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Bergos-Berenberg-Experte „Aktien sind derzeit nicht teuer“

Für die Zukunft erwarten wir bei Bergos Berenberg ein weiterhin stabiles US-Wachstum”, sagt Till Budelmann, Kapitalmarktstratege bei Bergos Berenberg.
Für die Zukunft erwarten wir bei Bergos Berenberg ein weiterhin stabiles US-Wachstum”, sagt Till Budelmann, Kapitalmarktstratege bei Bergos Berenberg. | Foto: Bergos Berenberg

Sind Aktien global über- oder unterbewertet? Wie sieht es in diesem Zusammenhang in den Regionen der Welt aus? Und welches Bild ergibt sich bei den einzelnen Sektoren? Seit 2004 gehen wir bei der Betrachtung der Bewertungen der Märkte einheitlich vor und kommen aktuell zu dem Schluss: Trotz der bisherigen Aufwärtsbewegung in 2019 sind Aktien global gesehen weiterhin eher günstig bewertet.

Unsere Analysen zur Marktbewertung stützen sich auf einen Forward-P/E (Price/Earnings)-Ansatz. Das P/E-Verhältnis (auf Deutsch „KGV“ abgekürzt) ist das Ergebnis einer einfachen Rechnung: Der aktuelle Aktienkurs wird durch den letzten Jahresgewinn pro Aktie geteilt, den das Unternehmen erzielt hat. Daraus lässt sich ersehen, wie oft man den aktuellen Gewinn pro Jahr bezahlt, wenn man eine Aktie ins Portfolio nimmt. Das Forward-P/E ist eine Erweiterung dieses Ansatzes: Für die Berechnung des P/E-Verhältnisses werden nicht die zuletzt erwirtschafteten Unternehmensgewinne berücksichtigt, sondern die Gewinne, die für die Zukunft prognostiziert werden.

Für unsere Analysen ziehen wir den aktuell aus 2.852 Titeln bestehenden MSCI All Country World Index (MSCI ACWI) heran. Aus der Rückschau auf die Spanne der vergangenen 20 Jahre ergibt sich folgende Bewertung: Als günstig erachten wir ein Forward-P/E über zwölf Monate mit dem Wert 11, als teuer mit dem Wert 25. Extremwerte – wie einerseits kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase oder andererseits auf dem Höhepunkt der Finanzkrise – wurden dabei bewusst ausgeklammert. Aktuell haben wir einen Wert von 15 ermittelt, der zu Anfang des Jahres zunächst sogar noch bei 13 lag. Anfang 2018 war der Markt etwas höher bewertet, hier konnten wir einen Wert von knapp 17 ablesen. Globale Aktien warten im historischen Durchschnitt derzeit demnach mit moderaten Bewertungen auf.

Des Weiteren sollten die veränderten Gewichtungen innerhalb des MSCI ACWI bei der Analyse berücksichtigt werden: Sieht man sich die vor allem über das letzte Jahrzehnt veränderte Struktur des hoch gewichteten US-Anteils an, sind die massiven Verschiebungen in der Index-Zusammenstellung auffällig. Heute handelt es sich bei den fünf größten Unternehmen durchgehend um hochmargige Titel, namentlich Alphabet, Amazon, Apple, Facebook und Microsoft. Aufgrund des langjährigen und weiterhin prognostizierten Wachstums wird diesen Unternehmen als Gruppe auch ein höheres P/E beigemessen. Amazon zum Beispiel liegt aktuell bei einem Forward P/E-Wert von 50. Dadurch kommt es zu einer strukturellen Verzerrung der Bewertung von US-Aktien insgesamt. Das Interessante dabei: Weil diese fünf Unternehmen inzwischen ein wichtiger Baustein im gesamten Index sind, liegt eine Verzerrung in Richtung hoher P/E-Werte auf der Hand. Und trotzdem bewegen sich die Bewertungen insgesamt unter dem historischen Schnitt – das ist bemerkenswert.

Bewertungen dürften tendenziell eher steigen

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Wir gehen davon aus, dass sich die Bewertungen über die kommenden Quartale eher ausweiten. Je unattraktiver beispielsweise Anleihen sind, desto eher sollten Aktien im Kurs steigen. Die Bond-Yields notieren derzeit deutlich unter ihrem historischen Schnitt. Das würde eigentlich implizieren, dass Aktien-P/Es über ihrem historischen Schnitt notieren müssten – das tun sie aber nicht. Besonders relevant erscheint die Niedrigzinspolitik der Notenbanken, deren Zinsen, von der US-Notenbank (Fed) einmal abgesehen, um null tendieren. Doch auch mit Blick auf die Fed ist inzwischen mit Zinssenkungen über die nächsten zwölf Monate zu rechnen. Es besteht also nicht die Aussicht, dass Bonds perspektivisch lukrativer werden – was Aktien auf der anderen Seite grundsätzlich stützen sollte. Die relative Bewertung von Aktien gegen Bonds, bezogen auf die USA, näherte sich zuletzt dem Hochpunkt vom 24. Dezember 2018 als die Märkte ihren letzten Tiefpunkt erlebten. Das bedeutet: Trotz der positiven Entwicklung im laufenden Kalenderjahr sind US-Aktien derzeit im Vergleich zu Renten noch immer günstig bewertet. Und US-Aktien machen wiederum 55 Prozent des MSCI ACWI aus.

Es gilt jedoch: Die P/E-Analyse basiert auf aktuellen Kursen und (zuletzt bereits abgesenkten) Analystenschätzungen. Inwieweit der schwelende Handelskonflikt die Gewinnaussichten weiter drücken und damit einen Einfluss auf die globalen Aktienbewertungen haben wird, ist bislang noch nicht vollumfänglich abzusehen.

Der Hintergrund der moderaten Bewertungen ist nicht zuletzt auch im Stress zu sehen, dem die Marktteilnehmer sich durch den Handelskonflikt ausgesetzt sehen. So schockten Anfang Mai Tweets von US-Präsident Trump, dass kurzfristig nun doch drastischere Zollerhöhungen gegenüber China ins Haus stehen. Der Markt erlebte einen exogenen Schock, die Marktteilnehmer waren vorher fest davon ausgegangen, dass es bald zu einer Beilegung des Konflikts kommt.

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