Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding
Wo Anlegern aktuell Chancen winken und wo Risiken lauern
Holger Schmieding ist Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Foto: Berenberg Bank
Holger Schmieding, Chefökonom der Hamburger Privatbank Berenberg, unternimmt hier einen Rundumblick und filtert die wichtigsten Themen heraus: Diese Entwicklungen sollten Anleger im angelaufenen Jahr im Blick behalten.
China: Notfalls kommt ein neuer Stimulus
China schiebt einen Berg an Problemen vor sich her. Dazu gehören private und öffentliche Schulden, die insgesamt etwa 260 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung erreichen. Auch Überkapazitäten in Teilen der Industrie und die Schäden des Handelskrieges mit den USA belasten das Land. Die Konjunktur hat sich Ende 2018 spürbar abgekühlt und das Geschäftsklima hat sich eingetrübt. Aber mit seiner hohen Sparquote von über 40 Prozent der privaten Einkommen und einer komfortablen außenwirtschaftlichen Position kann China es sich leisten, seine Probleme ohne übermäßigen Zeitdruck anzugehen.
2018 hat China bereits versucht,...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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China: Notfalls kommt ein neuer Stimulus
China schiebt einen Berg an Problemen vor sich her. Dazu gehören private und öffentliche Schulden, die insgesamt etwa 260 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung erreichen. Auch Überkapazitäten in Teilen der Industrie und die Schäden des Handelskrieges mit den USA belasten das Land. Die Konjunktur hat sich Ende 2018 spürbar abgekühlt und das Geschäftsklima hat sich eingetrübt. Aber mit seiner hohen Sparquote von über 40 Prozent der privaten Einkommen und einer komfortablen außenwirtschaftlichen Position kann China es sich leisten, seine Probleme ohne übermäßigen Zeitdruck anzugehen.
2018 hat China bereits versucht, mit geringeren Mindestreservesätzen für Banken und anderen eher vorsichtigen Schritten seine Konjunktur zu stabilisieren. Für 2019 hat Beijing einige Steuersenkungen in Aussicht gestellt. Bisher hat die Wirtschaft darauf allerdings kaum reagiert. Angesichts hoher Schulden würde Beijing offenbar gerne weitere schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme vermeiden. Sollte die Konjunktur aber spürbar einzuknicken drohen, würde China wohl schlicht die Kreditschleusen wieder etwas öffnen, um einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und den daraus folgenden politischen Problemen vorzubeugen. Chinas Inflation liegt weiterhin bei etwa 2 Prozent. Dies kann Beijing im Bedarfsfall die Entscheidung für einen Stimulus erleichtern. Insgesamt erwarten wir, dass China 2019 trotz erheblicher Risiken und einem schwachen Start ins Jahr 2019 eine weiche Landung gelingt.
Schwellenländer: Anpassungskrisen dauern nicht ewig
Nach dem aktuellen Einbruch werden die Türkei und einige andere Schwellenländer wohl im Winter den Tiefpunkt ihrer Anpassungskrisen erreichen. Ab dann dürften die europäischen Ausfuhren in diese Länder nicht weiter sinken. Damit entfiele ein weiterer Faktor, der heute die europäische Konjunktur belastet. Auch für Brasilien und Argentinien erwarten wir ein Ende der Anpassungskrise. In Mexiko hat der als linkslastig geltende neue Präsident mit seinem ersten vorsichtigen Haushaltsentwurf für 2019 die Hoffnung genährt, dass er der Wirtschaft nur begrenzten Schaden zufügen wird.
Inflationsdruck nimmt nur langsam zu
Die Inflationssorgen, die Anfang 2018 aufkamen, haben sich als übertrieben herausgestellt. Da in den USA und Europa der Lohndruck nur langsam steigt, sind die Kernraten der Inflation entweder sehr niedrig mit rund 1 Prozent in der Eurozone oder im Einklang mit einer angestrebten Rate von etwa 2 Prozent in den USA. Für 2019 zeichnet sich außerhalb des Energiesektors zwar ein etwas lebhafterer Anstieg der Verbraucherpreise ab. Eine überraschend hohe Inflation, die Notenbanken dazu zwingen könnte, die Konjunktur bewusst abzuwürgen, ist jedoch bisher nicht in Sicht.
Allerdings müssen wir beobachten, ob die US-Zentralbank beim Abschmelzen ihrer Bilanz nicht übertreibt und so den Märkten und der Wirtschaft zu viel Liquidität entzieht. Ein Fehler der Fed könnte einen Vertrauensschock auslösen und zwischenzeitlich auch die Konjunktur gefährden. Zum Glück könnte die Fed einen solchen Fehler notfalls schnell korrigieren.
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