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Frank Fischer im Interview „Bei den Zinsen ist es wie beim Fußball“

Frank Fischer
Frank Fischer: Im Interview verrät Profi-Anleger Frank Fischer, in welche Aktien er aktuell große Hoffnungen setzt. | Foto: SVM

DAS INVESTMENT: Die Inflationsraten ziehen an, in Osteuropa herrscht Krieg von ungewisser Dauer und mit ungewissem Ausgang, und es geht die Sorge vor einer Energiekrise um. Stehen die westlichen Länder vor einer Rezession?

Frank Fischer: Das wirtschaftliche Umfeld war schon vor dem Ukraine-Krieg nicht besonders rosig. Das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich insgesamt. Eine Ausnahme war bis in den März hinein noch China. Aber auch hier ist noch offen, ob es der Regierung gelingt, die neu hochkochende Coronapandemie in den Griff zu bekommen. Zudem müssen wir sehen, wie stark sich der Immobilien-Crash letztendlich auswirkt. Die USA sind von den wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Krieges, besonders was die Rohstoffe angeht, deutlich weniger betroffen sind als Europa. Daher wird die Fed eher an ihrer wieder strafferen Zinspolitik festhalten. Auch die fiskalischen Impulse sind nicht in Sicht, wie sie es in der ersten Covid-Welle waren. In den USA stehen die Verbraucher für 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, und das Verbrauchervertrauen ist stark rückläufig. Wenn weniger konsumiert wird, schwächt dass das Wirtschaftswachstum. Im weiteren Verlauf des Jahres dürften wir also in also in der Tat mehr Elemente einer Rezession sehen. Zum Beispiel steigende Arbeitslosigkeit und weniger Investitionen.

Wie wird sich speziell in Deutschland die Inflation weiter entwickeln?

Fischer: Das konkret zu beziffern, ist ein bisschen wie Kaffeesatzleserei. Dort wirken auch Effekte, die man schwer abschätzen kann. Denken Sie daran, dass im März der Ölpreis an den Märkten wieder leicht nachgegeben hat. Davon war an der Tankstelle aber zunächst nichts zu spüren. Insgesamt glaube ich, dass uns gerade zweierlei schmerzhaft bewusst wird: wie stark wir von Importen abhängig sind und in welchen Bereichen die hohen Energiepreise überhaupt durchschlagen. Hinzu kommt, dass der Spielraum der EZB, auch im Vergleich zur Fed, deutlich begrenzter ist. Das macht es schwierig, die Inflation zu bekämpfen. Im Februar lag die Inflationsrate in Deutschland bei 5,1 Prozent. Dieses Niveau dürfte uns noch länger begleiten. Vor einigen Monaten hätte ich erwartet, dass sich das Thema mit der Zeit abmildert – wenn die coronabedingten Lieferkettenprobleme gelöst wären. Heute bin ich mit Blick auf den Ukraine-Krieg aber deutlich skeptischer. Ich glaube, dass der politische Konflikt nicht so schnell vorbei sein wird, selbst wenn die Kampfhandlungen in der Ukraine irgendwann enden.

Die EZB will ihre Anleihekäufe drosseln: Das Pandemie-induzierte PEPP soll Ende März auslaufen, und selbst das längerfristige APP-Programm könnte 2022 enden. Wie beurteilen Sie diese Entscheidung der Zentralbank?

Fischer: Die EZB steckt in einer Zwickmühle. Eigentlich müsste sie mehr machen, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Das kann sie aber aus politischen Gründen nicht. Denn dann würden die hoch verschuldeten südeuropäischen Staaten massive Probleme bekommen. Das Auslaufen der Anleiheprogramme soll daher signalisieren, dass die EZB das Problem erkannt hat. Sie ist bereit zu handeln.

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Fischer: Bei den Zinsen ist es ein bisschen wie beim Fußball – plötzlich sind alle Experten. Die EZB hat mehrere Faktoren, die sie berücksichtigen muss. Neben den hohen Verschuldungen ist das zum Beispiel auch die Konjunktur. Die steht ohnehin durch den Krieg unter Druck. Denn es ist nicht klar, wie sich die Situation bei Rohstoffen, aber auch bei Vorprodukten, etwa im Automobilbau, entwickeln wird. Die Zinsen zu erhöhen, kann die Finanzierungssituation der Unternehmen durchaus belasten. Die Inflation ist also nicht der einzige Aspekt, den es zu beachten gilt.

Wie viel Handlungsspielraum hat die EZB überhaupt noch, um die Krisenfolgen von Pandemie plus Krieg abzufangen?

Fischer: Das sind letztlich vor allem politische Entscheidungen. Es muss immer abgewogen werden, was schwerer wiegt. Die Inflation ist schon enorm angestiegen, sie wirkt aber konjunkturell stark bremsend. Daher glaube ich, dass die Zentralbanken nur einen begrenzten Spielraum haben, die Zinsen bedeutsam zu erhöhen und die Bilanz durch Verkauf von Anleihen zu begrenzen.

Was bedeutet diese Situation für Anleger?

Fischer: Die Zeit leichter Kursgewinne ist erst einmal vorbei. Aber das ist ja nicht erst seit den letzten Wochen so. Wir haben mehr Volatilität, und die wird uns sicher eine ganze Zeit begleiten. Für Anleger mit einem langen Anlagehorizont birgt das durchaus auch Chancen. Ich gehe aktuell davon aus, dass wir bis Anfang Mai eine moderate Erholungsphase sehen werden. Im Juni oder Juli könnten wir in den Bärenmarkt eintauchen. Ab August erwarte ich dann eine Sommerrally. Möglicherweise wird sich unser Wirtschaftssystem komplett neu ordnen.