Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau
Kaum Vertrauen in den Wohlstandsmotor
Jörn Quitzau, Volkswirt bei der Berenberg Bank und Leiter des Bereichs Wirtschaftstrends. Foto: Berenberg
Die konstitutiven Merkmale der Marktwirtschaft sind Arbeitsteilung, Wettbewerb und Privateigentum, erklärt Jörn Quitzau. Alle drei stehen immer wieder und auch aktuell unter Rechtfertigungsdruck, so der Volkswirt bei der Berenberg Bank.
Arbeitsteilung
Arbeitsteilung, Spezialisierung und anschließender Tauschhandel sind der Motor für wirtschaftliche Effizienz. Wenn sich Arbeitskräfte auf ihre besonderen Fähigkeiten spezialisieren, wird ein Höchstmaß an Wachstum und Wohlstand erreicht. Dies gilt sowohl für die Arbeitsteilung zwischen Einzelpersonen, als auch für die Arbeitsteilung über Landesgrenzen hinweg, die letztlich zum internationalen Güterhandel führt.
Die Folge ist aber nicht nur höhere Effizienz, sondern auch eine stärkere Spreizung der Einkommen. Menschen mit besonders nachgefragten Begabungen erzielen hohe Einkommen, wenn sie sich beruflich auf ihre besonderen Fähigkeiten fokussieren. Einige Eigenarten der Marktwirtschaft...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Arbeitsteilung
Arbeitsteilung, Spezialisierung und anschließender Tauschhandel sind der Motor für wirtschaftliche Effizienz. Wenn sich Arbeitskräfte auf ihre besonderen Fähigkeiten spezialisieren, wird ein Höchstmaß an Wachstum und Wohlstand erreicht. Dies gilt sowohl für die Arbeitsteilung zwischen Einzelpersonen, als auch für die Arbeitsteilung über Landesgrenzen hinweg, die letztlich zum internationalen Güterhandel führt.
Die Folge ist aber nicht nur höhere Effizienz, sondern auch eine stärkere Spreizung der Einkommen. Menschen mit besonders nachgefragten Begabungen erzielen hohe Einkommen, wenn sie sich beruflich auf ihre besonderen Fähigkeiten fokussieren. Einige Eigenarten der Marktwirtschaft tragen dazu bei, dass die Einkommen gegebenenfalls sogar ohne zusätzlichen Arbeitseinsatz noch weiter nach oben „gehebelt“ werden. So sind im Zuge der Globalisierung Handelsschranken gefallen, wodurch größere Märkte bedient werden können. Besonders kräftig fällt der Einkommenseffekt aus, wenn sich die angebotene Dienstleistung oder das angebotene Produkt ohne nennenswerte Grenzkosten herstellen lässt – in dem Fall ist es für die Gesamtkosten egal, ob wenige oder viele Kunden beliefert werden.
Schon lange lässt sich das im Medienbereich beobachten: Dank der „medialen Hebel“ können etwa Musiker, Künstler oder Profisportler ihre Leistung an ein um ein Vielfaches größeres Publikum verkaufen. Dieses Phänomen wird nun durch die Digitalökonomie verstärkt. Werden Produkte bzw. Dienstleistungen nur noch digital vertrieben, entstehen pro verkaufter Einheit kaum zusätzliche Kosten, was tendenziell zur Monopolbildung beiträgt. Diese Monopolisten der Digitalökonomie können im Extremfall den gesamten Weltmarkt versorgen und entsprechend hohe Einkommen generieren. Es ist kein Zufall, dass die neuen „Super-Reichen“ oft aus dem Silicon Valley und aus Chinas Digitalwirtschaft stammen.
Ein Blick auf die Einkommensverteilung in den USA zeigt, dass der Abstand zwischen „oben“ und „unten“ tatsächlich immer größer wird. Das allein wäre nicht sonderlich schlimm, wenn alle Teile der Gesellschaft vom steigenden Wohlstand profitieren. In den USA aber stagnierten die Einkommen der unteren Hälfte der Einkommenspyramide in den letzten fünfzig Jahren weitgehend. Während die Globalisierung größere Märkte schafft und dementsprechend die oberen Einkommenssegmente begünstigt, geraten die Einkommen am unteren Ende tendenziell unter Druck, weil die geringer qualifizierten Arbeitskräfte neue Konkurrenz aus den Niedriglohnländern bekommen.
Abblildung 3: Einkommensverteilung in den USA – Durchschnitt der Einkommens-Quintile
Politisch ist eine derart weit geöffnete Einkommensschere ein Problem. Die ungleiche Einkommensverteilung dürfte auch ein Grund für die Abkehr vom Freihandel und die „America first“-Politik des US-Präsidenten Trump sein. Deutschland steht bei der Einkommensverteilung wegen seines vergleichsweise guten Ausbildungssystems und wegen des auf Ausgleich zielenden Sozialstaats besser da. Dennoch kann der digitale Wandel zu einer Wirtschaft führen, die in größeren Teilen nach dem Prinzip „The winner takes it all“ funktioniert und entsprechende Folgen für die Einkommensverteilung haben könnte. Deshalb sind künftig möglicherweise auch hierzulande neue Konzepte für den sozialen Ausgleich nötig.
Fazit
Obwohl Märkte nicht perfekt sind, dürfen offensichtliche Fehlentwicklungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Marktwirtschaft im Großen und Ganzen immer wieder maßgeblich zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt beigetragen hat. Auch die heute drängenden Probleme werden wohl mit marktwirtschaftlichen Ansätzen und Prinzipien eher gelöst, als wenn die Welt auf sie verzichten würde.
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