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Bert Flossbach über China-Börsencrash „Als wäre der Dax zweimal ausgelöscht worden“

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Staatlich verordneter Aktienboom

Das omnipotente Staatsverständnis der Chinesen hat sich auch auf den Aktienmarkt übertragen. Nachdem die Anleger, ermuntert durch staatliche Unterstützung, das Aktienspekulieren (nicht Investieren) für sich entdeckt und Millionen neuer Wertpapierdepots eröffnet haben, rufen sie nun nach dem Staat als Retter. Tatsächlich erhörte dieser den Ruf und hat, in Sorge um das fallende Volksvermögen, zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um den Kursverfall zu stoppen. So wurden die Zinsen und die Reserveanforderungen der Banken gesenkt, um die Aktiennachfrage mittelbar über zusätzliche Kredite anzukurbeln, und der 150 Milliarden Dollar schwere staatliche Finanzfonds kann bei Bedarf unmittelbar zum Kauf von Aktien eingesetzt werden. 

Um das Angebot zu verknappen, wurde die Zahl von Neuemissionen begrenzt und ein sechsmonatiges Verkaufsverbot für Aktionäre eingeführt, die mehr als fünf Prozent an einem Unternehmen halten. Außerdem wurden Hunderte von Aktien vom Handel suspendiert.

Das Beispiel Chinas zeigt, dass der politische Wille ökonomische Gesetze nicht dauerhaft überwinden kann. Die Maßnahmen der Politik haben den Kurseinbruch zwar gestoppt, verzerren aber die Preissignale des Marktes und bewirken damit einen Vertrauensverlust. Langfristig werden sich die Kurse aber auch an den chinesischen Festlandbörsen an der Entwicklung der Unternehmensgewinne orientieren müssen, ansonsten bleibt der Markt ein Spielcasino.

War das chinesische Wirtschaftswachstum zuletzt noch schwächer als allgemein angenommen?

Die zuletzt häufig geäußerte Sorge, der Börsencrash würde die gesamte chinesische Wirtschaft mit nach unten ziehen, halten wir für übertrieben. Immerhin liegen die Aktienkurse noch über ihrem Niveau vom Jahresanfang und weit höher als vor einem Jahr. Inwieweit der Crash verängstigte Anleger dennoch veranlasst, ihren Konsum einzuschränken, bleibt abzuwarten. Da überwiegend wohlhabendere Haushalte betroffen sind, blicken vor allem Luxusgüter- und Automobilhersteller inzwischen etwas sorgenvoller nach China.

Die Eingriffe der Regierung könnten aber auch implizieren, dass das chinesische Wirtschaftswachstum zuletzt noch schwächer war als allgemein angenommen und die Regierung in diesem Umfeld eine weitere Verschlechterung der Konsumstimmung durch einen Börsencrash unter allen Umständen vermeiden möchte.

Ein Indiz hierfür könnte der starke Einbruch der Rohstoffpreise sein. So ist der Preis von Eisenerz, wo China über die Hälfte der Weltnachfrage ausmacht, seit Mitte Juni um rund 30 Prozent auf einen neuen Tiefstand von 45 Dollar pro Tonne (CFR Qingdao Basis) gefallen. Auch der Preis von Kupfer, bei dem China ebenfalls die weltweite Nachfrage dominiert, ist zuletzt auf ein Sechsjahrestief von 5.500 Dollar pro Tonne gefallen.

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