Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding
Wo Anlegern aktuell Chancen winken und wo Risiken lauern
Holger Schmieding ist Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Foto: Berenberg Bank
Holger Schmieding, Chefökonom der Hamburger Privatbank Berenberg, unternimmt hier einen Rundumblick und filtert die wichtigsten Themen heraus: Diese Entwicklungen sollten Anleger im angelaufenen Jahr im Blick behalten.
Ein verhaltener Ausblick für 2019
Nach einem unerwartet schwierigen Jahr 2018 bleibt der Ausblick aufs gegenwärtige Jahr 2019 verhalten. Erneut stehen den wirtschaftlichen Chancen ausgeprägte politische Risiken gegenüber. Ob Konjunktur und Finanzmärkte wieder etwas an die Dynamik des Jahres 2017 anknüpfen können, hängt vor allem davon ab, ob es den USA, China und Europa gelingt, die politischen Risiken einzugrenzen. Insgesamt stehen die Chancen dafür nicht so schlecht, wie es die Marktturbulenzen der letzten beiden Monate nahelegen könnten.
Allerdings werden Europa und Asien wohl noch einen grauen Winter durchleben müssen, bevor der Ausblick sich im Frühling wieder...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Ein verhaltener Ausblick für 2019
Nach einem unerwartet schwierigen Jahr 2018 bleibt der Ausblick aufs gegenwärtige Jahr 2019 verhalten. Erneut stehen den wirtschaftlichen Chancen ausgeprägte politische Risiken gegenüber. Ob Konjunktur und Finanzmärkte wieder etwas an die Dynamik des Jahres 2017 anknüpfen können, hängt vor allem davon ab, ob es den USA, China und Europa gelingt, die politischen Risiken einzugrenzen. Insgesamt stehen die Chancen dafür nicht so schlecht, wie es die Marktturbulenzen der letzten beiden Monate nahelegen könnten.
Allerdings werden Europa und Asien wohl noch einen grauen Winter durchleben müssen, bevor der Ausblick sich im Frühling wieder etwas aufhellen kann. Sollte jedoch US-Präsident Donald Trump den Handelsstreit mit China erneut verschärfen und auch die EU mit einem echten Handelskrieg überziehen, könnte der westlichen Welt im Extremfall sogar eine politisch bedingte Rezession drohen. Für wahrscheinlich halten wir dies derzeit nicht. Ausschließen können wir es leider auch nicht.
Wirtschaftlich gesehen gibt es nirgendwo in der westlichen Welt einen Grund für eine Stagnation oder sogar eine Rezession. Abgesehen von Problemen in Teilen des Marktes für US-Unternehmensanleihen finden wir bisher keine Lohn-, Kredit- oder Investitionsexzesse, die so ausgeprägt sind, dass sie durch eine Rezession bereinigt werden müssten. Gerade weil sich die Konjunktur in den zehn Jahren nach der großen Finanzkrise bisher noch nicht überhitzt hat, kann der Aufschwung noch einige Jahre dauern, wie üblich im Wechsel von stärkeren und schwächeren Phasen.
Einige Schwellenländer, in denen sich Korrekturbedarf aufgestaut hatte, sind 2018 unter dem Druck höherer Dollarzinsen in eine Anpassungskrise gerutscht. Viele von ihnen dürften bald die Talsohle durchschreiten und im weiteren Verlauf des Jahres 2019 zu neuem Wachstum finden können. Auch dies kann die Weltwirtschaft 2019 stützen.
Eine Serie von Schocks 2018
Im abgelaufenen Jahr hat eine Serie von politischen Krisen und externen Schocks die Konjunktur in Teilen der westlichen Welt aus dem Tritt gebracht. Vor allem die von den USA geschürten Handelsspannungen lasten auf der Stimmung der Unternehmen. Dazu kam der Einbruch der Ausfuhren in einige Schwellenländer wie die Türkei, die sich zu sehr in Auslandswährung verschuldet hatten.
Gleichzeitig haben die bis in den November hinein hohen Preise für Heizöl und Kraftstoffe die Kaufkraft vieler Verbraucher so geschmälert, dass sie ihre Ausgaben für andere Güter und Dienstleistungen einschränken mussten. Seit Oktober trüben zudem die Brexit-Wirren sowie die Reformrolle rückwärts der radikalen Regierung in Rom das Geschäftsklima in Europa. In Frankreich kommen seit November die Proteste der Gelbwesten dazu.
Insgesamt hat sich das Wachstum in der Eurozone und Japan im Laufe des Jahres 2018 erheblich abgeschwächt. Wie ein Blick auf Tabelle 1 zeigt, mussten wir im Laufe des vergangenen Jahres unsere Wachstumsprognosen für das besonders ausfuhrabhängige Deutschland sowie für die Eurozone insgesamt ebenso wie für Japan erheblich zurücknehmen. Auch Großbritannien hat 2018 schlechter abgeschnitten als erwartet.
Die US-Konjunktur hat dagegen unsere Erwartungen nicht enttäuscht. In den USA überdecken die umfangreichen Steuergeschenke von Anfang 2018 sowie die bis zum November höheren Einnahmen für Ölproduzenten derzeit noch die Kosten der Handelskriege und anderer Schocks. Mit dem Fiskalstimulus hatten sich die USA 2018 vom Rest der Welt abgekoppelt. Bis zum Oktober hatte sich dies auch am US-Aktienmarkt und am Außenwert des US-Dollars gezeigt.
Tab. 1: Wachstumsprognosen im Check – was hat sich geändert?
Nahezu jedes Jahr kommen am Finanzmarkt Sorgen auf, China könne nach einem kreditgetriebenen Höhenflug eine Bruchlandung erleben. Bisher haben sich diese Sorgen immer als übertrieben herausgestellt. 2018 hat sich Chinas Wachstum sogar weniger abgeschwächt, als wir es vor einem Jahr erwartet hatten. Allerdings sind am chinesischen Konjunkturhorizont einige dunkle Wolken aufgezogen, zu denen auch der Handelsstreit mit den USA zählt. Dies strahlt auch auf wichtige Handelspartner Chinas aus.
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