Modern Monetary Theory
Mehr Schaden als Nutzen
Aktualisiert am 29.09.2020 - 11:40 Uhr
Jörn Quitzau ist Volkswirt und Leiter des Bereichs Wirtschaftstrends bei der Berenberg Bank. Foto: Berenberg
In den USA erregt die Modern Monetary Theory gerade viel Aufmerksamkeit, denn sie stellt bewährte ökonomische Grundsätze infrage. Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau sieht darin keinen Nutzen für die Praxis.
Die kanadische Notenbank darf die Regierung zu gewissen Teilen sogar schon standardmäßig legal direkt mit Zentralbankgeld ausstatten.[4] Die befürchteten Konsequenzen für die Verbraucherpreise blieben auch hier bisher aus. Berücksichtigt werden muss allerdings auch der recht begrenzte Umfang der direkten Kapitalausstattung.
Seit der Aufhebung der Golddeckung ist auch die Geldbasis der Federal Reserve stetig und seit 2009 kräftig angestiegen (siehe Abbildung). Eine nennenswert höhere Inflation ist mit der starken Zunahme der Geldmenge ab 2009 nicht einhergegangen.
Auch wenn die Verbraucherpreisinflation nicht wie befürchtet in die Höhe geschossen ist, sieht es bei den Vermögenspreisen...
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Die kanadische Notenbank darf die Regierung zu gewissen Teilen sogar schon standardmäßig legal direkt mit Zentralbankgeld ausstatten.[4] Die befürchteten Konsequenzen für die Verbraucherpreise blieben auch hier bisher aus. Berücksichtigt werden muss allerdings auch der recht begrenzte Umfang der direkten Kapitalausstattung.
Seit der Aufhebung der Golddeckung ist auch die Geldbasis der Federal Reserve stetig und seit 2009 kräftig angestiegen (siehe Abbildung). Eine nennenswert höhere Inflation ist mit der starken Zunahme der Geldmenge ab 2009 nicht einhergegangen.
Auch wenn die Verbraucherpreisinflation nicht wie befürchtet in die Höhe geschossen ist, sieht es bei den Vermögenspreisen anders aus. Internationale Aktienindizes stiegen parallel zur Auflage diverser Ankaufprogramme und einer generell lockeren Geldpolitik. Zudem sind die Immobilienpreisen insbesondere in den städtischen Ballungsgebieten – auch in Deutschland – deutlich gestiegen.[5]
Die gestiegene Geldmenge hat also nicht zum befürchteten Anstieg der Verbraucherpreise geführt, sehr wohl hat sie aber einen Einfluss auf die gestiegenen Vermögenspreise. Dies kann für die Zentralbanken ein erwünschter Übertragungskanal ihrer geldpolitischen Entscheidungen sein, es kann sich aber auch um eine unerwünschte Nebenwirkung der Geldpolitik handeln, die später korrigiert werden muss.
Sollten die Notenbanken die ausufernden Staatschulden einfach abschaffen?
Zuletzt wurde gelegentlich die Forderung laut, die Staatschulden in den Büchern der Notenbanken einfach zu streichen [6]. Mit Blick auf die hohen Staatsschulden meinen manche Beobachter, dass diese Schuldenstände ohnehin nicht mehr rückführbar seien. So nähert sich der japanische Schuldenstand der Marke von 250 Prozent des BIP.
Ein solcher Schritt käme einer Zäsur gleich. Die Glaubwürdigkeit der Notenbanken und des gesamten Geldsystems würde erschüttert. Notenbanken handeln nicht im ökonomisch luftleeren Raum und auch sie müssen sich an bestimmte wirtschaftliche Regeln halten. So führen Notenbanken eine Bilanz mit einer Aktiv- und einer Passivseite, die sich wertmäßig entsprechen müssen. Die Anleihen, die eine Notenbank kauft, befinden sich auf der Aktivseite. Würde man diese streichen, also auf einen Schlag abschreiben, entsteht zwischen Aktiv- und der Passivseite eine erhebliche Differenz. Insbesondere wenn man an die japanische Notenbank denkt, die in diesem Fall 40 Prozent der gesamten japanischen Staatsverschuldung abschreiben würde.
Die Abschreibung der Vermögenswerte kommt dabei einem Verlust gleich. Im Falle des angesprochenen Volumens würde dieser das Eigenkapital der Zentralbank weit übersteigen. Daher würde es komplett aufgezehrt und die Differenz zwischen den beiden Seiten der Zentralbankbilanz dennoch nicht geschlossen sein. Um diesen Umstand zu beheben würde die Zentralbank einen Ausgleichsposten auf der Aktivseite einführen. Bei diesem handelt es sich dann faktisch um negatives Eigenkapital.
- [4] Dies geht aus einem Aufsatz des Wissenschaftsdienstes des kanadischen Parlaments mit dem Titel “How the Bank of Canada Creates Money for the Federal Government: Operational and Legal Aspects” von 2015 hervor.
- [5] Wohin eine ausufernde Spirale der Vermögenspreisinflation führen kann, hatte man unter Alan Greenspans Ära und der sich anbahnenden Finanzkrise 2007 eindrucksvoll sehen können.
- [6] Konkret ging es hier um bis zu 250 Milliarden Euro an italienischen Staatsschulden, die nach Ansicht der populistischen Regierungsparteien aus den Büchern des Eurosystems gestrichen werden sollten. Vgl. hierzu auch Welt (2018), Italien schockiert mit Forderung nach Schuldenerlass, URL (abgerufen am 19.08.2019): https://www.welt.de/finanzen/geldanlage/article176416762/250-Milliarden-Euro-Italien-schockt-mit-Forderung-nach-Schuldenerlass.html.
Auch Japan kämpft wie Italien mit einer drastischen Staatsverschuldung, wenngleich die Ausmaße auf der Pazifikinsel noch weitaus gravierender sind. Reinhard Panse, Chefstratege beim Harald Quandt Trust, betitelte die japanische Notenbank gar als konsequentes Endlager für die japanischen Staatsanleihen. Durch die Einlagerung und anschließende Streichung sei das Schuldenproblem gelöst und der Weg für Zinserhöhungen frei – dies sei im Sinne der Sparer. Vgl. hierzu auch Welt (2019), Für das globale Schuldenproblem gibt es nur eine Lösung, URL (abgerufen am 28.06.2019): https://www.welt.de/finanzen/article188261147/Staatsschulden-Fuer-das-globale-Schuldenproblem-gibt-es-nur-eine-Loesung.html.
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