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Aktualisiert am 27.03.2020 - 11:29 UhrLesedauer: 9 Minuten
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Bert Flossbach im Interview Herr Flossbach, sind die Märkte infiziert?

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Wurde das Portfolio auch gegen den fallenden US-Dollar abgesichert?

Flossbach: Wir haben erwartet, dass die US-Notenbank die Zinsen senken wird, auch weil sie einfach noch mehr Spielraum als beispielsweise die EZB hat. Damit sinkt die Zinsdifferenz zwischen den USA und dem Euroraum und damit könnte der US-Dollar als Anlagewährung an Attraktivität einbüßen und als sicherer Hafen weniger gesucht sein. Als der Dollar dann tatsächlich etwas abgewertet hat, war das Portfolio ganz gut abgesichert. So liegt der ungesicherte Dollaranteil – netto – nur noch bei rund 20 Prozent. Wenn man das mit einem globalen Aktienindex wie dem MSCI World vergleicht, ist das ziemlich wenig. Hier liegt das Dollar-Exposure bei mehr als 60 Prozent. Unsere Absicherung ist nur eine temporäre, taktische Maßnahme. Wir werden das sicher nicht jahrelang und auch mit Augenmaß umsetzen. Denn aus Sicht der Risikostreuung ist es wichtig, in unterschiedlichen Währungsräumen investiert zu sein.

In unserem letzten Strategiemeeting hatten wir Worst-Case-Szenarios anlässlich der Ausbreitung des Coronavirus entworfen. Dazu zählte, dass sich die US-Notenbank genötigt sehen könnte, expansiver zu werden. Der Fall ist nun eingetreten. Mit den USA fällt die letzte Zinsbastion der Industrieländer. Was bedeutet das für US-Anleger? Wie werden sie reagieren?

Flossbach: Bei den Zinsen ist es wie beim Virus. Solange es sich nur in China ausbreitet, hält das bei uns im Westen keiner für gefährlich. Kommt es dann nach Europa oder Amerika, muss sich plötzlich jeder damit beschäftigen. Auch bei den Zinsen fehlte den Amerikanern bisher die Vorstellungskraft, dass diese mal so tief fallen könnten. Warren Buffett erklärte einmal, als die 30-jährige US-Staatsanleihe auf drei Prozent fiel, das sei absurd – und meinte damit absurd tief. Aktuell markieren sie mit einer Rendite von einem Prozent einen neuen Tiefpunkt. Zehnjährige US-Staatsanleihen rentieren erstmals bei unter 0,5 Prozent.

Die Folgen der Niedrigzinsen zeigen sich besonders deutlich am Immobilienmarkt, wo Zinsbewegungen immer dann wirken, wenn Investoren das Niveau als dauerhaft ansehen. Vor vielen Jahren sind die Zinsen noch gestiegen, wenn ein Inflationsschub kam. Doch diese Zeiten sind – vielleicht endgültig – vorbei. Alte Grundgewissheiten gelten nicht mehr: Etwa, dass Sie jemandem etwas dafür zahlen müssen, damit er Ihnen Geld leiht. Die Amerikaner beginnen erst allmählich, sich mit solchen Themen anzufreunden. Wir werden eine Dekade der finanziellen Repression erleben, in Europa haben wir damit bereits deutlich mehr Erfahrung als in den USA.

Welche langfristigen Folgen hat das für die Finanzmärkte?

Flossbach: Die Vermögenspreisinflation, die bei uns in den vergangenen Jahren vor allem auf dem Immobilienmarkt zu sehen war, dürfte den Aktienmarkt erreichen. Die Flut hebt diesmal aber nicht alle Boote gleichermaßen, unseres Erachtens könnten aber die Bewertungen von Qualitätsaktien weiter steigen. Gold wird mit Blick auf den globalen Abwertungswettlauf der Währungen ebenfalls attraktiv bleiben. Immobilienbesitzer müssen wohl mit Regulierung und dem Zugriff der Finanzminister rechnen. Es ist wichtig, vor lauter Virusangst die wichtigen strategischen Entscheidungen – und damit auch den Fokus auf Sachwerte in einem diversifizierten Portfolio – nicht aus dem Blick zu verlieren.

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