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KI in Gesellschaft und Arbeitswelt Bedroht künstliche Intelligenz unsere Existenz?

Cobots – Industrieroboter, die mit Menschen zusammenarbeiten
Cobots – Industrieroboter, die mit Menschen zusammenarbeiten: Zukünftig darf es nicht Rivalitäten zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz geben, sondern es sollte um ein erfolgreiches Miteinander gehen. | Foto: Imago Images / YAY Images

Künstliche Intelligenz (KI) ist die vielleicht bedeutsamste Technologie, die der Mensch je geschaffen hat. Bereits jetzt ist ihre Präsenz im Einzelhandel, im Gesundheitswesen, im Verkehr, in der Cybersicherheit, in der Werbung und in vielen weiteren Branchen deutlich zu spüren – und sie wird im Laufe dieses Jahrhunderts noch merklich zunehmen. Die entscheidende Frage ist nun, ob KI dafür geschaffen ist, unsere Lebensqualität zu steigern, oder ob sie letztlich eine existenzielle Gefahr für die Menschheit darstellt.

Stuart Russell, Professor für Informatik an der University of California in Berkeley, geht davon aus, dass wir mit den immer komplexeren Maschinen sehr gut zusammenleben können, solange wir unser Verhältnis zu ihnen hinterfragen. Diesen Standpunkt verfolgt er auch in seinem Buch „Human Compatible: Künstliche Intelligenz und wie der Mensch die Kontrolle über superintelligente Maschinen behält“.

„Unsere Intelligenz verleiht uns Macht über die Welt, Macht über alle anderen Spezies auf diesem Planeten. Und Millionen von ihnen haben wir bereits ausgerottet“, erklärt er im Found in Conversation Podcast, der sich mit der Frage beschäftigt, wie wir die moderne Welt verstehen und verbessern können. Führende Experten teilen hier Ideen und Einblicke zu vielfältigsten Themen – von Biomedizin bis hin zu Digitaltechnologie, Politik und kulturellen Trends. Erstellt wird der Podcast von der Pictet-Gruppe, einem der führenden europäischen Vermögensverwalter.

„Erschafft man nun eine andere Kategorie von Wesen, die intelligenter ist als wir, dann – so könnte man meinen – erlangt sie auch Macht über uns. Wie können wir also dauerhaft die Kontrolle über sie bewahren, wenn sie mächtiger sind als wir selbst? Das ist die große Kunst dabei. Alan Turing war der Ansicht, für dieses Problem gebe es keine Lösung. Ich dagegen behaupte, wir müssen nur ganz genau hinsehen, dann finden wir auch Wege, um dieses Dilemma aufzulösen.“

Der Schlüssel dazu liegt nach Russells Überzeugung darin, sich von dem derzeitigen Umgang mit KI, das heißt, den genau vorgegebenen Zielsetzungen, zu lösen. Die Tücken solcher Erwartungen musste schon König Midas in der griechischen Mythologie erfahren, als er sich wünschte, dass alles zu Gold würde, was er berührte. Dieser Wunsch wurde ihm erfüllt, doch dann verwandelte er mit seiner Zauberkraft buchstäblich alles – auch die Speisen, die er essen wollte, und sogar seine Tochter.

„Können wir das übliche KI-Konzept durch ein neues Konzept ablösen, bei dem die Maschinen wissen, dass sie ihren Zweck eben nicht kennen? Das mag widersprüchlich klingen. Aber letztlich tun wir genau das ständig im gemeinsamen Umgang. Und wir haben Verhaltensregeln. In einem Restaurant wissen Koch und Kellner zunächst nicht, was der Gast will, aber sie bedienen sich bestimmter Muster, um das herauszufinden“, so Russell.

„Wenn die Maschinen ein bisschen mehr erfahren, was wir möchten, können sie uns auch etwas besser helfen. Also entwickeln wir Algorithmen, die nach diesen neuen Voraussetzungen arbeiten. Und mathematisch gesehen lässt sich belegen, dass die Kontrolle beim Menschen verbleibt, wenn wir die Aufgaben auf diese Weise festlegen.“

Auch Marcus du Sautoy, Inhaber des Simonyi-Lehrstuhls für verständliche Wissenschaft an der Universität Oxford, ist der Ansicht, dass die Zusammenarbeit das entscheidende Bindeglied ist, um eine von Maschinen beherrschte Zukunft zu vermeiden, wie sie etwa in Blockbustern wie „Matrix“ spektakulär dargestellt wird.

„Ich finde, Hollywood beschert uns ein furchtbar dystopisches Bild von KI“, meint der Autor von „Der Creativity-Code: Wie künstliche Intelligenz schreibt, malt und denkt“. „Intelligenz ist ein äußerst vielschichtiges Terrain. Das Prinzip ist, dass KI einige Dinge besser als wir kann. Und wir können wiederum so manches besser als die KI. Wenn wir uns also künftig mehr auf Zusammenarbeit statt auf Rivalität einstellen, dann ist letztlich beiden Seiten geholfen. Beispiele dafür gibt es bereits in der Medizin, wo es Radiologen gelingt, zusammen mit KI Krebserkrankungen deutlich genauer zu erkennen, als es beide Seiten für sich könnten.“

Neue Arbeitswelt

Das bereitet aber andere große Sorgen angesichts der wachsenden Dominanz von KI: Selbst wenn die Maschinen nicht die Weltherrschaft übernehmen, machen sie uns nicht dennoch unsere Arbeitsplätze streitig? Oder werden wir uns anpassen und neue schaffen?

„Wenn neue Arbeitsplätze entstehen sollen, müssen sie so gestaltet sein, dass der Mensch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Maschine hat. Je weiter die KI voranschreitet, desto schwieriger wird das. Selbst Berufe wie Jazzmusiker, Radiologe, Schriftsteller oder Drehbuchautor, von denen wir meinen, sie funktionieren nur von Menschenhand und sind absolut ungefährdet, könnten verschwinden“, so Russell. 

Unser Vorsprung besteht seiner Meinung nach darin, dass unsere Nervensysteme sehr ähnlich sind und wir damit die Emotionen und Schmerzen der Mitmenschen in einer Weise verstehen, wie es die Maschinen nicht vollständig nachahmen können. „Arbeitsplätze mit zwischenmenschlichen Kontakten, bei denen sich ein Mensch dafür einsetzt, das Leben anderer besser, erfüllter, interessanter, positiver zu machen, Neugier zu wecken oder auch die Wertschätzung für Kunst, Musik, Literatur, Natur usw. zu steigern – das sind genau die Arbeitsplätze, in denen wir einen Wettbewerbsvorteil haben. Und in diesen Bereichen liegt für mich die Zukunft.“

Dabei ergeben sich jedoch weitere Probleme, denn viele solcher Arbeitsplätze, etwa in der Kinderbetreuung, sind derzeit schlecht bezahlt und erfahren in der Gesellschaft keine ausreichende Anerkennung.

„Wenn wir künftig angesehene, hochwertige Arbeitsplätze für alle haben wollen, müssen wir auf diesem Gebiet weitere 30 Jahre Wissenschaft investieren. Und im nächsten Schritt neue Berufe, Qualifikationen und Ausbildungen entwickeln, damit die Menschen tatsächlich in diesen neuen Tätigkeiten sinnvoll arbeiten und sich gegenseitig ergänzen können.“

Weitere Einblicke von Stuart Russell, Marcus du Sautoy und anderen Experten zum Verständnis der modernen Welt finden Sie hier zum Nachhören im Found in Conversation Podcast.

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