Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau
Zwischen Moral und Gewinn
Aktualisiert am 06.03.2020 - 16:36 Uhr
Umweltdemonstranten: Rücksichtsloses Verhalten von Unternehmen wird in vielen Fällen am Markt abgestraft.
Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau erklärt, warum die Shareholder-Stakeholder-Debatte überholt ist und der Markt sich von ganz alleine reguliert.
Beim Weltwirtschaftsforum in Davos werden wieder die großen Themen der Wirtschaft diskutiert. Dabei wird es auch um die Zukunft des Kapitalismus gehen. Der sogenannte Shareholder-Kapitalismus, der das Leben an den Finanzmärkten lange bestimmte, hat inzwischen einen schweren Stand.
„Shareholder Value“ ist das Etikett für ein Konzept, bei dem das unternehmerische Handeln primär oder ausschließlich an den finanziellen Interessen der Unternehmens- oder Anteilseigner ausgerichtet ist. Gewinnmöglichkeiten sind im Rahmen der bestehenden Gesetze zu realisieren, ganz gleich, was die damit verbundenen Entscheidungen für Mitarbeiter, Kunden, die Gesellschaft oder die Umwelt bedeuten.
Kritiker...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Beim Weltwirtschaftsforum in Davos werden wieder die großen Themen der Wirtschaft diskutiert. Dabei wird es auch um die Zukunft des Kapitalismus gehen. Der sogenannte Shareholder-Kapitalismus, der das Leben an den Finanzmärkten lange bestimmte, hat inzwischen einen schweren Stand.
„Shareholder Value“ ist das Etikett für ein Konzept, bei dem das unternehmerische Handeln primär oder ausschließlich an den finanziellen Interessen der Unternehmens- oder Anteilseigner ausgerichtet ist. Gewinnmöglichkeiten sind im Rahmen der bestehenden Gesetze zu realisieren, ganz gleich, was die damit verbundenen Entscheidungen für Mitarbeiter, Kunden, die Gesellschaft oder die Umwelt bedeuten.
Kritiker sind mit dieser Art des Wirtschaftens schon immer hart ins Gericht gegangen: Begriffe wie Raubtier-Kapitalismus oder die einst von Franz Müntefering losgetretene Heuschrecken-Debatte zeigen, wie sehr zumindest die Auswüchse des Shareholder-Value-Ansatzes abgelehnt werden.
Nachdem die „grüne Welle“ nun neben der Politik auch immer mehr an die Finanzmärkte schwappt, gerät das Shareholder-Value-Konzept kräftig ins Wanken. Unternehmen werden es künftig schwerer haben, finanzielle Werte zu mehren, wenn sie dabei die gesellschaftlich verankerten ethisch-moralischen Werte nicht angemessen berücksichtigen.
Neben den Interessen der Shareholder sollen auch die Interessen der übrigen Stakeholder berücksichtigt werden, zu diesen gehören: die Umwelt, die Mitarbeiter, die Kunden, aber auch die Gesellschaft, in der das jeweilige Unternehmen tätig ist. So prägt der Stakeholder-Ansatz in diesem Jahr auch das Programm des Weltwirtschaftsforums in Davos.
Der Stakeholder-Ansatz ist nicht neu
Als Mitte August 2019 der amerikanische Wirtschaftsverband Business Roundtable forderte, der Shareholder solle künftig nur noch einer unter mehreren Anspruchsberechtigten sein, wurde dies in vielen Medien als Zeitenwende gefeiert. Stakeholder- statt Shareholder-Kapitalismus war die kaum versteckte Botschaft.
Tatsächlich handelt es sich dabei um einen offenen Widerspruch zur bekannten These des Wirtschaftsnobelpreisträgers Milton Friedman, der 1970 formulierte: „The social responsibility of business is to increase its profits“.
Doch ist diese Stakeholder-Orientierung wirklich so neu, wie es die Dynamik der medialen Berichterstattung vermuten lässt? Eher nicht. Der Text von Milton Friedman, den er vor 50 Jahren für das New York Times Magazine geschrieben hatte, war gegen die damaligen Manager gerichtet, die sich nach Friedmans Einschätzung zu wenig um die Interessen der Shareholder und zu viel um die Interessen sonstiger Anspruchsgruppen kümmerten.
Über den Autor