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Aktualisiert am 27.12.2023 - 10:50 Uhrin InterviewsLesedauer: 7 Minuten

Blockchain-Profi Johannes Schmitt im Interview „Beginn eines Trends, der die Finanzmärkte verändern wird“

Johannes Schmitt
Johannes Schmitt: „Durch die Blockchain herrscht höhere Effizienz, Schnelligkeit und Transparenz.“ | Foto: Nyala

Den Begriff Blockchain verbinden die meisten Menschen mit Bitcoin oder Ethereum. Dabei wird der alleinige Blick auf Kryptowährungen der Technologie nicht gerecht. Blockchains eignen sich für alle Arten von sensiblen Daten, etwa in der Logistik, in der Gesundheitsbranche – oder im Finanzsektor.

Johannes Schmitt ist Co-Chef der Berliner Blockchain-Plattform Nyala (vormals Bloxxon). Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als „einen der führenden Software-as-a-Service-Anbieter für Digital Assets in Deutschland“. Es bietet drei Produktsäulen: Tokenisierung, Trading und Verwahrung.

DAS INVESTMENT sprach mit Johannes Schmitt über die Vorteile der Tokenisierung, den Unterschied zwischen dezentralen und zentralisierten Netzwerken und die mögliche Regulierung von Kryptowährungen.

DAS INVESTMENT: Herr Schmitt, an der Wall Street gibt es immer wieder Stimmen, die behaupten, Blockchain sei eine Lösung für ein gar nicht vorhandenes Problem. Was heißt das, Sie bieten bietet Tokenisierung für Real Assets an?

Johannes Schmitt: Der These muss ich vehement widersprechen. Der Wertpapierhandel findet bislang immer noch in Papierform statt. Die Trading-Apps haben zwar eine schöne Benutzeroberfläche, aber im Hintergrund läuft beim Handel immer noch die Faxmaschine, und Papier mit Originalunterschrift wird getauscht. Man muss nur einmal versuchen, Wertpapiere von einem Depot in ein anderes zu übertragen – dann muss man ein Formular ausfüllen und dieses von einer Bank zur anderen schicken. Es fehlt einfach eine Technologie, um Wertpapiere so schnell zu übertragen, wie wir es eigentlich nach 25 Jahren Internet gewöhnt sind. Bei Wertpapieren wird immer noch eine physische Urkunde übertragen. Wie in den 60er Jahren.

Und die Blockchain wird das besser machen?

Schmitt: Die Blockchain – und da stehen wir erst an den Anfängen dieses Prozesses – ermöglicht, dass Wertpapiere in Token-Form existieren. Das ist nicht nur ein Gimmick. Die Token selbst sind die Wertpapiere. Wer den Token hält, hat also auch das Eigentum an den Wertpapieren. Perspektivisch werden wir die Übertragbarkeit, den Handel und die Abwicklung auf der Blockchain abbilden, und das wird vieles vereinfachen. Noch sind wir nicht so weit, Millionen von Wertpapieren pro Sekunde abzuwickeln. Doch die Lösung beginnt gerade die Marktreife unter Beweis zu stellen. Unsere Prognose: In fünf bis zehn Jahren wird das ganz anders aussehen. Wir stehen am Beginn eines Trends, der die Finanzmärkte verändern wird.

An welche Kunden richtet sich Nyala?

Schmitt: Das typische Kundenprofil von Tokenisierung sind Emissionsplattformen, die sich an Retail-Kunden richten. Wir haben etwa eine Crowdfunding-Plattform als Kunden, wo Retail-Kunden in Mittelstandsfinanzierung investieren können. Das gibt es schon ohne Blockchain seit Jahren, das Geschäftsmodell ist auch sehr bekannt. Doch diese Partner sind große Plattformen, die zukünftig voll auf Tokenisierung setzen.

Warum wechseln die Unternehmen von bewährten Mechanismen hin zur Tokenisierung?

Schmitt: Schon jetzt gibt es Kostenvorteile. Die werden noch überzeugender, wenn die Handelbarkeit besser und wichtiger wird. Unsere Vision ist auch die Entwicklung von Sekundärmärkten, an die wir diese Plattformen anbinden, sodass Investoren auf diesen Plattformen untereinander ihre Tokens handeln können. Durch die Blockchain herrscht zudem eine höhere Effizienz, Schnelligkeit und Transparenz. Das ist ein Anreiz für Plattformen, auf Tokenisierung zu setzen.

Bislang sind das nur Pläne. Wie sieht Ihr Zeitplan aus?

Schmitt: Wir würden den ersten Sekundärmarkt gerne im nächsten Jahr live schalten. Derzeit sind wir noch in der Konzeptphase. Aber immer mehr Kunden wollen eine durchlässige Sekundärmarkt-Infrastruktur. Anfangen wird es mit Retail-Kunden. Kleine Vermögensverwalter sind ebenfalls schon jetzt interessiert. Der nächste Dominostein sind dann klassischerweise die Family Offices und unabhängigen Asset Manager der vermögenden Kunden. Die gehen stark in den Krypto-Asset-Markt, das ist ja ein verwandtes Thema. Bis die institutionellen Großinvestoren einsteigen, wird es aber noch ein paar Jahre dauern. Die halten sich erfahrungsgemäß noch etwas zurück.

Sie bezeichnen sich als „Crypto as a service“. Sie haben einen eigenen Krypto-Index „Next Eleven“ entwickelt, der elf Werte umfasst. Was ist die Idee dahinter?

Schmitt: Viele Leute haben verstanden, was Bitcoin und Ethereum sind. Doch darüber hinaus ist der Kenntnisstand unserer Erfahrung nach häufig nicht sehr gut. Deshalb haben wir das Next-Eleven-Thema aufgegriffen, welches ursprünglich aus der Aktienwelt Anfang der 2000er stammt. Damals bezog sich der Begriff auf die Emerging Markets. Jetzt sehen wir die Krypto-Welt als Emerging Market. Für den Index haben wir elf Krypto-Assets ausgewählt, die wir aus technologischer Hinsicht oder wegen des dahinterstehenden Teams vielversprechend finden. Drei der elf waren unter den Top 10 des Jahres 2021. Das wollen wir in ein kommerzielles Produkt überführen. Wenn jemand dazu einen Fonds auflegen möchte, sind wir natürlich gerne dabei.

Wenn wir schon über einzelne Kryptowährungen sprechen: Der Bitcoin ist von seinem Allzeithoch bei rund 69.000 Euro weit entfernt. Sind aus Ihrer Sicht die Tage des Bitcoin gezählt?

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Schmitt: Ob Bitcoin in fünf oder gar zehn Jahren noch so relevant sein wird wie heute, das kann natürlich niemand ernsthaft prognostizieren. Es wird aber schwer, ihn vom Thron zu stoßen. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass Bitcoin die Leitwährung bleibt. Bitcoin hat ein unglaubliches Netzwerk, wahnsinnig viele, weltweit verteilte Rechenknoten. Sicherheits-Features, die über Jahre aufgebaut wurden. Eine sehr hohe Hashrate (= Rechenleistung, mit der das Netzwerk gesichert wird). Das alles sind enorme Assets. Welches Projekt soll Bitcoin vom Thron stoßen? Natürlich kann regulativer Gegenwind kommen, das erleben wir ja gerade. Aber Bitcoin wird nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

Ethereum ist nach Marktkapitalisierung die zweitgrößte Kryptowährung der Welt. Als Währung ist sie aber nur bedingt einsetzbar, aufgrund der enorm hohen Transaktionskosten.

Schmitt: Es gibt ganz klar Governance-Probleme bei dezentralen Netzwerken. Weil es nicht die eine Person gibt, die etwas entscheidet. Und das wiederum lähmt Entscheidungsprozesse. Bei Bitcoin ist das besonders eklatant. Es gilt als schwer reformierbar, weil niemand etwas entscheiden kann – sondern nur die Community als Ganzes. Das ist ein recht ausgeklügelter Prozess, der gut funktioniert, aber wahnsinnig langsam ist. Hinzu kommt: Man kann nur wenige Parameter verändern, einige gar nicht. Das spricht für die Wertaufbewahrungsfunktion. Etwa die Endlichkeit der Bitcoins. Das schafft Vertrauen bei den Anlegern, weil eine Verknappung der neu emittierten Bitcoins stattfindet.

Wie sieht es bei Ethereum im Vergleich aus?

Schmitt: Bei Ethereum ist das etwas anders, da haben die Core-Entwickler noch viel Einfluss. Ethereum ist etwas zentralisierter als Bitcoin. Bei Netzwerken wie Solana ist das noch extremer: Die sind noch viel zentralisierter, aber dadurch auch schneller. Da muss man als Nutzer schauen, wie das eigene Komfort-Level aussieht - ideologisch Gesinnte trauen nur Bitcoin, andere sind pragmatisch und wollen schnelle Bezahllösungen und bevorzugen Solana. Das ist ein spannender Space, in dem viel passiert.

Es gibt unzählige Blockchains, die auf verschiedenen Prinzipien basieren – etwa Proof-of-Work versus Proof-of-Stake. Welche Blockchains nutzen Sie für Ihre Produkte?

Schmitt: Wir arbeiten für unsere Tokenisierung mit schnellen, öffentlichen Blockchains wie etwa Stellar und Algorand. Einige setzen für die Tokenisierung auch auf private Blockchains, das halten wir aber für wenig sinnvoll. Wir glauben nicht daran, dass sie sich durchsetzen. Da gibt es zu viele Beschränkungen, und das widerspricht der grundsätzlichen Idee der Blockchain als offenes Netzwerk.

Wir sprachen bereits über Regulierung von Kryptowährungen. In der EU gibt es diese Debatte ebenfalls wieder. Regulierung ist ein Schutz für Anleger, kann aber auch Innovationen bremsen. Wie steht Ihre Firma dazu?

Schmitt: Wir sind Pioniere für den Bereich Custody, also Verwahrung, in Deutschland. Wir entscheiden uns aus freien Stücken dazu, dass Regulierung auf diese neuartigen Technologien trifft. Wir sehen Opportunitäten und halten das für erfolgsversprechend.

Der hohe Energieverbrauch, der zum Erzeugen von Bitcoin und Co. nötig ist, sorgt immer wieder für Diskussionen – erst recht jetzt durch die gestiegenen Energiepreise im Zuge der Ukrainekrise.

Schmitt: Das ist eine sehr komplexe Debatte. Wir stehen den Technologien grundsätzlich positiv gegenüber. Aber natürlich wollen wir, dass die Technologien nachhaltiger sind, also dass die Energiequellen grüner werden. Wir sind zuversichtlich, dass ökologisches Mining sich durchsetzen wird.

Sind Sie für Verbote oder für Anreize?

Schmitt: Wir sind gegen die Idee, Proof-of-Work-Mining zu verbieten. Wir wollen Anreize, dass man mit grünen Technologien Mining betreibt. International gibt es spannende Unternehmen, die das Mining voranbringen und nach Energiequellen mit kleinerem CO2-Abdruck suchen als Kohle oder Öl. Davon müssen wir so schnell wie möglich wegkommen. Bitcoin ist dezentral, und deshalb wird es immer Akteure geben, die auf einen Mining-Prozess aus Energiequellen setzen, die wir nicht für nachhaltig halten. Deshalb sollten die Anreize für Nachhaltigkeit umso stärker sein.

Ein Hype-Thema im Krypto-Bereich sind gerade Non Fungible Tokens, NFTs. Sind die für Ihr Business bereits relevant?

Schmitt: Wir experimentieren persönlich damit und sind ganz offen, was diese Technologie betrifft. Was eine kommerzielle Lösung im B2B-Bereich angeht, gibt es noch keine Nachfrage. Das kann aber auch daran liegen, dass wir, zumindest aktuell, noch kein Produkt auf NFT-Basis anbieten. Aber unsere Tokenisierungs-Prozesse können wir natürlich auch für NFTs anbieten. Wenn sich einer unserer Kunden die Emission von NFTs wünscht, können wir mit unseren technischen Möglichkeiten auch das übernehmen.


Über den Interviewten:
Johannes Schmitt ist Co-Chef des Blockchain-Infrastrukturdienstleisters Nyala (bis vor Kurzem noch Bloxxon) aus Berlin. 

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