Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau
Zwischen Moral und Gewinn
Aktualisiert am 06.03.2020 - 16:36 Uhr
Umweltdemonstranten: Rücksichtsloses Verhalten von Unternehmen wird in vielen Fällen am Markt abgestraft.
Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau erklärt, warum die Shareholder-Stakeholder-Debatte überholt ist und der Markt sich von ganz alleine reguliert.
Wir erleben also heute eher eine Gegenbewegung beziehungsweise eine Rückbesinnung auf Werte, die vor 50 Jahren selbst im Mutterland des Kapitalismus weit verbreitet waren. Und möglicherweise erleben wir die Korrektur von Exzessen des Shareholder-Value-Konzepts, bei denen einzelne Akteure durch Verstöße gegen gesellschaftliche Normen und Werte finanzielle Vorteile für sich herausgeschlagen haben.
Was ist wichtiger: Gute Motive oder gute Ergebnisse?
Man muss aber gar nicht bis zum Jahr 1970 zurück blicken: Unter dem Begriff Corporate Social Responsibility haben sich viele Unternehmen in den vergangenen zwei Dekaden ihrer gesellschaftlichen Verantwortung verpflichtet....
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Wir erleben also heute eher eine Gegenbewegung beziehungsweise eine Rückbesinnung auf Werte, die vor 50 Jahren selbst im Mutterland des Kapitalismus weit verbreitet waren. Und möglicherweise erleben wir die Korrektur von Exzessen des Shareholder-Value-Konzepts, bei denen einzelne Akteure durch Verstöße gegen gesellschaftliche Normen und Werte finanzielle Vorteile für sich herausgeschlagen haben.
Was ist wichtiger: Gute Motive oder gute Ergebnisse?
Man muss aber gar nicht bis zum Jahr 1970 zurück blicken: Unter dem Begriff Corporate Social Responsibility haben sich viele Unternehmen in den vergangenen zwei Dekaden ihrer gesellschaftlichen Verantwortung verpflichtet. Kaum ein Großunternehmen, das nicht schon auf der Homepage prominent auf seine Aktivitäten im Bereich Nachhaltigkeit, gesellschaftliche oder soziale Verantwortung hinweist.
Die Erkenntnis, dass ein Unternehmen mehr leisten muss als nur den kurzfristigen Gewinn zu maximieren, ist längst in der heutigen Unternehmenskultur verankert. Wobei der Vorwurf des „Greenwashing“ stets mitschwingt: Kritiker weisen darauf hin, dass sich Unternehmen aus PR-Gründen nur einen grünen oder nachhaltig-verantwortungsbewussten Anstrich geben, ohne dass das Verhalten des Unternehmens mit diesem Anspruch in Einklang steht. Solch ein Verhalten wäre eine Täuschung der Kunden und der sonstigen Stakeholder.
Nicht ganz so scharf ist der Vorwurf, dass Unternehmen sich zwar tatsächlich sozial und ökologisch engagieren, aber nicht aus einem ehrlichen inneren Antrieb heraus. Vielmehr gehe es ihnen lediglich darum, mit dem so erworbenen positiven Image am Markt noch erfolgreicher zu werden und die Gewinne weiter zu erhöhen.
Doch dieser Vorwurf ist nicht zielführend. Erstens lässt sich über die Motive der Akteure lediglich spekulieren. Zweitens sollten die Handlungen der Unternehmen an den Ergebnissen gemessen werden und nicht an ihren Motiven. Denn gute Ergebnisse, die mittelmäßigen Motiven entspringen, sind sicher hilfreicher als schlechte Ergebnisse, denen gut gemeinte Absichten zugrunde lagen.
An dieser Stelle droht die eigentliche Gefahr für unsere Wirtschaftsordnung und für unseren Wohlstand. Marktwirtschaftliche Systeme werden von Anreizen gesteuert. Höchstleistungen sind ohne die entsprechenden Leistungsanreize kaum möglich. Wer Leistung erbringt, möchte im Regelfall selbst etwas davon haben. Mit anderen Worten: Die Marktwirtschaft ist deshalb so erfolgreich, weil sie sich das Eigennutzstreben der Menschen zu Eigen macht.
Die Motivlage der Menschen spielt für den wirtschaftlichen Erfolg nur eine untergeordnete Rolle. Das ist wohl der tieferliegende Grund, weshalb Marktwirtschaft und Kapitalismus in Teilen der Gesellschaft schlecht beleumundet sind.
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