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Bert Flossbach: „Die Währung killt Europa“

Bert Flossbach
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DAS INVESTMENT: Wenn Griechenland angeblich nur noch Geld bis Mitte Juli hat, warum stemmt sich die Europäische Zentralbank (EZB) mit aller Macht gegen jede Art der Umschuldung? Bert Flossbach: Das sind alles nur politische Spiele. Diese Äußerungen sind reines Wunschdenken. Wir sind hier aber nicht bei ‚Wünsch dir was‘, sondern es zählen die Fakten. Und wie ist die Faktenlage? Flossbach: Griechenland ist nicht mehr in der Lage, seine Schulden zurückzuzahlen. Alle Wirtschaftsdaten sind schlechter ausgefallen als erwartet. Den Anteil der Schulden am Bruttoinlandsprodukt (BIP) taxieren wir per Ende 2011 inzwischen schon auf 156 Prozent. Tendenz steigend, trotz aller Rettungsmaßnahmen. Da hilft nur ein drastischer Schuldenschnitt. Wie sollte der aussehen? Flossbach: Drei Viertel der Schulden müssen weg. Und selbst dann hat Griechenland immer noch eine für dieses Land sehr hohe Verschuldung von 40 Prozent. Die EZB argumentiert, dass sie bei einer Umschuldung die Kreditversorgung griechischer Banken zum Großteil einstellen muss. Das würde zum Kollaps von Griechenlands Banken führen. Flossbach: Was wäre denn die Alternative? Ein Haircut, also eine Verlängerung der Laufzeiten bei gleichzeitiger Zinssenkung für die griechischen Schulden, ist immer noch zehnmal billiger als die Rettung Griechenlands nach der Staatspleite. Was passiert nach der Umschuldung? Kommt Griechenland dann allein klar? Flossbach: Es wird auf jeden Fall schwer, solange Griechenland die Eurozone nicht verlässt. Um eine schmerzhafte interne Abwertung mit fallenden Lohnkosten wird Griechenland wahrscheinlich nicht herumkommen. Das Land hat einfach kein tragendes Geschäftsmodell. Bisher hat es vor allem EU-Subventionen abgegraben. Als Werkbank der Industrieländer kommt es nicht infrage, weil die Löhne zu hoch sind. Außer Tourismus und Landwirtschaft gibt es nichts. Wie hoch ist die Gefahr, dass Spanien und Portugal mit in den Strudel gerissen werden? Flossbach: Die Gefahr besteht. In Spanien ist die Lage allerdings nicht ganz so kritisch. Die Schulden sind mit 63 Prozent des BIPs deutlich niedriger. Und die großen Privatbanken sind vergleichsweise gut mit Eigenkapital ausgestattet. Probleme haben vor allem die regionalen Sparkassen, die Cajas, mit ihren Immobilienfinanzierungen. Steigen die kurzfristigen Zinsen auf 4 bis 5 Prozent, kippen spanische Hypothekennehmer und Immobilienentwickler reihenweise um. Portugal hat ebenso wie Griechenland kein nachhaltiges Geschäftsmodell. Und auch hier sind die Löhne relativ gesehen zu hoch. Ihr Fazit? Flossbach: Die Währung killt Europa. Solange die extremen nationalen Unterschiede nicht durch Währungskursentwicklungen reflektiert werden, werden die Probleme immer größer. Ein endloses Rettungsprogramm und künstlich niedrige Zinsen führen zwangsläufig zu Inflation in bis dato nicht gekanntem Ausmaß.

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