klein auch, dass Billerbeck sich auf eine verbandseigene Umfrage bezieht, in der sich eine knappe Mehrheit von 54 Prozent für den Vorschlag einer Begrenzung von Provisionen ausgesprochen hatte. Der Funktionär sagt dazu: „Dann kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass die Auffassung von 87 saturierten Maklern bei über 184.000 registrierten Versicherungsvermittlern keine Mehrheit darstellt.“
Fondsfinanz-Chef rät zum BDVM-Austritt
Negative Reaktionen erntete der BDVM, der vor allem große Häuser im industriellen Sachgeschäft vertritt, auch bei Social Media. Dabei war der Maklerverband hier kommunikativ in die Offensive gegangen, hatte sein Ansinnen bei Linkedin mit einem eigenen Bildmotiv samt Slogan „Provisionsverbot: Wir müssen jetzt reagieren!“ gepostet und forderte gleichzeitig zur Debatte auf.
Fondsfinanz-Geschäftsführer Norbert Porazik, dessen Maklerpool mit 29.000 angebundenen Vermittlern Marktführer ist, ließ sich nicht lumpen und polterte: „Wäre ich dort Mitglied, würde ich jetzt austreten. Da ich das aber nicht bin und mich spätestens jetzt schämen würde, wenn ich es wäre, kann ich nur allen Mitgliedern empfehlen jetzt auszutreten.“ Ein Beitrag, der immerhin 38 Likes erhielt.
DVAG-Vertreter spricht von Eigentor
Auch Helge Lach schaltete sich ein. Er ist Vorstand der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) und Vorsitzender des DVAG-nahen Bundesverband Deutscher Vermögensberater. Auch wenn seine Mitglieder der Ausschließlichkeit angehören, hatte Lach in der Vergangenheit stets die Gemeinsamkeiten der Vermittlerverbände betont und sich aus Streitigkeiten zum Beispiel über die Deutung eines mögliches EU-weiten Provisionsverbots zwischen den Verbänden AfW und BVK herausgehalten.
Doch nun äußerte er harsche Kritik: „Das Provisionsverbot via RIS (EU-Kleinanlegerstrategie, d. Red.) ist vom Tisch. Warum jetzt mit dieser Kampagne ohne Not die Diskussion wieder eröffnen, und dann auch noch durch einen Vermittlerverband? Die Gegner der Branche werden sich genüsslich freuen.“ Aus Sicht von Lach weckt der BDVM mit seinem Vorstoß offenbar schlafende Hunde. Weiter schrieb er: „Im Übrigen will die Bafin nicht Abschlussprovisionen, sondern Abschlusskosten einschließlich ratierlicher Provisionen rigide deckeln. Das wird auch die Vergütungen der Makler treffen. Ein Eigentor, das die Bafin ermutigen wird, wieder aktiv zu werden. Die Überzeugungsarbeit von über zwei Jahren steht so auf dem Spiel.“
Makler halten Vorschlag für praxisuntauglich
Auch bekannte Makler wie der Berufsunfähigkeitsspezialist Guido Lehberg ließen kein gutes Wort am BDVM und seiner Idee. „So einen Quatsch kann man nur erzählen, wenn man im Elfenbeinturm von Mitgliedsbeiträgen lebt. Bereits heute ist eine Abschlussprovision eine Bezahlung auf Raten. Über ganze 60 Monate zahlen Vermittler diese zurück, wenn der Vertrag storniert wird. Aber gut, wir können auch einfach die Beratung weglassen und dem Kunden einfach nur das billigste Produkt à la Finanztest verbimmeln. Ich dachte allerdings immer, dass der (BDVM) eher eine hohe Qualität unterstützt - naja, so irrt man sich gewaltig.“
Benedikt Deutsch, 2023 Finalist beim Jungmakler-Award, hält den Vorschlag für existenzbedrohend für Brancheneinsteiger: „Seit fünf Jahren bin ich in der Branche tätig und kann seit einiger Zeit von meiner Bestandsprovision (BP) leben. Mit einer geringeren Abschlussprovision (AP) wäre ich jedoch nie an diesen Punkt gekommen. Ohne ausreichende AP hätte ich kein Marketing machen, keine Mitarbeiter einstellen und keine Prozesse testen können.“ Der Vorschlag stärke nur die Position der großen Maklerhäuser, für die der BDVM spreche. „Ebenso ist es nicht wahr, dass der Kunde von einer Umstellung profitiert. Kosten werden nur verlagert, und die Auswahlmöglichkeit der Player und Berater am Markt sinkt.“
BDVM berichtet von Zuspruch
Laut BDVM-Geschäftsführer Bernhard Gause seien die Kommentare jenseits von Linkedin anders ausgefallen. Auf Nachfrage von DAS INVESTMENT sagte er: „Die Mehrzahl war unterstützend, aber leise, manche kritisch, damit haben wir auch gerechnet.“ Online findet sich hingegen nur wenig Zuspruch. So schreibt ein User: „Wenn unsere Branche lebensfähig und vor allem für Nachwuchs mit Qualitätsanspruch interessant bleiben, beziehungsweise werden will, müssen wir an unserem Auftreten und Ruf arbeiten. Diese vom Vorstand des BDVM losgetretene Initiative ist insoweit nicht nur überfällig, sondern absolut notwendig und vorausschauend.“
Keine direkte Konfrontation
Die teils auch sprachlich harsche Kritik, insbesondere den sicherlich als polemisch zu bezeichnenden Kommentar von Porazik, bewertet Gause auf entsprechende Nachfrage unserer Redaktion in seiner ganz eigenen Art: „Wir haben ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle. Unsere Mitglieder kooperieren mit Pools nur in Ausnahmefällen und bei einzelnen Produktlinien.“ Heißt wohl so viel wie, dass Porazik und sein Unternehmen für den BDVM eh irrelevant sind.
Doch gibt Gause damit auch einen wichtigen Hinweis zur Bewertung der Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern einer Beschränkung von Abschlussprovisionen. Diese ist geprägt von den unterschiedlichen Abhängigkeiten der Geschäftsmodelle in der Versicherungswirtschaft. Es geht um unternehmerische Interessen. Und die bei Linkedin in Erscheinung getretenen Kritiker sind sicherlich der Gruppe derer zuzurechnen, die Geschäftsmodelle bisher unverrückbar auf Abschlussprovisionen basieren.
Nachträgliche Einordnung
Glücklich indes wird der Hamburger Verband mit dem Linkedin-Shitstorm nicht gewesen sein. Dies ließ Billerbeck durchblicken, der schrieb: „Ein sachlicher und differenzierter Umgang mit dem Thema wäre sicherlich angebrachter gewesen.“ Vielmehr noch sah sich der BDVM zu einer Einordnung seiner Forderung gezwungen und legte am Dienstag dieser Woche mit einem Posting nach.

Darin hieß es: „Der BDVM strebt keinerlei Kürzung von Courtagen an. Deren Höhe soll weiterhin in der Vertragsfreiheit zwischen den Parteien liegen. Was wir präferieren, ist eine Verlagerung der Courtagen von Abschluss- hin zu Betreuungscourtagen.“ Und weiter: „Anstelle eines gesetzgeberischen Handelns werben wir für Eigeninitiative in der Branche. Sollte unser Vorschlag fruchten, würde die Versicherungsvermittlung nachhaltiger.“
Unklare Pressemitteilung – war nie ein gesetzlicher Deckel gemeint?
Offenbar hatten viele in der Branche den Vorschlag als gesetzlichen Provisionsdeckel verstanden. Tatsächlich hatte der BDVM in seiner Pressemitteilung weder von einer gesetzlichen Regelung noch von einer Art Selbstverpflichtung der Branche gesprochen, sodass entsprechende Interpretationen nachvollziehbar erscheinen. Die Frage, warum der Verband die Ablehnung einer gesetzlichen Regelung nicht gleich herausgestellt hatte, beantwortete Gause gegenüber DAS INVESTMENT nicht. Er schrieb lediglich: „Wir wollen ein Umdenken in der Branche anstoßen (im Sinne der Branche und Kunden und bevor es gesetzlich erfolgt).“
Pikant: in einer ersten verschickten Version der Pressemitteilung, die der Verband kurzfristig zurückzog, war noch von „einem gesetzlichen Provisionsdeckel der Abschlussvergütung“ die Rede. Unklar ist, ob dies wirklich nur ein Fauxpas war.
BDVM-Einordnung wird als Kurswechsel interpretiert
Die Interpretation eines Kommentators bei Linkedin dazu ließ indes nicht lange auf sich warten: „Gut, dass der BDVM die in seiner Pressemitteilung vom 5. Juni erhobene Forderung zur Einführung eines Provisionsdeckels der Abschlussvergütung (in der ersten Variante der Pressemitteilung, die dann zurückgezogen wurde, stand sogar noch Einführung eines gesetzlichen Provisiondeckels der Abschlussvergütung), womöglich nach einhelliger Branchenkritik, nun zurückgezogen hat.“ Der Verfasser fragt zudem: „Ob das auf eine funktionierende freiwillige Selbstbeschränkung hinausläuft?“ Versicherungsvermittler jedenfalls fänden am Markt bereits heute flexible Vergütungsmodelle.
BVK: keine Deckelung, aber Handlungsbedarf
Auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) sieht in der nachträglichen Einordnung offenbar einen gewissen Kurswechsel des BDVM: „Der BVK freut sich, dass der BDVM seinen Vorstoß zur Begrenzung der Abschlussprovision bei einer zusätzlich höheren laufenden Vergütung nun eingeordnet hat. Dass dies keine Forderung nach einem gesetzlichen Deckel beinhaltet, begrüßen wir.“
Der BVK teile zudem weiterhin die Sorge, dass die Branche insgesamt noch zu wenig gegen einzelne Vergütungsexzesse vorgeht und daher laut Heinz auch vor dem Hintergrund der EU-Kleinanlegerstrategie auf Bewährung ist. Eine Deckelung von Abschlussprovisionen von Lebensversicherungen auf 25 Promille der Bruttobeitragssumme sehe man ordnungspolitisch allerdings weiterhin kritisch.
Der BDVM hofft derweil, möglichst schnell aus den Schlagzeilen zu kommen. Gause: „Im Sinne eines Vorschlags haben wir die 25 Promille ins Spiel gebracht, wollen zu allen anderem uns aber nicht festlegen. Wir verstehen das als Diskussionsgrundlage für die Branche.“