Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau
Kaum Vertrauen in den Wohlstandsmotor
Jörn Quitzau, Volkswirt bei der Berenberg Bank und Leiter des Bereichs Wirtschaftstrends. Foto: Berenberg
Die konstitutiven Merkmale der Marktwirtschaft sind Arbeitsteilung, Wettbewerb und Privateigentum, erklärt Jörn Quitzau. Alle drei stehen immer wieder und auch aktuell unter Rechtfertigungsdruck, so der Volkswirt bei der Berenberg Bank.
Privateigentum
Die Marktwirtschaft ist auch deshalb so erfolgreich, weil sie – im Unterschied zum Sozialismus – auf Privateigentum setzt. Im täglichen Leben lässt sich beobachten, dass Menschen mit Privateigentum tendenziell pfleglicher und sorgsamer umgehen, als mit Dingen, die sich im Besitz der Allgemeinheit befinden. Wirtschaftstheoretisch lässt sich zeigen, dass immer dort, wo Eigentumsrechte nicht klar definiert sind, gesamtwirtschaftlich ineffiziente Ergebnisse auftreten.
Im Grundgesetz Artikel 14 Absatz 2 heißt es: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Die Verfassung nimmt die Bürger also in die Pflicht, ihr Eigentum auch im Sinne...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Privateigentum
Die Marktwirtschaft ist auch deshalb so erfolgreich, weil sie – im Unterschied zum Sozialismus – auf Privateigentum setzt. Im täglichen Leben lässt sich beobachten, dass Menschen mit Privateigentum tendenziell pfleglicher und sorgsamer umgehen, als mit Dingen, die sich im Besitz der Allgemeinheit befinden. Wirtschaftstheoretisch lässt sich zeigen, dass immer dort, wo Eigentumsrechte nicht klar definiert sind, gesamtwirtschaftlich ineffiziente Ergebnisse auftreten.
Im Grundgesetz Artikel 14 Absatz 2 heißt es: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Die Verfassung nimmt die Bürger also in die Pflicht, ihr Eigentum auch im Sinne des Gemeinwohls einzusetzen. Ob damit Vorstöße wie aktuell beispielsweise von der Partei Die Linke zur Enteignung bestimmter Immobilienbesitzer kompatibel sind, sei dahingestellt.
Tatsächlich kommen Vermögende ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in unterschiedlicher Form nach.4 So liegt ihr Vermögen nicht brach, vielmehr investieren sie es und bringen es so wieder in den Wirtschaftskreislauf ein. Auch sind die Zeiten der rigorosen Gewinn- und Eigennutzmaximierung des angelsächsischen Shareholder-Value-Ansatzes vorbei. Obwohl Gewinnerzielung selbstverständlich das Hauptmotiv unternehmerischen Handelns bleibt, gehört für viele Unternehmen heute das Thema Corporate Social Responsibility (CSR) wie selbstverständlich zur Firmenphilosophie dazu.
Auch sonst ist Verantwortungsbewusstsein an vielen Stellen zu beobachten: Über Stiftungen werden soziale Projekte, Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur gefördert. Rund drei Viertel des deutschen Spendenaufkommens von Privatpersonen fließt in die humanitäre Hilfe. Es gibt auch innovative Konzepte: Eine steigende Zahl von Profifußballern und Trainern zahlt freiwillig ein Prozent des Gehalts im Rahmen der Initiative „Common Goal“ für soziale Projekte, die Bezug zum Fußball haben. Und schließlich haben sich zahlreiche amerikanische und internationale „Super-Reiche“ auf Initiative von Bill und Melinda Gates sowie Warren Buffet zusammengeschlossen, um einen Großteil ihrer Vermögen philanthropischen Zwecken zugutekommen zu lassen („The Giving Pledge“).
Abbildung 2: Spendenaufkommen deutscher Privatpersonen
Wer marktwirtschaftlich denkt, hat Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein des Privatsektors. Solidarität und Altruismus gibt es auch ohne staatlichen Zwang. Deshalb ist sozialer Ausgleich kein Fremdkörper in einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Die Teilhabe am marktwirtschaftlichen Prozess setzt ein Mindestmaß an Leistungsfähigkeit voraus. Kranke, Alte und Invalide verfügen meist nicht über die notwendige Leistungsfähigkeit, deshalb muss ihnen geholfen werden. Eine solche Hilfe könnte prinzipiell auch privat organisiert werden. Allerdings hat der Staat ein vollständigeres Bild darüber, wer tatsächlich bedürftig ist und kann deshalb ein soziales Netz aufspannen, durch das niemand durchfällt und das zumindest eine Basissicherung gewährleistet.
Ein gut funktionierender Sozialstaat leistet also denen Hilfe, die sich nicht selbst helfen können. Diese Form der Solidarität wird von keiner relevanten gesellschaftlichen Gruppe infrage gestellt. Zudem trägt ein gewisses Maß an Umverteilung zum sozialen Frieden bei und ist somit auch im Interesse derer, die diese Umverteilung finanzieren. Es geht also nicht um die grundsätzliche Frage, ob ein Sozialstaat überhaupt gebraucht wird – dafür liegen die Vorteile eines gut konzipierten Sozialstaats zu sehr auf der Hand. Beim Wunsch nach sozialem Ausgleich muss aber immer auch die Finanzierungsseite berücksichtigt und der Respekt vor dem Privateigentum bewahrt werden.
4 ausführlich Berenberg/HWWI (2013), Verantwortung.
- Seite 1 − Wettbewerb
- Seite 2 − Privateigentum
- Seite 3 − Arbeitsteilung
Über den Autor