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Berenberg Marktkommentar Brexit, Banken, Terror – Der europäische Aktienmarkt unter Druck

Boris Jurczyk, Manager des Euroland-Aktienfonds Berenberg European Equity Selection
Boris Jurczyk, Manager des Euroland-Aktienfonds Berenberg European Equity Selection
Zu Jahresanfang sahen noch viele Marktteilnehmer Europa als die aussichtsreichste Aktienregion. Diese Einschätzung hat sich nicht bewahrheitet. Europäische Aktien haben in den ersten sieben Monaten deutlich schlechter abgeschnitten als andere Aktienmärkte. So verlor der Euroland-Aktienindex Euro Stoxx 50 bis Ende Juli 7 Prozent, während der amerikanische Aktienindex S&P 500 (in Euro) 4 Prozent und der MSCI Emerging Markets (in Euro) sogar knapp 10 Prozent zulegten. Laut Fondsmanager Boris Jurczyk wurde viel Geld aus Europa abgezogen. Aktuelle Fondsmanagerumfragen zeigten, dass Europa inzwischen als Anlageregion in den Portfolios untergewichtet ist. Das hätte es, seiner Meinung nach, längere Zeit nicht mehr gegeben.

Belastungsfaktoren für Europa

Vor allem drei große Themen haben nach Meinung Jurczyks die Stimmung in Europa zerstört: politische Unsicherheit durch das Brexit-Votum, die Bankenkrise in Italien und die Terroranschläge. Die Unsicherheit über den weiteren Verlauf des EU-Austritts Großbritanniens wirkt sich zum einen auf das Investitionsverhalten von Unternehmen aus. Die Fluggesellschaft Ryanair beispielweise will geplante Investitionen für Großbritannien auf das europäische Festland verschieben. Der Einkaufsmanagerindex, ein wichtiges Konjunktur-Barometer, ist in Großbritannien auf dem niedrigsten Stand seit sieben Jahren gefallen.

Jurczyk erklärt weiter, dass die Brexit-Entscheidung auch Investoren außerhalb Europas verunsichere. Hinzu kämen Nachrichten von Terroranschlägen, die schnell zu einer Entscheidung gegen Europa führten. Doch die Terroranschläge schreckten nicht nur Investoren aus Übersee ab. Sie könnten sich mittelfristig auch auf die europäische Wirtschaft auswirken. Beispielsweise würde weniger gereist werden. Gewinnwarnungen von Fluggesellschaften – wie jüngst von Lufthansa und Easyjet – seien, so Jurczyk, häufig ein Vorbote einer wirtschaftlichen Abschwächung.

Der dritte große Belastungsfaktor für Europa ist die Bankenkrise in Italien. Der europäische Bankenstresstest hat die Probleme des Bankensektors erneut deutlich aufgezeigt. Nach Ansicht von Boris Jurczyk bleibt der Bankensektor in ganz Europa für Aktienanleger erst einmal äußerst unattraktiv.

Fünf Gründe für europäische Aktien

Trotz der Unsicherheitsfaktoren, die den Markt auch in der zweiten Jahreshälfte begleiten dürften, sind europäische Aktien attraktiv. Jeder größere Rückschlag an den europäischen Aktienmärkten ist für Jurczyk mittelfristig eine Kaufgelegenheit. Für die Anlageregion sprechen seiner Meinung nach vor allem fünf Gründe:

• Politische Risiken sind größtenteils bekannt und im Markt eingepreist
Zwar herrscht viel Unsicherheit, wie es politisch in der Europäischen Union weitergeht, der Markt ist sich der Risiken aber bewusst. Das gilt auch für den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf, der die Märkte in den kommenden Monaten beschäftigen dürfte. • Die Geldpolitik der Notenbanken wird unterstützend für Aktien bleiben
Durch die Brexit-Entscheidung ist mit weiteren Lockerungsmaßnahmen zu rechnen. Die Europäische Zentralbank hat es bislang nicht geschafft, die Inflation anzukurbeln. Es könnten neue Maßnahmen folgen, auch extreme, bislang unvorstellbare Instrumente wie Helikoptergeld sind nicht mehr völlig abwegig. • Das Wirtschaftswachstum in Europa bleibt positiv
Auch wenn Großbritanniens angekündigter EU-Austritt und die Terrorgefahr einen negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Stimmung haben, bleibt das Wachstum in Europa deutlich positiv. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass Europa in eine Rezession abdriften könnte.

• Europäische Aktien sind im Vergleich zu US-Aktien attraktiv bewertet
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 liegt auf einem Fünf-Jahres-Hoch, während das KGV des Euro Stoxx 50 noch 15 Prozent unter dem Fünf-Jahres-Hoch liegt. • Das Sentiment für europäische Aktien ist extrem negativ
Eine extrem schlechte Stimmung ist oft ein sehr guter Indikator für einen Trendwechsel.

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